Star Trek – Coda 2: Die Asche von Morgen

Was kann ein Mann tun, wenn er sich dem Ende aller Realitäten, aller Paralleldimensionen, aller Existenz gegenüber sieht? Vor dieser Frage steht Captain Jean-Luc Picard am Ende des ersten Bandes der „Coda“-Trilogie, die verfasst wurde, um das „LitVerse“ des „Star Trek-“Universums zu beenden, das mit dem Erscheinen der „Picard“-TV-Serie hinfällig geworden war. Die Antwort darauf: Man sammelt alle Legenden, die man finden kann – und kämpft! Genau das passiert in „Die Asche von Morgen“.

von Bernd Perplies

Ich will nicht noch einmal wiederholen, was es mit der „Coda“-Trilogie auf sich hat. Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich meinen Artikel zum ersten Buch, „Zeit in Scherben“, von Dayton Ward. Nur ganz kurz: Die Aufgabe, die sich die drei Autoren Dayton Ward, James Swallow und David Mack gestellt hatten, lautete, das LitVerse von „Star Trek“ zu einem Abschluss zu bringen, damit es einen sauberen Übergang zur TV-Serie „Picard“ geben konnte. Und Abschluss heißt hier vor allem: Zerstörung! Unglaubliche Zerstörung! Man mag davon halten, was man will, spannend und dramatisch ist es in jedem Fall.

Dabei lässt sich James Swallow, der für diesen mittleren Band verantwortlich war, zunächst durchaus Zeit. Anfangs bringt er Benjamin Sisko und die anderen Protagonisten rund um die Raumstation Deep Space 9 ins Spiel, ein wichtiger Schritt, war die „Coda“-Geschichte bislang doch fast ausschließlich ein Picard-Abenteuer. Außerdem gibt es Zeit zur Trauer, vor allem um Ezri Dax, die vielleicht wichtigste Figur, die in „Zeit in Scherben“ über die Klinge springen musste. Danach heißt es Sammeln, und dieses Sammeln dauert letzten Ende fast zwei Drittel des Buchs. Das zieht sich ein wenig, und wenn man dann noch – wie ich – die Geschichte über einen relativ langen Zeitraum verteilt in Häppchen liest, verliert man leicht aus dem Blick, wie dramatisch die Situation eigentlich ist. So hat Worf mit inneren Dämonen zu kämpfen, Riker entwickelt sich zum getriebenen, aber auch gefährlichen Antagonisten von Picard, alte Freunde, die sich im Laufe der letzten Romanjahre auseinandergelebt haben, müssen sich wieder zusammenraufen. Bis schließlich fast zwei komplette Besetzungen TNG und DS9 (plus Special Guests) auf Deep Space 9 zusammenkommen, sind einige Hindernisse zu bewältigen.

Spätestens an dem Punkt nimmt die Geschichte ordentlich an Fahrt auf, und die letzten hundert Seiten sind ein ziemlich wilder Ritt, der einmal mehr herbe Verluste mit sich bringt. Gerade Fans von „Deep Space 9“ müssen einiges schlucken, wenigstens ist aber nicht alles sinnlos, sondern Swallow gelingt es geschickt, eine Art Etappensieg rauszuholen. Ob das am letztlichen Ende irgendetwas ändert, sei noch einmal dahingestellt. Da ich mich nach wie vor nirgendwo im Internet habe spoilern lassen, ist für mich der Ausgang des Ganzen unverändert völlig offen. Allerdings, das gebe ich offen zu, ist die Hoffnung gering, dass wir um ein Heldenende mit Schrecken herumkommen werden. Das wird sich im abschließenden Band von David Mack dann zeigen.

Schön für Fans ist in jedem Fall das Cross-Over von TNG und DS9. Wenn Picard zusammen mit Sisko Schlachtpläne schmiedet, wenn Geordi, Wesley und Odo gemeinsam einen Gegner austricksen, wenn die Defiant an der Seite der Aventine in die Schlacht fliegt, um Bajor zu beschützen – das hat alles was! Die einzige Truppe, die mir eigentlich die ganze Zeit noch fehlt, sind Captain (mittlerweile ja Admiral) Janeway und ihre Leute von der Voyager. Zwar haben Tom Paris und B’Elanna Torres einen Gastauftritt (wie auch ein paar andere namhafte Gestalten aus der weiten Welt des LitVerse), aber der befriedigt wenig. Man darf gespannt sein, ob sie im Abschlussband noch ein paar heldenhafte Momente spendiert bekommen. Es wäre eine vertane Chance, wenn nicht.

Wenn man Kritik üben möchte, dann vielleicht die, dass das Verhalten des Oberkommandos mal wieder von Skepsis und Kurzsichtigkeit geprägt ist. Da fliegt Picard am Anfang zur Erde, um von der unglaublichen Gefahr zu berichten, und die Reaktion besteht darin, Symptome zu bekämpfen statt sich um die Ursache zu kümmern. Außerdem soll eine Arbeitsgruppe gebildet werden, um sorfältig alle Optionen abzuwägen. So wird Picard einmal mehr in die Rolle des Widerständlers gegen die Sternenflotten gezwungen, eine Rolle, die ihm viel zu oft um der Dramatik Willen zugeschoben wurde. Als wäre der Mann der einzige in der ganzen Flotte, der eine Gefahr korrekt einzuschätzen vermag.  (Kurioserweise ähneln sich das LitVerse und das Bewegtbild-„Star Trek“ in dieser Hinsicht. Auch in Staffel 3 von „Star Trek: Picard“ muss er mal wieder – an der Seite von fünf Getreuen – gegen den Rest der Galaxis agieren ...)

Fazit: James Swallow erweitert im zweiten „Coda“-Band das Personal um die Protagonisten von DS9 und schafft so ein Cross-Over-Event, das Spaß macht. In den ersten zwei Dritteln des Romans mag sich die Geschichte viel Zeit für die Verarbeitung der Geschehnisse aus Band 1 lassen, aber dann bildet sich eine klare Aufgabe für unsere Helden heraus, die in einem fulminanten und verlustreichen Ende angegangen wird. Emotional hat mich Swallow tatsächlich besser abgeholt als Ward zuvor. Es finden sich einfach ein paar starke Szenen in diesem Buch. Unterm Strich gilt das, was ich schon in der letzten Rezension geschrieben habe: Definitiv kein Buch für Gelegenheitsleser, langjährige Fans des LitVerse kommen dagegen an diesem Schwanengesang dieser wunderbaren erzählerischen „Star Trek“-Paralleldimension kaum vorbei.

Star Trek – Coda 2: Die Asche von Morgen
Film/Serien-Roman
James Swallow
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-958-1
448 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 15,00

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