Star Trek – Strange New Worlds: Das illyrische Enigma

Katastrophe auf der U.S.S. Enterprise. Captain Pikes Nummer Eins, Una Chin-Riley, ist von der Sternenflotte festgenommen worden. Die Anschuldigung: illegale genetische Modifikation. Dabei ist das für Una als Illyrianerin ganz normal, ja überlebenswichtig. Da kann Pike nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und so greift er nach jedem Strohhalm, um seine beste Offizierin vor dem Tribunal zu retten.

von Frank Stein

Der Comic „Das illyrische Enigma“ ist ein Tie-In-Werk im wortwörtlichsten Sinne. Er ist nämlich zwischen den beiden Staffeln der Streaming-TV-Serie „ Star Trek – Strange New Worlds“ angesiedelt. Am Ende der ersten Staffel wurde Una Chin-Riley, der Erste Offizier der Enterprise, festgenommen, weil sie ihre illyrianische Herkunft und damit in der Föderation verbotene Genmanipulationen am eigenen Körper verborgen hatte. In der zweiten Staffel kommt es dann zur wegweisenden Verhandlung vor dem Sternenflottengericht. Dabei sind die beiden Episoden so dicht verknüpft, dass man sich ernsthaft fragt, was die Autoren Kirsten Beyer und Mike Johnson noch dazwischen erzählen wollen. Doch tatsächlich legen sie auf 120 Seiten einen ziemlichen Knall hin – der allerdings folgenlos verhallen soll.

Ich werde nicht spoilern, was genau hinter den Illyrianern steckt. Nur so viel sei verraten: Pike und die Enterprise-Crew sind verständlicherweise sauer über das Verhalten der Föderation. Das gibt Pike auch Admiral April gegenüber zu verstehen, der ihm aber rät, den Ball flach zu halten, denn auch er selbst könnte als Mitwisser in die Schusslinie der Ankläger geraten. Er soll froh sein, dass er im Moment einen simplen Transportdienst weitab vom Schuss aufgetragen bekommen hat.

Doch Pike wäre nicht Pike, wenn er tatenlos auf Unas Verurteilung warten würde. Er will mehr über das geheimnisvolle Volk der Illyrianer wissen, um möglicherweise Informationen zu bekommen, die der Verteidigung helfen könnten. Eine illyrianische Kolonie nicht weit weg von ihrer gegenwärtigen Route wäre ein guter Kandidat für Ermittlungen. Doch die Illyrianer vor Ort wissen bereits von Unas Gefangennahme und haben ihre ganz eigenen Fragen, die die Crew der Enterprise für sie beantworten soll – ob freiwillig oder nicht, ist ihnen dabei egal! So kommt es zu einer Schnitzeljagd mit zwei Parteien, die nicht zuletzt auf die illyrianische Heimatwelt führen wird, wo ebenso erstaunliche wie erschreckende Enthüllungen warten.

Hier lehnen sich Beyer und Johnson erstaunlich weit aus dem Fenster. Noch während die Streaming-TV-Serie neue Staffeln erhält, erklären sie die Ursprünge einer für „Strange New Worlds“ keineswegs unbedeutenden Spezies. Da Kirsten Beyer mittlerweile eine Art Bindeglied zwischen TrekLit-Autoren und Bewegtbildmachern ist, wird das wohl für den Kanon abgesegnet worden sein. Trotzdem besteht die Gefahr, durch spätere Serien-Episoden widerlegt zu werden. Das ist zugegeben ein Problem, das alle „Star Trek“-Romane und -Comics schon immer gehabt haben, dennoch fragt man sich, ob es nötig gewesen wäre, diese Geschichte im Comic zu erzählen, zumal alle Erkenntnisse folgenlos bleiben, da ja in Staffel 2 niemand mehr davon spricht. Der Kniff der Autoren hier ist so alt wie unbefriedigend: Man darf halt über das Erlebte nicht mehr reden, weil es zu heikel ist. Ein kleineres Abenteuer hätte es vielleicht auch getan.

Visuell ist der Comic in der soliden Mittelklasse angesiedelt. Megan Levens Zeichenstil ist sehr filigran und klar, bleibt aber etwas arm in den Hintergrunddetails und wirkt überhaupt ein wenig steif und klinisch. Das wird vor allem durch die Kolorierung von Charlie Kirchhoff verstärkt, die durch den geringen Grad an Schattierungen relativ flächig wirkt. Ich will das Ganze nicht schlechtreden. Die Figuren sind über weite Strecken gut getroffen. Gestik, Mimik und Anatomie gehen absolut in Ordnung. Auch die Enterprise an sich ist sehr sauber ausgeführt. Trotzdem fehlt dem Comic die dramatische Lebendigkeit, die moderne Comics des Nachbarfranchises „Star Wars“ oft auszeichnen. (Andererseits war „Star Trek“ ja schon immer etwas steifer und behäbiger als „Star Wars“.)

Ein 13-seitiger Bonusteil mit Cover-Varianten und Skizzen schließen den Comic ab. Hier lässt sich Cross Cult nicht lumpen. Manch Konkurrenzverlag hätte versucht, hier Seiten einzusparen.

Fazit: „Star Trek – Strange New Worlds: Das illyrische Enigma“ schlägt die Brücke zwischen der ersten und zweiten Staffel der Streaming-TV-Serie. Der Inhalt ist durchaus pikant, die Umstände zwingen die Autoren aber dazu, am Ende den Status Quo wieder herzustellen, daher werden alle Erkenntnisse unter den Tisch gekehrt, was sie irgendwie hinfällig erscheinen lässt. Visuell sehr sauber und klar, wenngleich etwas steif umgesetzt und mit einer schönen Bonus-Sektion garniert, dürfte der Comic vor allem „Strange New Worlds“-Fans ansprechen, die unbedingt mehr von Captain Pike und seiner Crew haben wollen. Ganz so überzeugen wie die Serie konnte er mich allerdings nicht. Dazu fehlen dann einfach doch die sympathischen Schauspieler, die den Figuren erst so richtig Leben einhauchen.

Star Trek – Strange New Worlds: Das illyrische Enigma
Comic
Kristen Beyer, Mike Johnson, Megan Levens, Charlie Kirchhoff
Cross Cult 2024
ISBN: 978-3-98666-365-0
104 S., Softcover, deutsch
Preis: 20,00 EUR

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