Polis – Machtkampf um die Vorherrschaft

Im 5. Jahrhundert vor Christus führte der verheerende Peloponnesische Krieg zwischen dem von Athen geführten Attischen Seebund und Sparta mit dem Peloponnesischen Bund zum Niedergang des klassischen Griechenlands. Mit dem Strategie-Spiel „Polis“ aus dem Hause Pegasus haben nun zwei Spieler die Möglichkeit, diesen Konflikt neu auszutragen.

von Michael Wilhelm

 

 

Nach dem Sieg über das Perserreich streiten Athen und Sparta um die Vorherrschaft in der hellenischen Welt. Dabei stehen sich 460 vor Christus zwei unterschiedliche Ideologien gegenüber, deren Konflikt die gesamte Region in Mitleidenschaft ziehen wird. Und das wird in dem vorliegenden Brettspiel für zwei Spieler bestens simuliert.

Das hochwertige Spielmaterial aus Pappe und Holz macht schon mal Lust aufs Eintauchen ins antike Griechenland. Leider gilt es erstmal, sich durch die 20-seitige Spielanleitung zu arbeiten. Die ist zwar übersichtlich geschrieben und mit vielen Bildern versehen, aber bevor es mit dem ersten Spiel losgehen kann, benötigen die Spieler mehr als nur einen kurzen Überblick über die verschiedenen Aktionsmöglichkeiten. Dennoch werden, dazu später mehr, die ersten Spielzüge recht schleppend verlaufen.

Neben einem großen farbigen Spielplan mit einer Karte von Griechenland, der Ägäis und den angrenzenden Gebieten, finden wir zwei Übersichtstafeln mit Rundenablauf und Aktionsübersicht, zwei Spielertableaus zur Anzeige von Vorräten, Silber und Prestige, Polis- und Projekt-Plättchen aus Pappe, 24 Kampfkarten, sowie Holzklötzchen, -schiffe und -scheiben in Rot und Blau. Rot ist Spartas Farbe, Blau für Athen.

Das Spiel ist in 4 Runden unterteilt, recht unkonventionell mit 3, 4, 5alpha und 5beta benannt. Damit ist auch schon beschrieben, wie viele Einheiten eines Spielers sich maximal in einem Gebiet befinden dürfen. Das heißt auch, dass in der ersten Runde „3“ noch keine Schlachten möglich sind, da erst, wenn sich insgesamt mindestens 8 Einheiten in einem Gebiet befinden, gekämpft wird.

Bei einer Schlacht wird mittels der 24 Kampfkarten ein Minispiel ausgetragen. Dabei gilt es, Formationskarten (z.B. Kavallerie, Bogenschützen und Phalanx für Landschlachten, Triere und Diere für Seeschlachten) mit entsprechenden Karten zu kontern. Der unterlegene Spieler verliert Einheiten, der Sieger gewinnt Prestige.

Zu Spielbeginn verfügen beide Spieler neben der Heimat-Polis über jeweils zwei weitere Poleis, mehrere Galeeren und Hopliten in bestimmten See- und Landgebieten sowie ein Handelsschiff im Handelshafen. Außerdem werden Rohstoffe (Metall, Holz, Öl, Wein, Weizen und Silber) auf dem Spielertableau mit Hilfe von Holzklötzchen markiert.

Zu Rundenanfang werden zunächst 3 Projektplättchen bereitgelegt und eine Ereigniskarte aufgedeckt (mal positiv, mal negativ für die Spieler). Dann führen die Spieler, solange bis einer passt, abwechselnd zwei von 12 möglichen Aktionen durch.

Da wären zunächst die Entwicklungsaktionen: Einheiten bauen (Hopliten in Landgebieten, Galeeren in Seegebieten, beides dargestellt durch Holzklötzchen in der eigenen Farbe), Handelsschiffe bauen oder Projektplättchen kaufen (bringen meistens Prestige). Das kostet meistens Holz oder Metall, alternativ kann Silber ausgegeben werden.

Der wichtigste „Rohstoff“ ist Prestige, das am Ende des Spiels als Siegpunkte fungiert und während des Spiels für militärische Aktionen benötigt wird: Einheiten über Land oder See bewegen, eine Polis belagern (und hoffentlich einnehmen) oder in einem Gebiet Tribut einfordern.

Das Einfordern von Tribut ist unbedingt notwendig, um an Rohstoffe zu kommen und setzt voraus, dass im Gebiet zumindest eine Polis kontrolliert wird. Um an weitere Poleis zu kommen, kann eine neutrale oder feindliche Polis belagert werden. Dabei muss mit einem 4-seitigen Würfel mindestens der Befestigungswert (entspricht der Startbevölkerung) gewürfelt werden. Das ist bei einer kleinen Polis mit Befestigungswert 1 ein automatischer Sieg, kann aber bei Befestigungswert 3 oder 4 schwierig werden, da mit jeder Niederlage eine Hopliten-Einheit verloren geht. Mit entsprechendem Würfelpech kann sich also eine ganze Armee an einer Polis aufreiben. Und das kann letztlich geradezu spielentscheidend werden. Nicht nur verliert man mit jedem Angriff Prestige, sondern es wird auch jede Menge Nachschub (Weizen) benötigt, um die eigenen Poleis zu ernähren.

Um die eigene Bevölkerung zu ernähren, kann auch Handel betrieben werden, womit wir bei der dritten Kategorie, den politischen Aktionen wären. Wer über einen Handelshafen und Zugang zu den auf dem Spielplan verzeichneten Märkten verfügt, kann dort Rohstoffe in Weizen oder Silber tauschen. Die Spielfigur Proxenos (sozusagen der oberste Diplomat) kann bewegt werden, um in einer neutralen oder gegnerischen Polis einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Das kostet eine Menge Silber, aber kann den Gegner empfindlich schwächen oder den eigenen Städtebund verstärken. Der Proxenos ist aber ein zweischneidiges Schwert, da ihn der Gegner beim Erobern der Polis, in der er sich befindet, gefangen nimmt und er dann für teures Silber freigekauft werden muss.

Haben beide Spieler ihre Aktionen für die Runde erledigt, wird die Runde angeschlossen. Zunächst müssen beide Spieler ausreichend Weizen (durch Handel oder Tribut erlangt) haben, um ihre Poleis zu ernähren. Sollte nicht ausreichend Weizen vorhanden sein, verliert der Spieler Prestige oder muss entsprechend Poleis aus dem Städtebund entlassen. Sollte zuviel Weizen vorhanden sein, können Poleis aber auch wachsen. Schließlich verdirbt noch die Hälfte der verderblichen Güter Wein, Öl und Weizen. Dann kann noch Prestige in Silber getauscht werden, um in der nächsten Runde mehr Einheiten bauen zu können. Danach geht die nächste Runde los mit neuen Projektplättchen und einem Ereignis.

Das Spiel endet entweder nach Runde 5beta oder wenn ein Spieler seine Hauptstadt nicht mehr ernähren oder am Rundenende kein Prestige mehr hat. Sollten beide Spieler Runde 5beta überstanden haben, gewinnt, wer die höhere Summe aus Bevölkerung aller Poleis und aktuellem Prestige sowie Projektplättchen-Prestige hat.

„Polis – Machtkampf um die Vorherrschaft“ ist selbst für regelmäßige und geübte Spieler eine echte Herausforderung. Die große Zahl an möglichen Aktionen und deren anfangs teilweise schwer durchschaubaren Resultate können erstmal zu einer gewissen Überforderung führen. So werden die ersten Spiele auch deutlich länger dauern, als die auf der Schachtel angegebenen 90 bis 120 Minuten. Man sollte eher zwei bis drei Stunden einplanen. Obendrein besteht die Gefahr, dass man durch „bloßes Drauflosspielen“, wie man es von weniger anspruchsvollen Spielen gewohnt ist, seinen Städtebund ziemlich schnell zugrunde richtet. Sowohl das Belagern von neutralen Poleis, als auch Schlachten zwischen Athen und Sparta können schnell zu herben Verlusten führen. Da jede militärische Aktion gleich Prestige kostet, muss man auch mit diesem wertvollsten „Rohstoff“ gut haushalten. Und wer am Rundenende nicht ausreichend Weizen hat, kann schnell eine Hungersnot erleben, die den ganzen Städtebund an den Rand des Abgrunds bringt.

In unserem ersten Spiel waren sowohl Athen als auch Sparta in Runde 5alpha praktisch nicht mehr handlungsfähig, weil nach einem enthusiastischen Anfang neben entvölkerten Poleis die Vorräte an Prestige und Weizen aufgebraucht waren. Der Effekt ist, dass man in den folgenden Spielen dann übers Ziel hinausschießt und über ein defensives Aneinanderrantasten beider Spieler kaum hinauskommt.

Aber wahrscheinlich ist das vom Design geradezu gewünscht, da dadurch das verheerende Resultat dieses grausamen Krieges bestens simuliert wird. Auch ist interessant, dass das geringe Tempo der antiken Kriegsführung (mit langwierigen Reisen und mehrjährigen Belagerungen) einen so authentischen Eindruck macht.

Fazit: „Polis – Machtkampf um die Vorherrschaft“ ist keinesfalls leichte Kost. Aber wer sich darauf einlässt, mit einer oder einem Gleichgesinnten eine komplexe und realistische Simulation einer spannenden Epoche der Antike näher kennen zu lernen, wird mit diesem spannenden Strategie-Spiel bestens belohnt werden. Für Gelegenheits- oder Familien-Spieler ist dieser harte Brocken jedoch definitiv nicht zu empfehlen.


Polis – Machtkampf um die Vorherrschaft
Brettspiel für 2 Spieler ab 12 Jahren
Fran Diaz
Pegasus Spiele 2013
EAN: 4250231705120
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 34,95

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