RuneQuest II

„RuneQuest II“ ist das modernisierte Flagschiff von Mongoose Publishing im Rollenspielbereich. Als eines derjenigen Systeme, die seit Beginn des modernen Rollenspiels existiert haben, ist seine Geschichte recht wechselhaft, seit es in den 1970er auf den Markt kam. Ich will hier nicht näher auf die Geschichte des Systems eingehen, sondern verweise dafür auf die Rezension von Dominik Cenia von 2006.

von Pointman

 

Bei den Äußerlichkeiten kann das neue „RuneQuest“ durchaus punkten. Das „RuneQuest II Core Rulebook“ kommt recht elegant in einem Hardcover mit Ledereinband daher und macht optisch einen sehr guten Eindruck. Die Bindung des 200-seitigen Werks in Schwarz-Weiß-Druck ist auch in Ordnung. Es gibt einen Index, und die bei dem System wichtigen Runen sind in schöner Illustration auf einer Seite am Ende zusammengefasst.

Die Illustrationen im Buch sind zum großen Teil recht stimmungsvoll und heben sich von den jetzt eher üblichen Computerprodukten angenehm ab. Hier sollte aber auch gesagt werden, dass die Illustrationen nicht so üppig gesät sind, wie in anderen Rollenspielbüchern, einige davon sind dazu eher mäßig (etwa der Riese auf S. 173). Solche Bilder sind aber die Ausnahme. Der überwiegende Anteil ist wirklich gut und passend. Die Ausrüstung (also Waffen und Rüstungen) ist ebenfalls zum großen Teil abgebildet, was ich recht angenehm finde.

Zum Inhalt des Buches: Es enthält eine kurze Einführung, dann ein Kapitel zur Charaktererschaffung und je eins zum Spielsystem, den Skills und der Ausrüstung. Ein Kapitel Kampf und fünf Kapitel über die unterschiedlichen Arten von Magie folgen. Zum Ende werden noch die bei „RuneQuest“ wichtigen Kulte und heroischen Fähigkeiten erklärt. Ein kleiner Monsteralmanach (ca. 20 Stück) folgt. Den Abschluss bildet ein kurzes Kapitel zum Leiten einer Rollenspielrunde.

Das System und die Charakterentwicklung an sich sind recht intuitiv und zeichnen sich dadurch aus, dass sie zügigen Spielfluss bei gleichzeitigem „Realismus“ der Spielmechaniken erlauben.

Es werden sieben Grundwerte wie Stärke (STR), Konstitution (CON), Größe (SIZ), Intelligenz (INT), Magie (POW), Geschicklichkeit (DEX) und Charisma (CHA) genutzt. Diese Werte sind bei Menschen üblicherweise im Bereich von 3 bis 18 angesiedelt. Bei der Charaktererschaffung hat man die Wahl zwischen einem zufälligen Würfelsystem oder einem punktebasierten Design-System. Die Charkteristika werden für die Grundwerte in den Skills (Fertigkeiten) und für Attribute wie Lebenspunkte, Magiepunkte, Schadensbonus oder Initiative herangezogen. Hier übrigens einer der ersten Unterschiede zwischen alt („RuneQuest“ von 2006) und neu („RuneQuest II“): Die Initiative (Strike Rank) ist nun von DEX und INT abhängig – nicht mehr nur von Dex. Die Grundwerte sind bei „RuneQuest“ zwar wichtig, aber nicht so entscheidend, wie in vielen anderen Systemen, da die Skills ebenfalls eine großen Einfluss im System haben. Dieser große Einfluss von Fertigkeiten resultiert auch daher, dass es in „RuneQuest“ keine Stufen oder Erfahrungspunkte gibt. Die Charaktere können nur jene Fähigkeiten verbessern, die sie auch regelmäßig anwenden oder trainieren.

Skills (Fertigkeiten) werden als %-Wert angegeben. Dieser Wert wird jeweils mit einem D100 unterwürfelt. Es wird unterteilt zwischen Basic Skills (etwa Evade und Perception oder Influence – hier hat jeder Charakter einen Grundwert) und „Advanced Skills (etwa Acrobatics oder Engineering – diese müssen erlernt werden). Einige Skills sind, im Gegensatz zum alten System, zusammengefasst worden. Dies zeigt sich bei den Kampf-Fertigkeiten. Es gibt nun keine einzelnen Skills für Schwert, Dolch oder Schild mehr, sondern die Fertigkeiten werden als „Kampfstil“ zusammengefasst, beispielsweise „Schwert und Schild-Kampf“, aber auch „Ritter-Stil“, der dann Schild, Lanze, Schwert und eventuell sogar Zweihänder beinhalten kann. So setzt das neue „RuneQuest II“ die Kampfskills in der Wertigkeit den anderen Skills, wie Athletics oder Healing, gleich (hier sind ja ebenfalls mehrere Fertigkeiten zusammengefasst).

Die Charakterentwicklung ist recht schnell und hat bei der Verteilung der Skills vorgefertigte Elemente wie den kulturellen Hintergrund (Barbar, Nomade, Primitiv und Zivilisiert) und den Beruf (Profession), aber auch eine Anzahl freie Skillpunkte (250). Dadurch werden eher „reelle“ Charaktere kreiert, die nicht ausschließlich aufs „Kämpfen“ oder „Zaubern“ spezialisiert sind, wie häufig in anderen Fantasy-Systemen.

Zum Abschluss der Charaktergenerierung gibt es noch einige Tabellen, bei denen man wichtige Ereignisse seiner Herkunft („Borne Runetouched“ oder „Family Treasure“) wie auch seine Familienreputation und Kontakte auswürfeln kann. Magie kommt hier das erste Mal ins Spiel. Es ist bei Glorantha durchaus üblich, dass jeder Charakter den ein oder anderen Spruch beherrscht (siehe auch „Common Magic“ weiter unten).

Beim Kampfsystem hat sich im Vergleich zum alten „RuneQuest“ einiges getan, wobei die Regeln nicht grundsätzlich anders sind als bei früheren Editionen.

„RuneQuest“ arbeitet mit Trefferzonen (also Kopf, Arme, Torso, Beine usw.) – zumindest bei den Charakteren und den wichtigen Gegnern. Die „Unwichtigen“ können etwas weniger detailliert behandelt werden, um das Spiel zu beschleunigen. Die Trefferzonen haben jeweils unterschiedliche Lebenspunkte, abhängig von den Grundwerten. Sinkt ein Wert auf Null oder darunter, kann das Körperteil nicht mehr genutzt werden beziehungsweise ist zerstört oder abgetrennt.

Jeder an einem Kampf Beteiligte hat so genannte „Combat Actions“ (die durch INT und DEX bestimmt werden). Diese lassen genau eine Aktion zu: entweder eine Attacke oder eine Parade oder Spruchzauberei usw. Da kann es sehr entscheidend sein, wer gerade die Initiative hat. Sowohl die Parade als auch ein Angriffswurf werden mit demselben Wert getestet: dem Kampfstil-Skill. Das beschleunigt das Spiel um einiges, da eigentlich nur noch ein %-Wert „behalten“ werden muss.

Die frühere, eher komplexe Kampfmatrix ist weggefallen. Jetzt wird mit „Kampfmanövern“ gearbeitet. Die Manöver sind wirklich etwas Neues, das mir gefällt. Je nach Erfolgsunterschied bei Angriff beziehungsweise Verteidigungswurf kann der Angreifer (oder der Verteidiger) ein Manöver benutzen, wie gezielte Treffer, Entwaffnen, den Schaden maximieren oder den Feind umrennen (Bash). Das macht den Kampf recht taktisch, ohne dass jeweils vorher alles Mögliche angesagt werden muss, was dann am Ende nicht funktioniert, weil die Würfel nicht fallen, wie sie sollen. Der Kampf kann ziemlich tödlich sein und ist recht schnell.

Beim den Magiesystemen hat sich ebenfalls etwas getan. Bei „RuneQuest“ gibt es vier unterschiedliche Arten von Magie, die jeweils einen Bereich der typischen Fantasy-Metaphysik abdecken.

Die Runenmagie aus den früheren Editionen ist komplett von der so genannten „Common Magic“ ersetzt worden. Es ist also nicht mehr nötig, Runen zu besitzen, um diese Magie zu wirken. Common Magic sind einzelne Sprüche, die jeder Charakter lernen kann und dann mit seiner POW wirken kann. Runen sind zwar weiterhin ein Bestandteil des Magiesystems, wirken sich aber anders aus als früher.

Göttliche Magie (Divine Magic), vergleichbar mit Wundern, sind einzelne Sprüche, die dem Abenteurer direkt von seinem Gott zugestanden werden. Dies wird über das Einsetzten von POW für seinen Gott und nun über einen Pact- und einen Lore-Skill gehandhabt. Beide Skills sind essenziell, um seine Sprüche zu wirken und sie nach dem Wirken erneut von seinem Gott zugesprochen zu bekommen.

Als drittes Magiesystem gibt es bei „RuneQuest“ die „Sorcery“, also Spruchzauberei. Dies ist eher mit einer Art Wissenschaft, also der klassischen Fantasy-Magie, vergleichbar. Sprüche können hier mittels einer Manipulationsfertigkeit aber spontan verändert oder angepasst werden. Bei „RuneQuest II“ wurden die verschiedenen Manipulationskills zu einem zusammengefasst und die Sprüche können nun mit einem Skill gewirkt werden, soweit die Sprüche alle aus einem Spruchbuch stammen. Insgesamt wurde bei dem System „Sorcery“ einiges an Skills zusammengefasst und vereinfacht.

Als vierte Form der Magie wird der Shamanismus präsentiert. Hier handelt es sich um Geistermagie, also das Beschwören und Binden von Geistern aller Art. Es wird ein, wie ich finde, recht intuitives System beschrieben, um diese Art von Magie abzubilden.

Die sonstigen Themen im weiteren Verlauf des Buches: Es wird noch einiges mehr als im früheren „RuneQuest“ zum Verbessern von Eigenschaften / Fertigkeiten gesagt und dieses Konzept ausführlicher behandelt. Ein Kapitel befasst sich nur mit den Heroic Abilities die den Charakter dann wirklich zu einem Helden machen können und ihn in seinen Fähigkeiten deutlich von den normal Sterblichen absetzen, wie man es vom Fantasy Genre kennt. Das letzte kurze Kapitel ist dem Leiten einer Rollenspielrunde gewidmet, bei dem einige Tabellen für zufällige Begegnungen eingeschlossen sind. Es sei gesagt, dass das „RuneQuest II Core Rulebook“ keinerlei Setting enthält. Hier ist man auf das bereits erschiene „Glorantha“-Quellenbuch oder andere „Welten“ angewiesen. Es sollte aber kein Problem sein, jegliche Weltbeschreibung mit dem D100% System als Setting zu nutzen.

Die Spielwelt Glorantha von „RuneQuest“ erlebt im Moment übrigens ebenfalls eine Wiederbelebung, und Mongoose legt sich, was die Unterstützung von „RuneQuest II“ angeht, insgesamt ziemlich ins Zeug. So wird das D100-„Basic Role Playing System“ für einige verschiedene Spielwelten genutzt, etwa „Elric/Sturmbringer“ oder jetzt – relativ neu –„Deus Vult“.

Fazit: „RuneQuest II“ ist es ein schnelles, intuitives System, das gutes Rollenspiel erlaubt und dem Spielleiter wie den Spielern keine Fesseln durch unnötig komplexe Regeln anlegt. „RuneQuest“ kann man auch nutzen, wenn man nur einmal im Monat zum Spielen kommt und keine Zeit für ein vorheriges mehrstündiges Regelstudium hat. Das System beinhaltet ein recht realistisches Kampfsystem, das durch die Heroic Abilities zwar „Helden“ erlaubt, aber sie nicht unbesiegbar macht. Im Vergleich zu dem Vorgänger von 2006 ist das System stromlinienförmiger und in einigen Punkten etwas ausgefeilter. Ein durchaus gelungenen Werk: 1 ½ von 2 Daumen hoch.


RuneQuest II Core Rulebook
Grundregelwerk
Lawrence Whitaker
Mongoose Publishing 2010
ISBN: 978-1-907218-15-6
200 S., Hardcover, englisch
Preis: £ 25.00

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