Res Publica 2230AD

Meine erste Reaktion nach dem Öffnen der Box war: „Das sieht ja aus wie „Mass Effect“.“ Die nächste Reaktion nach dem Lesen der Entdeckerhandbuch genannten Regeln war: „Das klingt ja nach „Siedler von Catan“ im Weltraum.“ Mal sehen, wie sich das ganze spielt.

von Michael Wilhelm

 

Ein wirklich neues Spiel ist „Res Publica 2230AD“ eigentlich nicht. Vielmehr ist es eine in den Weltraum katapultierte Version des Klassikers „Res Publica“ von 1991 (und damit vier Jahre vor „Siedler von Catan“), ebenfalls vom äußerst produktiven Reiner Knizia. Wurden zur Zeit der antiken Kulturen noch Städte und Monumente gebaut, so gibt es im Weltraum zwar auch wieder Städte, aber obendrein auch Raumstationen und Kolonien.

Schon das Design der Box mit dem futuristisch-kantigen Titel-Schriftzug präsentiert unverkennbar das Setting. Der prallgefüllten Box entnehmen wir dann 170 farbenfrohe Karten, 15 Handelsmarker und fünf vierteilige Planetenplättchen aus Pappe, sowie fünf Spielübersichten aus Pappe. Nach der etwas mühsamen Lektüre des Entdeckerhandbuchs ist klar, dass die Menschheit nicht alleine im All ist, sondern es sich mit den kriegerischen Skythris, den matriarchischen Ornopernern (die den Asari aus „Mass Effect“ sicher ganz zufällig ähnlich sehen), den nomadischen Damakrosanern und mehreren anderen raumfahrenden Völkern teilt. In der Zeit der galaktischen Völkerwanderung durchqueren alle diese Völker das All auf der Suche nach neuem Siedlungsraum. Und dabei dürfen drei bis fünf Spieler mittels Handel und Bau die raumfahrenden Zivilisationen bei der Erschließung neuer Kolonien, Städte und Raumstationen unterstützen.

Zur Spielvorbereitung werden die Wertungskarten mit zehn Städten, zehn Raumstationen und zwei Resorts in drei Stapeln bereitgelegt, genauso wie zwei Stapel mit je zwei Neue-Kolonie- und Universität-Karten. Der Technologie-Stapel (mit unter anderem Warp-Geschwindigkeit, Teleport, Klonanlage, Asteroiden-Bergbau sowie Soldaten) und der Völker-Stapel (mit Piloten als Joker) bilden die beiden Nachziehstapel. Abschließend erhält jeder Spieler eine Spielübersicht (mit Erklärungen aller Symbole, Karteneffekten, dem Rundenablauf und den verfügbaren Missionen), die dazugehörigen vier Planetenteile mit den Missionen und drei Handelsmarker aus Pappe. Als Starthand werden vier Völkerkarten gezogen.

Reihum können nun drei optionale Aktionen (Handeln, Karteneffekte nutzen und Karten auslegen) durchgeführt werden. Abschließend werden Karten nachgezogen: standardmäßig eine Karte vom Völker-Stapel sowie eine weitere Karte vom Technologie-Stapel für jede Raumstation, die man besitzt. Maximal können aber nur drei Karten gezogen werden pro Runde.

Das Handeln ist hier weitaus stärker reglementiert als das lustige Gefeilsche, das man vielleicht vom Klassiker „Siedler von Catan“ kennt. Der aktive Spieler kann entweder Karten anbieten oder Karten anfragen. Er muss konkret angeben, welche Karten angeboten werden oder welche Karten gesucht sind, aber nicht beides. Die Mitspieler geben entsprechend einen Gegenwunsch beziehungsweise Gegenangebot an und der aktive Spieler entscheidet, welcher Tausch stattfindet. Dieser ist dann auch bindend und darf nicht nachträglich verändert werden. Da das Nachziehen immer von verdeckten Stapeln stattfindet, ist man somit weitaus mehr im Unklaren, über welche Karten die Mitspieler verfolgen als man das vom „Siedeln“ kennt, wo die Handkarten von den offenen Würfelergebnissen abhängen.

Als nutzbare Karteneffekte kommen jetzt Neue Kolonien (die ein Karten-Recycling mit Karten aus einem Ablagestapel ermöglichen) oder Soldaten (zur Blockade des Effektes eines gegnerischen Ortes) in Frage.

Die dritte (und wichtigste) mögliche Aktion ist das Auslegen von Karten zum Erwerb von Städten (für fünf identische Technologie-Karten), Raumstationen (für fünf identische Völker-Karten), Ressorts (für drei Asturianer), Universitäten (für drei Klonanlagen) oder Neuen Kolonien (für drei Völker- und drei Technologie-Karten). Außerdem kann für fünf verschiedene Völker-Karten die erste der vier Missionen erledigt werden.

Das Spiel geht reihum weiter bis die letzte Karte vom Technologie-Stapel gezogen wird oder ein Spieler alle vier Planeten-Missionen erledigt hat, was ungefähr eine Stunde, in den ersten Partien länger, dauert. Dann darf jeder Spieler noch seine aktuelle Hand auslegen, um soweit möglich, Karten zu erwerben.

Abschließend werden Siegpunkte gezählt. Die gibt es für Städte (mit absteigendem Wert: 9 für die erste erworbene Stadt, 4 für die letzte), Raumstationen (3 Punkte) und Ressorts (7 Punkte).

Die Missionen geben ebenfalls Punkte. Das Absolvieren einer Mission wird durch Umdrehen des entsprechenden Planetenteils angezeigt. 5 Siegpunkte gibt es für die oben genannte Mission, 7 für den Bau zweier Raumstationen, 5 für zwei Städte und 3 Punkte für drei erfolgreiche Handel mit den Mitspielern (gezählt mit Hilfe der Handelsmarker).

„Res Publica 2330AD“ kommt anfangs sehr schleppend in Schwung. Da zu Beginn des Spieles jede Runde nur eine Karte gezogen werden kann, dauert es selbst mit erfolgreichem Handeln eine Weile bis fünf Karten eines Volkes zusammen sind, um die erste Raumstation zu bauen. Und das beschert ja auch erstmal nur eine weitere Technologie-Karte pro Runde. Auch ist eine große Glücks-Komponente dabei, sich als erster mit einer Raumstation einen Vorsprung verschaffen zu können. Wenn das Spiel dann ein bisschen Schwung gewonnen hat, ist neben Kartenglück auch ein gutes Händchen beim Handeln gefordert. Mit steigender Spielerzahl ebnet sich das Feld auch wieder ein, da ein Vorsprung eines Spielers gerne mit Handelsboykotten der Gegner geahndet wird. Das mag vielleicht nicht der eleganteste Mechanismus zur Lösung des Problems sein, ist aber für Handelsspiele typisch. Die restriktiven Handelsregeln sind vielleicht auch nicht jedermanns Geschmack und mögen gerade Gelegenheitsspieler frustrieren, lassen sich aber leicht mit Hausregeln der eigenen Spielerrunde anpassen.

Fazit: „Res Publica 2330AD“ bietet ein stimmungsvolles Science-Fiction-Setting als Hintergrund für ein anfangs etwas zähes Handels- und Entwicklungsspiel. Das Spielmaterial ist ansprechend und funktional. Hat man sich durch die Lektüre der Regeln gearbeitet und vielleicht die restriktiven Handelsregeln etwas gelockert, kann man aber eine paar unterhaltsame Runden im All verbringen.


Res Publica 2230AD
Kartenspiel für 3 bis 5 Spieler ab 10 Jahren
Reiner Knizia
Heidelberger Spieleverlag 2015
EAN: 4015566033498
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 19,95

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