Star Trek – Die neue Zeit 1

Als J.J. Abrams 2009 den elften „Star Trek“-Film in die Kinos brachte, ging ein Raunen durch die Science-Fiction-Szene. Abrams machte alles anders, als seine Vorgänger. Reboot statt Sequel, Kirk statt Picard, eine frische junge Crew statt gestandenen Recken und ein Paralleluniversum, in dem einiges bekannt, aber auch vieles ganz anders war. Mit dem JJ-Verse hat „Star Trek“ eine neue Spielwiese parallel zum klassischen, gegenwärtig im Jahr 2382 angesiedelten Erzählraum geschaffen, die völlig unabhängig davon existiert. Nun wird das Universum in Romanen („Starfleet Academy“) und Comics wie „Star Trek – Die neue Zeit“ ausgebaut.

von Frank Stein

„Verrückte neue Welt“, mochte sich mancher Fan 2009 nach dem Gang ins Kino denken. J.J. Abrams wirbelte in seinem Film das klassische „Star Trek“-Universum gehörig durcheinander. Aus Spock und Uhura wurde auf einmal ein Paar, Vulcan wurde mal im Vorbeigang in die Luft gesprengt und als typische Disziplinarmaßnahme an Bord eines Sternenflottenschiffes wurde das Aussetzen auf unwirtlichen Eisplaneten eingeführt. Crazy Shit! Doch wer glaubt, dass es ähnlich hemmungslos in dem vorliegenden Comic weitergeht, der täuscht sich – und mag daher erleichtert oder ernüchtert sein, je nach persönlicher Haltung zum JJ-Verse.

„Eine neue Zeit“ ist eine in den USA fortlaufende Comic-Reihe, die als Tie-In die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten (oder vielmehr dem elften und zwölften) Kinofilm überbrücken soll. Erzählt werden in ihr überwiegend  klassische „Star Trek“-Abenteuer aus der originalen TV-Serie der 1960er, allerdings mit dem neuen Personal und im JJ-Verse, das zumindest einige neue Kniffe in den Episodenhandlungen verspricht. Im vorliegenden Sammelband, der bei Cross Cult auf Deutsch erschienen ist, werden zwei Episoden geboten: „Die Spitze des Eisbergs“ und „Notlandung auf Galileo 7“.

Für all diejenigen unter den Lesern, die diese Geschichten nicht kennen, hier ein kurzer Handlungsüberblick: In „Die Spitze des Eisbergs“ befindet sich die U.S.S. Enterprise einige Zeit nach den Ereignissen des elften Kinofilms auf ihrer ersten Forschungsmission draußen im All. Man ist gerade im Begriff den Rand der Galaxis zu überqueren, um von dort aus ins Unbekannte vorzustoßen, als man durch eine Energiewolke fliegt,  die dem Schiff kräftig Schaden zufügt. Dabei wird auch Kirks alter Akademiekamerad und jetziger Brückenoffizier Gary Mitchell von einer Energieentladung getroffen. Während neun Crewmitglieder sterben, entwickelt Gary enorme paranormale Gaben. Der Größenwahn lässt nicht lange auf sich warten.

„Notlandung auf Galileo 7“ erzählt von dem missglückten Versuch, eine quasarähnliche Formation zu erforschen. Das Shuttle mit Spock, McCoy, Scotty und vier Crewmitgliedern an Bord gerät dabei in den Sog der Raumanomalie und stürzt auf einem benachbarten Planeten ab. Da die Enterprise aufgrund der atmosphärischen Störungen Schwierigkeiten hat, das Außenteam zu finden, heißt es für die Gestrandeten, ihr schrottreifes Shuttle irgendwie zu reparieren und bis dahin zu überleben. Leider ist der Planet nicht so unbewohnt, wie gedacht.

Trotz einiger kleinerer Plotlöcher – warum etwa hocken bei „Notlandung auf Galileo 7“ fünf Leute auf Gästebänken in einem Shuttle, das nur ein Raumphänomen untersuchen soll – sind die beiden Geschichten an sich tadellos erzählt. Sie haben einen guten Spannungsbogen, Raum für Gefühle, ebenso wie für Action, und ein Hauch von Sense of Wonder weht auch durch die Seiten. Optisch wissen sie ebenso zu gefallen. Die Figuren sind überwiegend gut getroffen und die Hintergründe, wenngleich nicht vor Details strotzend, sind nett anzusehen und treffen den Ton des Kinofilms. Leider bleiben die Stories sehr nah an den TV-Vorbildern und schöpfen das Potenzial, das ihnen das JJ-Verse erlaubt, nicht aus. Man fühlt sich eher an eine Adaption, als an einen Reboot der alten Episoden erinnert. Das mag Absicht sein, war von seinen Machern dann aber keine so innovative Idee.

Denn die beiden Episoden, die ohne nennenswerte Folgen für das Universum als Ganzes bleiben, sondern nur kleine Abenteuer erzählen, wirken dadurch erstaunlich veraltet. Das mag zum einen daran liegen, dass das JJ-Verse gleich mit „maximaler Feuerkraft“ zum Leben erweckt wurde, nämlich als Blockbuster-Kinofilm mit richtig großen Schauwerten und einer die Menschheit bedrohenden Gefahr. Zum anderen sind sicher auch die „Star Trek“-Romane der letzten Jahre schuld, die mit Themen wie dem zerbrechenden Romulanischen Sternenimperium, dem ultimativen Krieg gegen die Borg und dem Typhon Pact wirklich galaxisumspannende Konflikte ins Zentrum gerückt haben. Das kuriose Abenteuer der Woche (mit selbsternannten Göttern und Affenmenschen) ist darüber vollkommen in den Hintergrund gerückt und wirkt nicht mehr zeitgemäß.

Selbstverständlich war „Star Trek“ mal genau das. Sowohl „The Original Series“ als auch „The Next Generation“ erzählten bevorzugt genau solche Geschichten. Auch in „Deep Space Nine“, „Voyager“ und „Enterprise“ gab es sie noch. Aber sie wurden zum einen immer weniger und zum anderen immer stärker mit der jeweiligen Geschichte des Universums verwoben (man denke nur an die vierte Staffel „Star Trek Enterprise“, die voller Episoden mit föderationshistorischer Relevanz waren). So gelingt diesem Comic-Konzept der eigenwillige Spagat, zugleich irgendwie passend, als auch unzeitgemäß zu wirken.

Zuletzt stellt sich die Frage, an wen sich diese Comics richten. Jungen, neuen „Star Trek“-Fans haben diese Geschichten wahrscheinlich zu wenig Wumms. Sie erzählen jedenfalls deutlich leiser als Abrams’ Kinofilm. Veteranen bieten sie, wie oben angedeutet, zu wenig Neues. Ich möchte das JJ-Verse wirklich lieben, denn ich fand den Gedanken eines Reboots immer durchaus reizvoll. Aber alter Wein in neuen Schläuchen kann nicht die Lösung sein. Das hat Kuriositätenwert (etwa wie eine Kurzgeschichtensammlung aus dem Spiegeluniversum), allerdings bleibt das Marktpotenzial fraglich. Wenn Captain Kirk und Co wirklich die Massen bewegen sollen, müssen sie nicht nur optisch, sondern auch erzähltechnisch zu wirklich neuen Ufern aufbrechen.

Fazit: Der erste Band der fortlaufenden Reihe „Star Trek – Die neue Zeit“ bietet solide Unterhaltung auf Basis zweier alter TV-Episoden. Handwerklich gibt sich der Comic absolut keine Blöße, inhaltlich bleibt das Ganze, obwohl durchaus unterhaltsam, hinter seinen Möglichkeiten zurück. Junge Fans mögen sich an neuen Abenteuern aus dem JJ-Verse erfreuen, Veteranen neugierig die Abweichungen zur „Original Series“ analysieren. Doch beiden Zielgruppen bietet der Comic ein bisschen zu wenig, um richtig gut zu sein. Ein Reinblättern vor dem Kauf mag kein Fehler sein.


Star Trek – Die neue Zeit 1
Comic
Mike Johnson, Stephen Molnar, Joe Phillips
Cross Cult 2012
ISBN: 978-3-942649-34-6
112 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,80

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