Star Trek: Picard – Schwarze Schafe

Über die Streaming-TV-Serie „Star Trek: Picard“ gehen die Meinungen auseinander. Relativ einig ist man sich im Fandom allerdings, dass Cristóbal Rios, der Besitzer des Frachters La Sirena, mit dem Jean-Luc Picard in Staffel 1 der Serie unterwegs ist, ein extrem unterhaltsamer Charakter war. In „Schwarze Schafe“ nimmt uns Autor John Jackson Miller mit auf ein launiges Abenteuer aus Rios’ Vergangenheit.

von Frank Stein

Die Geschichte beginnt 2391, also zehn Jahre, bevor Rios mit Picard auf Abenteuer ziehen wird. Er ist – wegen einer undurchsichtigen Sache – vor Kurzem unehrenhaft aus der Sternenflotte entlassen worden, und obwohl das ziemlich an ihm nagt, will er sich eine neue Existenz als freier Frachterpilot aufbauen. Dabei steht der Kauf seines späteren Schiffs La Sirena direkt im ersten Kapitel auf dem Programm. Bis diese Transaktion über die Bühne ist, hat sich Rios – man muss schon sagen: durchaus provoziert – ziemlichen Ärger mit den Verkäufern eingehandelt, einer Truppe Iotianer. Zu diesen menschenähnlichen Fremdweltlern muss man wissen, dass ihre ganze Gesellschaft auf Sigma Iota II auf dem irdischen Buch „Chicago – Bandenwesen 1920“ basiert, das die Besatzung der U.S.S. Horizon 2168 zurückgelassen hatte (das war noch vor der Erfindung der „Obersten Direktive“). Das heißt, es handelt sich ausnahmslos um Operettengangster, mit denen sich Rios dermaßen anlegt, dass er am Ende des Lieds eine Aufpasserin in Gestalt der etwas ruppigen Iotianerin Ledger an Bord hat, die dafür sorgen soll, dass er auch seine Raten bezahlt.

Das erweist sich als weniger leicht als gedacht. Die Mannschaft, die Ledger (und Rios) rekrutiert, besteht aus nur mäßig begabten Personen, die Jobs, die es zu erledigen gilt, entwickeln sich zur Katastrophe – und überhaupt scheint mit dem Schiff irgendetwas nicht zu stimmen, denn eine Menge Leute interessieren sich sehr dafür, unter anderem der notorische Gauner und Sammler Kivas Fajo, zwei Ferengis und ein paar Weltenentwickler. Dabei hat das Ganze irgendetwas mit dem verstorbenen Vorbesitzer, einem abgehalfterten Klingonen, zu tun. Und so geht es für Rios auf einen irren Trip mit viel Alkohol, schönen Frauen, brutalen Schlägern und einem Geheimnis, das in die Unterwelt-Kunstsammlerszene am Rand der Föderation führt.

Autor John Jackson Miller schreibt im Nachwort des Romans, dass er mit „Schwarze Schafe“, das in Zeiten der Corona-Pandemie entstanden ist, vor allem ein Abenteuer erzählen wollte, das Spaß macht. Implizit heißt das: Er wollte locker flockig dahinfabulieren, ohne das Gefüge der Galaxis zu erschüttern – was er als Tie-In-Autor eines „Picard“-Romans eh nicht gedurft hätte. Sein Plan ist durchaus aufgegangen, im Guten wie im Schlechten. Auf der Habenseite steht eine Geschichte, die mit vielen flotten Sprüchen daherkommt, bei der es – trotz Gangstermilieu – kaum zu Mord- und Totschlag kommt, die – vor allem nach den ersten hundert Seiten – fesselt und immer wieder mit neuen Wendungen überrascht und die mit einem sehr versöhnlichen Schluss aufwartet. Obwohl Rios immer mal wieder abstürzt und im Suff und Selbstmitleid versinkt (nicht ganz zu Unrecht zugegeben), macht es durchaus Laune, mit ihm und der La Sirena durchs All zu zischen.

Etwas kritisch ließe sich anmerken, dass Rios doch (trotz Suff) mitunter etwas over-the-top inszeniert ist. Wie er anfangs die durchaus gefährlichen Iotianer provoziert und vorführt, wirkt übertrieben und weckt nicht unbedingt Sympathien. Auch sonst haut er ein paar ziemlich dreiste Aktionen raus, wenn die Not am größten ist, ein veritabler Errol Flynn des Weltraums – das muss man mögen. Und natürlich geht es in dem Buch letztlich … um nichts. Oder sagen wir: um wenig. Ich will hier nicht spoilern, aber es sind sehr private Schicksale, die hier abgehandelt werden. Es stehen weder Planeten noch Völker auf dem Spiel, die Galaxis als Ganzes schon gar nicht. Das ist für die einen absolut okay, andere mögen den Roman als Füllwerk abtun, vor allem im Vergleich mit den großen politisch-militärischen Epen des Post-TNG/DS9/VOY-LitVerse. Aber erneut: Diese Zeiten sind eh vorbei, seit „Star Trek“ wieder verstärkt auf dem Bildschirm stattfindet. Mehr als Füllwerk dürfen Tie-In-Romane heutzutage gar nicht sein. Zu guter Letzt ist das Buch vielleicht einen Tick zu lang, hat eine Wendung, eine reinspielende Partei, einen Cameo, eine Verschachtelung zu viel. Bei einem der Epiloge habe ich mich dabei erwischt, zu denken: „Ach so, auch das noch. Kann man machen, hätte aber echt nicht mehr sein müssen.“

Wer sich übrigens auf das Buch vorbereiten – oder es nachbereiten – möchte, dem seien folgende Episoden empfohlen: „TOS: Epigonen (2x20)“, „TNG: Der Sammler (3x22)“, natürlich die erste Staffel „Star Trek: Picard“ sowie „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“.

Fazit: Trotz eines ganzen Absatzes an möglichen Kritikpunkten überwiegt der Spaß an „Schwarze Schafe“ definitiv! Wenn mich ein Buch so sehr fesselt, dass ich immer weiterlesen will, dann ist es auf jeden Fall ein gutes Buch – zumal Rios, nach ein paar Startschwierigkeiten, auch ein wirklich cooler Charakter ist und das Zusammenspiel mit seiner Aufpasserin Ledger immer wieder für nette Wortgefechte sorgt. Eine Empfehlung für alle „Star Trek“-Fans, die Rios mögen und die sich auch von einem Roman gut unterhalten fühlen, bei dem keine gewaltige Bedrohung das All erschüttert, sondern es einfach nur um ein paar Leute geht, die – jeder für sich – ihre Vergangenheit bewältigen und eine bessere Zukunft finden wollen.

Star Trek Picard – Schwarze Schafe
Film/Serien-Roman
John Jackson Miller
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-98666-108-3
567 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 15,00

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