von Frank Stein
Bevor ich mich dem Comic widme, noch fünf Sätze zum Thema EU und Kanon. Heutzutage – also seit Disney das Franchise übernommen hat – ist es ja wirklich so, dass alle Comics und Romane als kanonisch gelten, das heißt den Filmen inhaltlich gleichgestellt sind. Filminhalte sollen Buch- oder Comic-Inhalten nicht widersprechen und umgekehrt genauso. (Ob das, gerade im Hinblick auf die Flut an kommenden TV-Projekten, klappt, sei mal dahingestellt, denn welcher teuer bezahlte Drehbuchautor schert sich um eine kleine Comic-Story?) Das war früher nicht so. Früher wurden Autoren von Büchern, Comics und Videospielen angehalten, sich den existierenden Filmen und TV-Episoden anzupassen. Umgekehrt kümmerte es bei Lucasfilm keinen Boxendroiden, was diese Leute erzählten. Und so wurden schon immer Romane und Comics von späteren Kinofilmen und TV-Episoden „überschrieben“ (manchmal zum lautstarken Unwillen der Autoren).
„Splinter of the Mind’s Eye“ war sicher der am schnellsten hinfällig gemachte Roman des ganzen Franchises. Was vielleicht auch daran liegt, dass er 1978 als erster seiner Art erschien und man sich entsprechend noch wenig Gedanken darüber machte, was es bedeutet, Romanabenteuer von Filmhelden zu erzählen, die aktuell noch im Kino aktiv sind. So präsentierte er zwar Luke Skywalker und Prinzessin Leia weitgehend komplikationslos in Bezug auf die Folgefilme. Doch der Auftritt eines kämpferisch eher minderbegabten Darth Vader, der noch keine Ahnung von seiner Verwandtschaftsbeziehung zu den beiden Junghelden zu haben schien, funktionierte spätestens nach „Das Imperium schlägt zurück“ vorne und hinten nicht mehr.
Aber ich greife vorweg. Widmen wir uns erst einmal dem Comic an sich. „Die neuen Abenteuer des Luke Skywalker“ ist – wie gesagt – eine Adaption des Alan-Dean-Foster-Romans. Der Comic kam ursprünglich zwischen Dezember 1995 und Juni 1996 in vier Teilen bei Dark Horse Comics in den USA heraus. Kurz darauf (1996/97) erschien er auch in Deutschland, und zwar beim Feest-Verlag. Innerhalb der „Essentials“-Reihe von Panini wurde 2013 ein Reprint veröffentlicht. Nun liegt die Geschichte erstmals im Hardcover vor, als Band 110 der „Star Wars Comic-Kollektion“. Adaptiert wurde die Geschichte von Terry Austin, der zusammen mit Chris Sprouse auch die Zeichnungen anfertigte. Dabei wurden beispielsweise Captain Piett und der Supersternenzerstörer Executor in die Geschichte eingefügt, die im Roman ursprünglich nicht enthalten gewesen waren (weil „Episode V“ zu dem Zeitpunkt ja noch nicht existierte).
Die Geschichte spielt zwei Jahre nach der Zerstörung des ersten Todessterns. Luke und Leia sind mit den Droiden R2-D2 und C-3PO unterwegs nach Circarpous IV, wo sie sich mit Untergrundkämpfern zu Gesprächen treffen wollen. Ein Triebwerksschaden macht eine Notlandung auf der Urwaldwelt Mimban – oder Circarpous V – nötig, wo die Helden nicht nur mit imperialen Streitkräften zusammenstoßen, sondern auch von einer etwas fragwürdigen Machtanwenderin namens Halla auf eine abenteuerliche Suche nach dem sogenannten Kaibur-Kristall mitgeschleppt werden. Der Kristall soll die Macht in einer Person extrem steigern – und das Imperium darf ihn nicht in die Hände bekommen. Heikel wird die Angelegenheit, als ausgerechnet Darth Vader persönlich auf die Mission der Helden aufmerksam wird und sich an ihre Fersen heftet.
Die Story, so heißt es, sei ursprünglich als Grundlage für eine Low-Budget-Fortsetzung von „Star Wars“ geschrieben worden, für den Fall, dass der erste Film gefloppt wäre. Da er jedoch erfolgreich war, wurde „Das Imperium schlägt zurück“ die offizielle Fortsetzung und der Roman kam als kleines Abenteuer für Zwischendurch heraus. Und als solches, als Episode im Leben von Luke und Leia, funktioniert es ziemlich gut. Das Personal ist überschaubar, aber mit Nebenfiguren wie Halla und dem imperialen Captain Supervisor Grammel durchaus interessant. Das Urwald-Setting ist kompakt und gewinnt doch durch seine eigentümliche Unterwelt. Und die Mission selbst – finde den Kaiburr-Kristall – ist simpel, wird aber durch die verschiedenen Herausforderungen abwechslungsreich genug für einen Comic. Es wird gewiss kein Epos erzählt, aber man fühlt sich gut unterhalten.
Etwas ungewöhnlich für „Star Wars“ ist der Grad an Brutalität. Grammel beispielsweise sticht schon mal jemandem ein Auge aus oder droht damit, Leia totzuprügeln. Und Vader schlägt mit seinem Lichtschwert durchaus Leute entzwei, wenn sie ihm nicht passen. Dabei ist es noch nicht einmal der Akt selbst, der aus dem Rahmen fällt – schließlich schlagen Jedi-Ritter auch gern mal einen Arm ab oder teilen Leute in zwei Hälften –, es ist vielmehr die Kaltblütigkeit, mit denen die Taten begangen werden. Hier haben Alan Dean Foster und Terry Austin gezielt kleine Schockmomente gesetzt.
Visuell herrschen klare Linien und Farben vor. Man spürt deutlich das Comic-Erbe der 1980er und 1990er auf diesen Seiten. Auf der Habenseite sind die Figuren – Luke, Leia, Vader, die Droiden – sehr gut getroffen. Gerade dem Gesicht von Leia sieht man an, dass die Illustratoren sich mit Standbildern aus den „Star Wars“-Filmen beholfen haben müssen, denn gelegentlich ist Carrie Fisher einfach auf den Punkt getroffen. Wo es hingegen keine Vorlagen gab, etwa bei den Aliens, mangelt es ein wenig an Fantasie und Detailfreude. So ist eins der einheimischen Geschöpfe Mimbans ein riesiger Wurm mit Fressmaul, ein anderes bloß ein gelatinöser Blob im Wasser. (Wie sie das 1978 in einem Low-Budget-Film umsetzen wollten, wage ich mir nicht auszumalen.)
Im Rahmen der „Comic-Kollektion“ wird die Geschichte natürlich – wie immer – durch ein Vorwort und eine zeitliche Einordnung begleitet. Am Schluss findet sich eine angenehm vollständige Cover-Galerie. Außerdem wurde der Hauptstory noch ein Nachtisch in Form einer Kurzgeschichte aus den „Star Wars Tales 11“ von 2002 beigefügt: „Die Tagebücher von Prinzessin Leia“ von Jason Hall. Zu den „Tales“ muss man wissen, dass sie immer schon als wildes Ideenpotpourri verstanden wurden, die eher auf der Saga basieren als damit makellos verknüpft sind. Das merkt man auch diesem ziemlich augenzwinkernden Beitrag an, der Leia als wildes Mädchen zeigt, das kein Bock auf höfische Etikette hat, gern mal hemmungslos abtanzt und außerdem dem steifen Tarkin unbedingt ans Bein pinkeln will. Witzig zu lesen, vor allem Dank zahlreicher Seitenhiebe auf die Saga, aber man darf das nicht ernst nehmen (auch wenn der Comic in der zweiten Hälfte an Ernst gewinnt).
Fazit: Die „Star Wars Comic-Kollektion 110“ bietet mit „Die neuen Abenteuer des Luke Skywalker“ eine interessante Zeitreise in die Anfänge des Expanded Universe. Die Geschichte ist nicht ansatzweise kanonisch (war es nicht mal nach Prä-Disney-Definition), aber sie ist spannend erzählt und als episodisches „Star Wars“-Abenteuer gerade für Fans, die sich für die Kuriositäten der frühen Saga-Zeit interessieren, eine kurzweilige Lektüre. Gleiches gilt für den humorvollen Nachschlag aus Prinzessin Leias Tagebuch. Empfehlenswert vor allem für die Fans, die an den Anfängen der Saga interessiert sind.
Star Wars Comic-Kollektion 110: Die neuen Abenteuer des Luke Skywalker
Comic
Alan Dean Foster, Terry Austin, Jason Hall
Panini Comics 2020
ISBN: 978-3-7416-1598-6
122 S., Hardcover, Deutsch
Preis: EUR 14,99
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