Star Wars – Armada

Als 1977 der erste Sternenzerstörer über die Kinoleinwände donnerte, der einen dreisten Blockadebrecher verfolgte, gehörten Großkampfschiffe noch zur Ausnahme bei „Star Wars“. Das Duell kleiner, schneller Jagdmaschinen stand im Vordergrund. Erst mit der Schlacht um Endor, bei der sich die Rebellenflotte mit der ganzen Macht der Imperiums anlegte, kam es zum offenen und visuell eindrucksvollen Gefecht zwischen zahllosen Giganten des Alls. Solche Gefechte lassen sich mit „Star Wars – Armada“ nachspielen.

von Bernd Perplies

„Star Wars – Armada“ ist ein taktisches Flottenkampfspiel für zwei Personen (oder zwei Parteien) von Fantasy Flight Games beziehungsweise dem Heidelberger Spieleverlag, in dem die Rebellen das Imperium in Raumschlachten herausfordern, die weit über die Jägergefechte des Schwesterprodukts „Star Wars – X-Wing“ hinausgehen. Hier treffen nicht bloß eine Handvoll Raumjäger aufeinander, vielleicht ergänzt um ein Schmugglerschiff oder – wenn man etwas ganz Dickes auf dem Tisch haben möchte – eine Corellianische Corvette (der oben genannte Blockadebrecher). Hier gehört besagte Corvette neben ganzen Jägerstaffeln zum Kleinvieh, die zwischen den größeren Brocken – Sternenzerstörern, Nebulon-B-Fregatten und ähnlichen Schiffen – umherrasen.

Man könnte „Star Wars – Armada“ als den großen Bruder von „X-Wing“ bezeichnen – und das aus drei Gründen. Zum Ersten verschiebt sich der Maßstab, wie erwähnt, vom Jägerduell zum Schiffskampf. Zum Zweiten erfordert das auf sechs Runden beschränkte Spielprinzip eine um einiges strategischer ausgerichtete Spielweise. Wer spontan losfliegt und mal schaut, wohin das Ganze führt, wird höchstwahrscheinlich entweder ohne viel auszurichten durchs All eiern oder sich gar über den Spielbrettrand katapultieren. Großkampfschiffe sind schwerfällige Mistdinger und ihre Führung erfordert umso mehr Voraussicht, je größer sie werden. Zum Dritten schließlich ist die Box des „Armada“-Grundspiels etwa dreimal so groß wie die von „X-Wing“ und kostet mit 89,95 EUR auch fast dreimal so viel. (Zum Glück zahlt man heutzutage ja nie den empfohlenen Verkaufspreis von Spielen, sondern bekommt meist einen gewissen Rabatt.)

Ist es das Spiel denn wert? Werfen wir einen Blick in die Box. Hier fällt als erstes auf, dass noch sehr viel Luft bleibt. Das Spiel hätte, mit allen Komponenten, auch in eine FFG-Midsize-Box gepasst, statt ins aktuelle Big-Box-Format. Ich nehme an, dass die größere Version auch deshalb gewählt wurde, um Platz für Erweiterungen zu haben. Primär aber dürfte der psychologische Effekt eine Rolle gespielt haben. Ein teures Spiel muss fett aussehen. Der Vorwurf der Mogelpackung ist hier nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist trotzdem einiges mehr im Grundspiel von „Armada“ drin als in dem von „X-Wing“. An Großkampfschiffen sind ein Sternenzerstörer der Sieges-Klasse, eine Nebulon-B-Fregatte und eine Corellianische Korvette enthalten, also zwei kleine und ein mittelgroßes Schiff im „Armada“-Maßstab. Die Modelle sehen hübsch aus und ähneln in der Bemalqualität den Jägern bei „X-Wing“. Schiffskarten, Schadenskarten, Aufwertungskarten und eine Menge Pappmarker (etwa Rundenmarker, Einsatzzielmarker, Schiffs-ID-Marker und Hindernismarker) dürfen als Standard-Ausstattung eines solchen Spiels gesehen werden. Das Regelwerk ist, wie neuerdings immer bei FFG, in Spielregeln und Referenzhandbuch aufgeteilt.

Drei Elemente mögen – neben dem Umstand, dass ein Sternenzerstörer bei „Armada“ aus deutlich mehr Plastik besteht als ein Jäger bei „X-Wing“ – einen materiellen Mehrwert bedeuten. Zum Ersten wären da die doch deutlich komplexeren  Plastikbasen der Schiffe, die mit Standfüßen, stabilen Haltestangen und „Andockpunkten“ für die je vier Schildräder versehen sind. Zum Zweiten sind zehn Staffeln zu je drei Jagdmaschinen samt Plastikbasen und Haltestäbchen mit in der Box. Im Grundspiel existieren nur X-Wings und Tie-Fighter, die zudem unbemalt daherkommen, aber die Enttäuschung über Letzteres verfliegt rasch während des Spiels, da dieser Umstand aufgrund der Modellgröße kaum mehr ins Auge fällt. Zum Dritten liegen sechs Kommandoräder und eine kongeniale Manöverhilfe aus Plastik bei, beides in der Herstellung sicher kostspieliger als die Pappstreifen bei „X-Wing“. Trotz all dem ist der Preis natürlich sportlich und zweifellos der „Star Wars“-Lizenz selbst geschuldet. Umso wichtiger ist die Frage, ob es sich denn lohnt, sich für „Armada“ in solche Unkosten zu stürzen.

Dazu muss man sich im Grunde drei Fragen beantworten: Mag ich „Star Wars“? Mag ich stark rundenbegrenzte Raumschlachten? Mag ich Spiele, in deren Mechanismus ich mich einarbeiten muss? Wenn alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, ist „Armada“ genau das Richtige. Auf die Fragen zwei und drei soll etwas genauer eingegangen werden.



„Star Wars – Armada“ erstreckt sich im Normalfall über sechs Runden. Diese Spielzeitbegrenzung mutet erst einmal irritierend an. Man fühlt sich gedrängt und in seinem planvollen Schlachtaufbau behindert. Genau genommen erweist sich die Zeitbeschränkung in dreifacher Hinsicht jedoch als Vorteil. Erstens läuft auf diese Weise die Spieldauer nicht aus dem Ruder. Sechs Runden lassen sich in ein bis zwei Stunden spielen. Und das ist gut. Zweitens fühlt sich so auch eine Schlacht mit Großkampfschiffen schnell und dynamisch an. Ein langwieriges Aufmarschieren der Schiffe entfällt, denn drittens ist man als Spieler gezwungen, von Runde eins an alles zu geben, wenn man gewinnen will.

Der imperiale Stratege muss übrigens gleich das halbe Spiel vorher planen, denn je dicker ein Schiff ist, desto träger reagiert es auf Befehle. Im Spiel ist das genial durch sogenannte Kommandoräder gelöst. Diese weisen je vier Symbole auf, die den vier möglichen Kommandos entsprechen, die man pro Runde neben Bewegung und Angriff aussprechen kann. Kommandos geben Boni auf die jeweilige Runde. So verstärkt „Feuer konzentrieren“ einen Angriff und „Navigieren“ verändert den Schub und erhöht die Manövrierfähigkeit. „Staffel“ erlaubt Jägern im direkten Umfeld des Großkampfschiffes, vorzeitig anzugreifen und „Reparieren“ stellt Schilde und Hüllenschäden wieder her. In der Kommandophase jeder Runde müssen die Spieler je ein Kommando auswählen, auf dem Kommandorad einstellen und verdeckt neben ihr Schiff legen. Nun kommt der oben genannte Clou: In der ersten Runde muss ein Spieler gegebenenfalls mehrere Kommandos wählen und die Räder stapeln! Die unteren Kommandos kommen allerdings erst später (also in Runde 2 oder 3) zum Tragen. Und neue Kommandoräder kommen stets unter den bestehenden Stapel. Das heißt, dass ein Imperialer, dessen Sternenzerstörer der Sieges-Klasse drei Kommandoräder besitzt, in einer Runde stets das Kommando für zwei Runden später wählen muss. Auf diese Weise wird wunderbar die Schwerfälligkeit riesiger Schiffe simuliert, deren Befehlskette entsprechend lang ist.

Damit sind wir auch schon beim Mechanismus von „Star Wars – Armada“ angekommen. Das Spiel geht in mehrfacher Hinsicht interessante Wege. Die sechs Runden sind jeweils in Kommandophase, Schiffsphase, Staffelphase und Statusphase unterteilt. Die Kommandoräder wurden ja bereits beschrieben. In der Schiffsphase kommt nach dem Aufdecken des Kommandorads erst der Angriff, dann die Bewegung. Das ist bereits eine ungewöhnliche Umkehrung normaler Abläufe. Die Bewegungsmanöver der großen Pötte werden dann mit einer sogenannten Manöverhilfe durchgeführt, eine Art „Plastiklineal“ mit vier Gelenken, die je nach Größe des Schiffs und Schub jeweils um ein oder zwei Strich abgeknickt werden können. Während Jäger einfach in gerader Linie in eine beliebige Richtung fliegen können und selbst kleine Schiffe, wie die Korellianische Corvette, noch leidlich beweglich sind, merkt man dem Sternenzerstörer an der Manöverhilfe enorm an, was für ein schwerfälliger Brocken er ist. Hier muss man als Imperialer sehr aufpassen, um sich nicht mit zu viel Schub in die völlig falsche Richtung zu katapultieren. Auch schön: Je nach Entfernung zum Ziel kommen unterschiedliche Würfel zum Zug. Und auch Angriffe gegen Jäger respektive Großkampfschiffe werden mit anderen Würfeln durchgeführt. Das bildet die jeweilige Stärke der Beteiligten sehr schön ab.

Jäger sind übrigens in „Star Wars – Armada“ zwar durchaus kampfstarkes, aber für das Schlachtergebnis unwichtiges Beiwerk. Gewinner ist stets derjenige, der binnen sechs Runden alle Großkampfschiffe des Gegners ausschalten konnte. Ob dieser dann noch den Tisch voller Jagdmaschinen hat, interessiert nicht, ein Umstand, auf den man durchaus achten muss. Alternativ kommen Siegbedingungen durch Missionen zum Tragen, aber auch hier gilt, dass die Schlacht frühzeitig vorbei ist, wenn ein Beteiligter sein letztes Großkampfschiff verloren hat.

Aufwertungskarten, Einsatzzielkarten, Feuerzonen und Sichtlinien geben dem Spiel schließlich die Würze, die man auch von „X-Wing“ kennt. Man muss sich also wirklich ein wenig in das System einspielen. Die ersten paar Partien können sich noch etwas frustrierend anfühlen, vor allem, weil man mit dem Rundenlimit nicht klar kommt. (Bei unserer ersten Partie kam es gerade mal zu einer Handvoll Schusswechseln ohne nennenswerten Schaden.) Aber wenn man sich genauer mit der Materie beschäftigt, ist „Star Wars – Armada“ ein Spiel mit faszinierender strategischer Tiefe.

Neben der Grundbox ist bereits zwei Wellen an Erweiterungen erschienen. Welle 1 umfasste eine Mischung aus Bekanntem um Neuem: einen weiteren Sternenzerstörer der Sieges-Klasse, eine weitere Nebulon-B-Fregatte, eine weitere Corellianische Korvette, eine Angriffsfregatte vom Typ II, einen Sternenzerstörer der Gladiator-Klasse sowie die Sternenjägerstaffeln der Rebellenallianz (A-Wings, B-Wings, X-Wings und Y-Wings) und des Imperiums (TIE-Turbojäger, TIE-Abfangjäger, TIE-Bomber und TIE-Jäger). Welle 2 bietet ausschließlich Neues: das MonCal-Flaggschiff der Rebellen Heimat Eins, die Imperiale Sturm-Korvette, die MC30c-Fregatte, den berühmten Sternenzerstörer der Imperium-Klasse und das Erweiterungspack „Schurken und Verbrecher“ mit Schmuggler- und Kopfgeldjägerschiffen.   

Fazit: „Star Wars – Armada“ ist alles andere als ein simpler Abklatsch von „X-Wing“, der nur den Maßstab der Schlacht verändert. Interessante Spielmechanismen, die gerade die Schwerfälligkeit großer Schiffe und die Notwendigkeit zur klugen Vorausplanung simulieren, geben dem Spiel seinen ganz eigenen Reiz und seine besondere Atmosphäre. „Armada“ ist schwieriger zu meistern als „X-Wing“ und daher für Spieler, die nur ins Cockpit hüpfen und ein bisschen herumballern wollen, nicht zu empfehlen. Wer allerdings schon immer der Meinung war, er hat das Zeug zu einem Admiral Ackbar oder Großmoff Tarkin, der sollte sich dieses stimmungsvolle Raumstrategiespiel nicht entgehen lassen.


Star Wars – Armada
Tabletop für 2 Personen
James Kniffen, Christian T. Petersen
Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag 2015
EAN: 4015566021693
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,95

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