Shadowrun 68: Wiedergänger

Es hat Jaywalker vier Jahre in seinem freiwilligen Exil in Australien gekostet, ein gutes Runnerteam aufzubauen, und irgendeinen eingeschworenen Feind nicht mal 40 Minuten, um sämtliche Mitglieder auszuschalten. Nur dank seiner unglaublichen Reflexe überlebt Jaywalker die Falle, die auch ihm gestellt wurde, und stellt sich die Frage, wer ihm so zusetzen will. Ihm fällt nur ein Name aus seiner Vergangenheit ein: Sakata.

von Jens Peter Kleinau

 

Jaywalker beschließt, dass er ebenso gut zurück nach Amerika kann, statt in Melbourne auf den nächsten Killer zu warten. Er zieht es vor, mit seiner Vergangenheit aufzuräumen und die losen Enden entweder ein für allemal abzuschneiden oder richtig festzuknoten.

Doch das ist weniger einfach getan als geplant. Zwar steht Jaywalker mit seinem Vater, der unter seinem Pseudonym Chase ein ziemlich dicker Fisch in der illegalen Szene von Seattle ist, ein starker Verbündeter zur Verfügung, doch leicht wird es nicht. Unbekannte Faktoren, wie sein ehemaliges Team – allen voran der Runner Conquistador, seine Freundin, die Schamanin Kike, sowie der Troll Christo – stehen dem einfachen Vorgehen im Weg. Die Sache verkompliziert sich schnell und wird brandgefährlich.

Maike Hallmann hat mit „Wiedergänger“ einen „Shadowrun“-Roman verfasst, wie er dem „wahren“ Leben entsprungen sein könnte. Alle Pläne sind Makulatur und die Story geht den Bach runter, weil die Protagonisten sich einfach quer stellen und jeder nach seinen Fähigkeiten versucht, seine Interessen zu wahren. So erwartet den Leser nicht ein großartiger Run in eine stark geschützte Arkologie oder die Aufdeckung irgendeiner Schweinerei der großen Konzerne durch ambitionierte Runner. Es ist das Leitmotiv Rache, das den einzigen roten Faden in der Geschichte bildet.

Es ist das Verhängnis für jeden, der glaubt, den Rachegott spielen zu können und dann doch an sich selbst – oder noch schlimmer: am Zufall – scheitert. Keine noch so aktuellen und teuren Reflexbooster können vor der heimtückischen Kugel schützen und kein magischer Schutz ist wirklich vollständig sicher. Eine Story, wie sie die Zeitung formulieren würde – als Nachbericht auf ein verkorkstes Leben. Kein Heldentum, keine heroische Tat und nichts ist da zum Beschönigen oder Glorifizieren. Maike Hallmann zeigt den Dreck der Straße und die Wertlosigkeit eines Lebens als Runner in ziemlicher Deutlichkeit.

Als tatsächliche Fortsetzung ihres „Shadowrun“-Erfolgs „Pesadillas“ (eine erahnbare Verknüpfung zu Jaywalkers Team hat es auch in ihrem Roman „Vertigo“ gegeben) beendet dieser Roman ein Kapitel, in dem die Helden keine Superrunner sondern allemal Mittelklasse sind, allerdings mit genau dem Quäntchen Glück ausgestattet, das es braucht, um im kriminellen Sumpf lange zu überleben. Nett ist die Anspielung auf die Romane der befreundeten Autorin Lara Möller mit deren Hauptfigur „Ash“ – hier werden regelmäßige Leser und Fans der Rollenspielromane belohnt.

Große Spannung kommt in dem Roman nicht auf, dazu ist die Geschichte nicht gradlinig genug. Bedauerlich ist auch, dass der Protagonist Jaywalker im Laufe der Geschichte immer mehr zur Randfigur wird, seine Handlungen immer uninteressanter werden, sodass die Folge keine Überraschung mehr darstellt. Die flache Abhandlung mit ein paar emotionalen Klischees trifft leider auch andere Protagonisten wie beispielsweise Sakata. Dieser Konzernmensch hat in einem Absatz perfekte Kämpfer auf seiner Seite und kann scheinbar einen weit reichenden Arm über Kontinente hinweg strecken, als jedoch seine Beute nach Seattle kommt, ist er scheinbar hilflos und benötigt die Hilfe von mittelmäßigen Runnern.

Abseits dieser Unstimmigkeiten hat Maike Hallmann einen „Shadowrun“-Roman geschrieben, der kaum besser die Stimmung des Spiels aufgreifen kann und sehr viel passende Atmosphäre den Lesern vermittelt. Auch ist ihr Schreibstil sehr abwechslungsreich und variiert von ernsthaft bedrohlich über emotional bis humorvoll.

Fazit: Kurzum: Wer sich bei „Wiedergänger“ frei von der Erwartungshaltung einer typischen Runnerstory machen kann, erhält als Belohnung einen guten Roman mit hohem Unterhaltungswert, dessen Ende auch ein wenig nachdenklich stimmt.


Wiedergänger (Shadowrun-Roman Nr. 68)
Rollenspiel-Roman
Maike Hallmann
Fantasy Productions 2005
ISBN: 3-89064-593-3
464 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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