Star Trek CCG: To Boldly Go

Mehr als ein Jahr herrschte bei Deciphers „Star Trek“-Sammelkartenspiel nach dem Erscheinen der siebten Expansion „Strange New Worlds“ angespannte Ruhe. In Fankreisen munkelte man voll düsterer Ahnungen, die Spieleschmiede, die uns jahrelang mit großartigen Pappkärtchen versorgte, sei am Ende. Doch auf einmal geht es wieder rund bei Decipher: die „Enterprise Collection“, die „To Boldly Go“-Expansion und die „Dangerous Mission“-Draft Boxen sind jüngst erschienen, mit der „Mystery Foil Collection“, der „Captain’s Log“-Expansion und dem „Genesis“-Set stehen schon die nächsten drei Produkte in den Startlöchern. Werfen wir einen Blick auf den „Relaunch“ des ST-CCG: „To Boldly Go“...

von Bernd Perplies

 

„To Boldly Go“ kommt als reine Booster-Expansion mit 122 Karten (40 Rares, 40 Uncommons, 40 Commons, 2 Archive Portraits) daher, die in 30-Booster-Displays zu 11 Karten (1 Rare, 3 Uncommons, 7 Commons) verkauft wird. Ein 18-Karten-Foil-Subset und zwei coole, wenngleich extrem schwierig zu findende Archive Portrait Cards – Janeway und Kirk – sollen dabei Sammler erfreuen. Nur die ungewöhnlich hohe Display-Box, die von außen irgendwie mehr als 30 Booster suggeriert, tatsächlich aber eine ca. 1 cm dicke Styroporplatte als Einleger aufweist, lässt in einem die Frage aufkommen, ob Decipher nicht vielleicht doch noch mit dem einen oder anderen finanziellen Problem zu kämpfen hat: Psychologische Tricks nach dem Motto „Mehr Schein als Sein“ hatten die Kartenmacher früher jedenfalls nicht nötig.

Auch sonst gibt es ein, zwei Dinge, die von produktionstechnischer Seite bei der neuen Expansion nicht so ganz gelungen sind. So ist das Mischungsverhältnis der einzelnen Displays diesmal nicht wirklich ausgewogen. In zwei Displays, die ich geöffnet habe, waren 22 von 30 Rare-Cards identisch – ein Erlebnis, das laut Foren, kein einmaliges war unter den Fans. Zudem existierten ganze Displays, in denen keine einzige "Hoshi Sato" zu finden war, eine Uncommon-Cards wohlgemerkt, die hier zur Super-Rare-Card avancierte. Schließlich hat man das Gefühl, dass die Optik der Karten diesmal ein wenig gelitten hat. Im Design der neuen „Starfleet“-Affiliation sind bei einem ovalen Zierelement noch die Pixelstufen erkennbar, obendrein wirken einige Bildmotive fleckig und mit einem zu hohen Kontrast versehen – dunklere Bildteile saufen ab, statt natürlichen Farbverläufen sind deutliche Farbabstufungen erkennbar. Ob hier bei einem neuen Layouter oder einem neuen Drucker die Schuld zu suchen ist, sei dahingestellt.

Dem Spiel selbst ist all dies natürlich in keinster Weise abträglich. Mag der penible Sammler bei „To Boldly Go“ auch (anfangs) ein wenig herumdrucksen, für Gamer ist die neue Expansion ein Fest. Nachdem „Strange New Worlds“ bereits mit den Ferengi eine neue Affiliation ins Spiel gebracht hatte, stehen mit der „Starfleet“ hier bereits die nächsten spielbaren Galactic Players auf der Matte. Gespeist aus der präföderierten Zeit der Serie „Star Trek: Enterprise“ präsentiert uns die „Starfleet“-Affiliation eine Menge lieb gewonnener Helden und Schurken der Abenteuer rund um die Crew der NX-01. Neben Archer, T’Pol, Trip Tucker, Malcolm Reed, Hoshi, Ensign Mayweather und Phlox gehören dazu namhafte Charaktere wie der Zeitreisende Daniels, der andorianische Kommandant Shran und der Suliban Silik. Und die „Enterprise“ selbst ist einfach ein wunderschönes Schiff – sowohl von der Optik, als auch vom Gameplay her.

Insgesamt 22 „Starfleet“-Angehörige und vier Raumfahrzeuge sorgen dafür, dass Fans dieser sehr coolen Affiliation auch gegen Decks, die altgediente Völkern wie die Klingonen oder Romulaner beinhalten, bestehen können. Nichtsdestotrotz sind natürlich weite Teile der TV-Serie unerschlossen, die beispielsweise noch für eine Vulkanier-Affiliation und eine „Expanse“-Expansion rund um Sphärenbauer und Xindi gut wäre. (Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl.)

Neben „Starfleet“ wurde für jede andere Affiliation das eine oder andere Schmankerl der Expansion beigefügt. Die Föderation kommt mit einer Reihe Kadetten (und Boothby), die ein Academy-Spiel befördern, noch am Besten weg. Die Borg erhalten Nachwuchs (sprich: die Borg-Kids aus „Voyager“) mit „Quark, Son of Keldar“ steht auf der Seite der Klingonen auf einmal ein gerissener Kämpfer. Und „Jean-Luc Picard, Bearer of Ill Tidings“ ist undercover für die Romulaner unterwegs.

Auch hinsichtlich der Spielstrategien hat sich was getan. So gibt es jetzt Dilemmas, die, wenn sie vom Spieler nicht überwunden werden können, einem anderen Spieler einer bestimmten Affiliation Vorteile bringen. So heißt es beispielsweise auf der Karte „Between Duty and Respect“:

„Unless you have Archeology, Geology, and Science or Honor, Leadership, and Officer, randomly select a personnel to be stopped, and if the opponent on your left commands Bajor, he or she may take a card from his or her discard pile into hand.“

Ähnliche Karten existieren für jede Affiliation. Es geht also künftig nicht mehr nur darum, mit einem Dilemma dem Gegner möglichst viel Schaden zuzufügen, die Zusammenstellung des eigenen Dilemma Pile sollte auch die möglichen Vorteile für das eigene Spiel berücksichtigen.

Das vielleicht dreisteste Dilemma von „To Boldly Go“ ist indes kein Affiliation-spezifisches, sondern das mit dem vielsagenden Titel „Up the Ante“. Zunächst einmal stoppt das Planet-Dilemma das komplette Away-Team. Man kann sich als Spieler, der sich an der aktuellen Mission versucht, jedoch entscheiden, dies zu verhindern und weiterzumachen. Doch der Einsatz steigt dabei: Löst man die Mission in dieser Runde, gewinnt man das Spiel. Löst man sie nicht, verliert man. Ganz dem Kartentitel entsprechend eine perfide Pokerkarte, die geradezu nach elaborierten Strategien, eine Mission unknackbar zu machen respektive sicher durchzumarschieren, schreit.

Neu ist obendrein das Keyword „Replicate“, das auf „Destroy to do X“-Events zu finden ist. Für einen gewissen Preis, beispielsweise „Discard the top card of your deck“ im Falle von „Target Practice“, darf man ein Event, nachdem man es gespielt hat, wieder auf die Hand nehmen, statt es ablegen zu müssen. Das ist zweifelsohne sehr nützlich, wenn man ein bestimmtes Event für die eigene Spielstrategie mehrfach benötigt, wenngleich es natürlich dazu verführt, die eigene Kartenhand mit selbstreplizierenden Ereigniskarten zu blockieren.

Fazit: Auch wenn die neue Expansion für Deciphers „Star Trek“-CCG, „To Boldly Go“, von produktionstechnischer Seite die eine oder andere Macke aufzuweisen hat, rein spieltechnisch weiß das Set zu begeistern. Alle Fans der Serie „Star Trek: Enterprise“ werden die neue „Starfleet“-Affiliation sofort ins Herz schließen – es bleibt zu hoffen, dass Decipher in dieser Richtung noch mehr in Planung hat. Und die Affiliation-spezifischen Dilemmas (so wenige es im Moment auch gibt) sowie das neue Keyword „Replicate“ bringen gerade genug Neuerungen ins Spiel, um ein erneutes Feilen auch an bestehenden Spieldecks lohnenswert zu machen. Weiter so, Decipher! (Aber schaut euch mal nach einem anderen Drucker um...)

Star Trek CCG: To Boldly Go Sammelkarten-Erweiterungsset Decipher 2006 ISBN: 1-58236-315-3 122 Karten, englisch Preis: ca. EUR 3,00 (Booster) bei tradingcard-shop.de bestellen

Links:

 

www.decipher-games.de