Offenbarung 23 #1: Wer erschoss Tupac?

Ganz so hat sich der junge Berliner Hacker Georg Brandt alias T-Rex den abendlichen Discobesuch sicher nicht vorgestellt. Sein Kumpel Andy, der DJ des Tanzschuppens, reicht ihm insgeheim eine ganz besondere CD, die sich T-Rex unbedingt mal anhören soll. Auf dem Silberling, angeblich eine Scheibe aus L.A., befindet sich das Lied „Capture“, in welchem dem Klang nach der verstorbene Rapper Tupac zu hören ist – wie er auf Deutsch rappt. Georg ahnt nicht, dass ihn diese Entdeckung in eine Verschwörung hineinkatapultiert, auf die selbst Fox Mulder neidisch wäre.

von Christian Humberg

 

Expect the unexpected

Das hatten sie sich wohl anders vorgestellt, all die wohlsituierten Damen und Herren älteren Semesters, die auf der vergangenen Buchmesse ins Zentrum Hörbuch kamen. Hatte der Veranstalter LPL Records doch die Vorstellung einer neuen Hörspielreihe versprochen, bei welcher Tagesschau-Legende Dagmar Berghoff mitwirke. Dementsprechend seriös und un-geeky stellte sich auch das Publikum dar, das Frau Berghoff dann begrüßen durfte, bevor sie in einen inszenierten Dialog mit den beiden Hauptfiguren der Serie, T-Rex und Kim Schmittke, alias den Schauspielern David Nathan und Dietmar Wunder, überwechselte. Und so durfte sich das gut gefüllte Hörbuchzentrum Geschichten über geheime Botschaften auf den Rückseiten der 50 Cent-Stücke anhören und sich mehrfach bestätigen lassen, dass man ja eigentlich niemandem trauen könne. Hat das „Tagesschau“-Publikum vor Ort ziemlich ... sagen wir mal verdutzt.

Aber eine neue Hörspielserie sollte vom Standpunkt ihres Zielpublikums aus beurteilt werden, nicht aufgrund der Reaktionen fälschlich Anwesender. Nur fängt das eigentliche Problem von „Offenbarung 23“ genau dort schon an: Für wen ist diese Serie gemacht? Die PR sprach im Vorfeld der Veröffentlichung mehrfach von einem wahren Ereignis, welches hier auf die Hörer losgelassen werde, sodass der sicher nicht ungewollte Eindruck entstand, hier launche man ein Produkt für eine eher erwachsenere Klientel. Doch wird sich diese – zumindest nach der ersten Folge „Wer erschoss Tupac“ zu urteilen – eher amüsiert anderen Titeln zuwenden. Zu konfus, zu gewollt auf Mystery getrimmt ist die straffe Handlung, als dass man sie allzu lang ernst nehmen könnte. Und das jugendliche Publikum? Sagen wir es so: Die Handlung dreht sich um den unter mehr oder weniger mysteriösen Umständen ums Leben gekommenen Tupac Amaru Shakur, einen US-Rapper, der 1996 im Alter von 25 Jahren starb, und um den 1998 in Berlin erhängt aufgefundenen deutschen Hacker Tron, dessen bürgerlichen Namen wir hier nicht nennen werden. Wollen schließlich nicht, dass der gute alte Ringbote ähnliches durchmacht, wie unlängst die Wikipedia. Zurück zum Thema. Ein Rapper und ein Hacker, sowie eine X-Fileske Gesamtatmosphäre der Handlung – interessiert sowas die Kids heute überhaupt noch? Können die nicht eher die Vornamen der Jungs von „Tokyo Hotel“ runterbeten als die Namen von Fox Mulders Informanten?

Is‘ ja schon gut, aber worum geht es denn nun überhaupt?

Nun denn, das Problem mag, so es denn überhaupt existiert, den Verlag interessieren, nicht uns. Fakt ist, dass das vorliegende, gut einstündige Hörspiel als unterhaltsame akustische Begleitung absolut funktioniert, so man es mit dem gnädigen Bonus des Pilotproblems betrachtet: alles noch neu, alles muss erst etabliert und dem Hörer erläutert werden, größere Handlungssprünge und -zusammenhänge sind eher noch zu vermeiden, um niemanden unnötig zu verwirren. Und so begibt sich Georg Brandt, unterstützt von mehreren Freunden und Informanten, auf eine Odyssee auf der Suche nach der Wahrheit, die bekanntermaßen irgendwo dort draußen ist. Denn auf besagter CD befindet sich eine geheime Botschaft Tupacs, die zu einem kalifornischen Tonstudio führt, welches auch Tron einst besuchte. Wo ist die Verbindung zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Personen? Haben ihre jeweiligen Tode etwa eine gemeinsame Ursache? Und was ist dieses Geheimnis, das sie hüteten und weswegen sie vermutlich sterben mussten?

Es ist logisch, dass „Wer erschoss Tupac?“ als erste Folge einer potentiell langlebigen Hörspielserie eher weitere Fragen aufwirft als Fragen beantwortet, und so steht der Hörer am Ende der Produktion eher ratlos da, doch ist dies ja auch beabsichtigt. Der Titel von Folge zwei lautet „Tupacs Geheimnis“ und verspricht schon dadurch sicher erste Erklärungen. Spannend und dramaturgisch stringent inszeniert ist das von Jan Gaspard (Achtung, Pseudonym) verfasste und von Lars Peter Lueg inszenierte Hörspiel allemal. Hinter genreähnlichen Produkten wie „Gabriel Burns“ oder „Geisterjäger John Sinclair“ braucht sich die neue Serie akustisch ganz und gar nicht zu verstecken. LPL Records, Horrorfans seit jeher als Veröffentlicher qualitativ höchstwertiger Grusel-Audiobooks (H. P. Lovecraft, Brian Lumley und viele mehr) bekannt, überzeugt auch mit seiner ersten Hörspielreihe auf produktionstechnischer Seite völlig. Die Sprecher sind durch die Bank erste Liga und dem Hörer zumeist als deutsche Stimme von Hollywoodgrößen bekannt – besonders David „Johnny Depp“ Nathan und Detlef „Commander Riker“ Bierstedt sind auch in der Hörbuch/spiel-Szene längst wahre Giganten und haben schon so manche CD durch ihre Intonation der Texte veredelt.

Fazit: Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen. Und dem Gesetz der Serie folgend, wird sie dort auch lange lange bleiben, so sich „Offenbarung 23“ denn als Erfolg erweist. Denn nichts ist einer Mysteryserie abträglicher als Antworten. „Wer erschoss Tupac?“ versteht es, auf produktionstechnisch hohem Niveau zu unterhalten, und stellt einen gelungenen Einstieg in eine neue Serie dar, der man ein großes Publikum gönnt. Ob er sich den Wust an Verschwörungstheorien und geheimen Botschaften allerdings antun möchte, muss jeder Hörer selbst entscheiden.


Offenbarung 23 #1: Wer erschoss Tupac?
Hörspiel
Jan Gaspard, Lars Peter Lueg
LPL Records / Lübbe Audio
ISBN: 3-7857-3099-3
1 CD, 63 min., deutsch
Preis: EUR 7,95

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