Star Trek – Deck Building Game – The Next Generation Premiere Edition

Deck Building Games gehörten neben den Living Card Games zu den großen Nachfolgern, als die Zeit der klassischen Sammelkartenspiele langsam zu Ende ging. Spiele wie „Dominion“, „Thunderstone“ oder „Nightfall“ vereinen das Konzept des selbst zusammengestellten Spieldecks mit der Spielerfreundlichkeit, die auf ein Jagen und Sammeln von Karten verzichtet, weil alles, was zum Spiel gehört, in einer Box zu finden ist. Dass dieser Markt auch in Nischen expandiert, war klar. Dennoch wurde ich von der Entdeckung des „Star Trek – Deck Building Games“ von Bandai völlig überrascht – ein Geheimtipp, wie sich nach wenigen Spielrunden gezeigt hat.

von Bernd Perplies

Das „Star Trek – Deck Building Game“ macht es einem anfangs etwas schwer. Die Box an sich ist hübsch und stimmungsvoll aufgemacht; Captain Picard, Commander Riker, Data und die Enterprise-D wecken die Lust am Spiel bei jedem „Star Trek“-Fan. Im Inneren macht sich dann jedoch zunächst einmal Ernüchterung breit. Leider sind viele der Karten vom Druckbild her eher blass und nicht selten auch etwas unscharf. Von der visuellen Qualität eines „Star Trek – Customizable Card Game“ ist Bandais Kartenspiel weit entfernt. Auch das Regelwerk hat seine Macken. Es ist relativ lakonisch geschrieben, und wer sich mit „Deck Building Games“ und ihren typischen Spielmechanismen nicht auskennt, mag sich gelegentlich verloren vorkommen. Selbst als Kenner bleibt man manchmal stecken und kann dann nur auf den gesunden Menschenverstand und/oder eine rasch vereinbarte Hausregel setzen.

Doch der erste Schein trügt! Das mit 300 Karten, fünf Würfeln und einem dünnen Regelbuch daherkommende Spiel vermag einen bereits nach wenigen Zügen in den Bann zu schlagen. Das Grundprinzip ist völlig simpel. Jeder Spieler startet mit drei buchstäblich gesichtslosen Ensigns, zwei Lieutenants und fünf Startkarten. Diese werden gemischt, und dann zieht man sich fünf Karten auf die Hand. Mit diesen Karten bestreitet man seinen Zug, in dem man entweder eine Action Phase oder eine Trash Phase durchführt. Die Trash Phase besteht schlicht und ergreifend darin, eine nicht mehr im Kartendeck gebrauchte Karte von der Hand abzuwerfen. Gerade im späteren Spielverlauf ist das nützlich, um billige Startkarten loszuwerden und zuverlässiger seine mächtigen nachgekauften Karten auf die Hand zu bekommen.

Die Action Phase dagegen ist das Herzstück des Spiels. In ihr legt man seine Karten vor sich aus – man setzt sie sozusagen auf die Brücke seines Flaggschiffs, das zu Beginn ein schmalbrüstiges Gefährt der Constellation-Klasse ist (Stichwort: U.S.S. Stargazer, Picards erstes Kommando). Die ausgespielten Karten haben drei Spielbedeutungen. Zum einen finden sich auf ihnen XP (Erfahrungspunkte), mit denen man neue Karten aus der Starbase erwerben kann. Dort – im zentralen „Einkaufsbereich“ des Deck Building Games – liegen stets neun Karten vom Starbase-Zugstapel aufgedeckt. Wird eine gekauft oder entfernt, wird sie durch eine frische ersetzt. Zu Starbase-Karten gehören, neben weiteren Ensigns, Lieutenants und ebenso namenlosen Commanders, natürlich vor allem namhafte und damit mächtigere Charaktere, die man aus der TV-Serie kennt, etwa Picard, Riker, Data, Worf, usw., aber auch Klingonen, Romulaner, Ferengi und mehr. Außerdem kann man Maneuver und Setup Cards kaufen, die bestimmte Effekte auslösen, wenn man sie spielt.

Damit wären wir bei der zweiten Bedeutung eines ausgespielten Karte: ihrem Effekt. Die Effekte sind das Salz in der Suppe. Sie geschickt einzusetzen, kann zwischen Sieg und Niederlage entscheiden. Die existierenden Effekte umfassen ein breites Spektrum an Möglichkeiten: Man kann beispielsweise eine Karte von der Hand abwerfen, um eine neue zu ziehen. Man kann eine ungeliebte Karte dem Gegner ins Deck schmuggeln. Man kann sich Missionen, die es zu bewältigen gilt, um Siegpunkte einzuheimsen, heimlich anschauen, bevor man sich ihnen stellt. Oder die vier Werte des eigenen Schiffs verstärken. Bei diesen Spielwerten handelt es sich dann um die dritte Spielbedeutung. Egal ob man kämpft oder forscht, man muss häufig Zielwerte in Attack oder Diplomacy erreichen, um Erfolg zu haben. Speed und Defense erfüllen ähnliche Zwecke. Das eigene Flaggschiff besitzt meist ein paar niedrige Grundwerte. Um eine Aufgabe zu bewältigen, muss man jedoch zusätzlich auf die Werte ausgelegter Charaktere und Maneuver bauen. Unterm Strich hält man daher in einem Zug kaum tote Karten auf der Hand, sondern kann fast alle irgendwie nutzen – was auch sinnvoll ist, denn wie bei jedem Deck Building Game wirft man am Ende des Zuges die gesamte Hand ab und zieht fünf neue Karten vom Zugstapel für die nächste Runde. Ist dieser aufgebraucht, wird der Ablagestapel gemischt und ein neuer Zugstapel gebildet. So rotieren eingekaufte, stärkere Karten ins Deck.

Das Erforschen und Bewältigen von Missionskarten ist der Teil der Action Phase – neben Karten ausspielen, Karten kaufen und Karten in der Starbase austauschen –, der am Wichtigsten ist. Denn nur die Missionen und Ereignisse, die man vom gesonderten Space Deck aufdeckt, bringen Punkte, sofern es einem gelingt, sie zu bewältigen. Die Karten des Space Deck fallen sehr unterschiedlich aus. Es existieren simple Effekte, die häufig einen Spieler, der hinterherhinkt, begünstigen. Es finden sich Schiffe dort, die man mit Diplomatie oder Gewalt bezwingen kann (um sie entweder nur als Siegpunkte zu werten oder als neues Flaggschiff zu übernehmen). Es gibt Missionen mit bestimmten Zielvoraussetzungen, die es mit der aktuellen Kartenhand zu erfüllen gilt, um sie zu schaffen und in den eigenen Punktebereich legen zu dürfen. Und ab und zu werden auch alle Spieler zum Kampf aufgefordert, der schnell und dreckig darin besteht, dass Speed-Werte verglichen werden und dann jeder Spieler in absteigender Reihenfolge Schaden in Höhe seines Attack-Werts gegen die Schilde und Defense-Werte eines Gegners anrichtet. Allerdings scheidet niemand, dessen Schiff auf diese Weise in Stücke geschossen wird, tatsächlich aus dem Spiel aus. Man wird bloß degradiert (bekommt einen weiteren, das Deck „zumüllenden“ Ensign aufgehalst) und dann geht es mit frisch repariertem Schiff weiter.

Ziel des Standardspiels ist es, 400 Punkte zu erzielen. Natürlich ist dieser Wert variierbar, um die Spiellänge zu beeinflussen. Zwei Szenarien – das kooperative „Borg Invasion Scenario“ sowie die 2-vs-2-Team-Variante „Klingon Civil War“ – ergänzen das Grundspiel um eine etwas andere Spielerfahrung, da sich sowohl das Space Deck, als auch einzelne Zugregeln unterscheiden.

Fazit: Völlig zu Unrecht hat das „Star Trek – Deck Building Game“ kaum bis gar keine Beachtung auf dem Markt der Deck Building Games erhalten. Gerade für Science-Fiction-Fans, die bislang hier stiefmütterlich behandelt wurden, ist es eine absolut legitime Alternative zu Spielen wie „Thunderstone“. Sicher wird das Rad nicht neu erfunden und bei der Optik muss man zumindest ein Auge zukneifen, aber Spaß macht das Spiel garantiert. Für ganz Begeisterte existieren auch noch zwei Erweiterungen: die „The Next Generation Next Phase Edition“, in der vor allem Borg, Cardassianer und Romulaner eine Rolle spielen, und die „The Original Series Premiere Edition“, die uns mit Kirk, Spock, McCoy und Co hinaus ins All ziehen lässt.


Star Trek – Deck Building Game – The Next Generation Premiere Edition
Kartenspiel für 2 bis 4 Personen
Alex Bykov
Bandai 2011
ISBN: 45557237202
300 Karten, 5 Würfel, Regeln, englisch
Preis: $ 39,99

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