Ninja All Stars

Soda Pop Miniatures und Ninja Division sind bekannt für ihre Spiele mit asiatischem Einschlag. Vor allem knuffige Chibi-Figuren gelten als ihr Markenzeichen – Chibi, das sind diese Helden und Schurken mit kleinen Körpern und riesigen Köpfen, die aus japanischen Mangas und Animes bekannt sind. Eins dieser Spiele war „Super Dungeon Explore“, ein an alte Super-NES-Games erinnernder Dungeon-Crawler. Ein anderes ist „Ninja All Stars“, das wie eine Mischung aus Liga-Sport und Arena-Kampf klingt. Doch worum geht es genau?

von Frank Stein

Wenn man die schwere, fröhlich bunt bedruckte Spielschachtel öffnet, fallen einem zunächst die zahlreichen, sorgfältig in Plastikfächern ruhenden Miniaturen auf. Insgesamt sind es 42 – vier gleichartige Teams zu je 9 Kämpfern und 6 neutrale Samurai-Wachen, die für gewisse Spielformate benötigt werden. Die Minis, die in den Farben rot, blau, violett und orange vorliegen, sehen einmal mehr ausgesprochen niedlich aus, allerdings hätte man sich gewünscht, dass sich die einzelnen Teams nicht nur farblich, sondern auch von den Figuren her etwas unterscheiden. Nun gut, es handelt sich bei ihnen eh um einfache Schrein-Teams, die als Einstieg in „Ninja All Stars“ gedacht sind. Wer mehr aus dem Konzept herausholen will, greift zu gesondert erhältlichen Clans und Ronin – aber dazu später mehr.

Auch die übrigen Spielmaterialien sind von erfreulicher Qualität. Der Spielplan ist beidseitig bedruckt, bietet also zwei verschiedene Kampfarenen – denn, ja, „Ninja All Stars“ ist ein taktischer Arena-Brawl –, die Spielmarker sind bunt und weisen witzige Motive auf, die Spielkarten wirken stabil genug, einige Runden durchzuhalten. Das Regelwerk erschreckt auf den ersten Blick, denn es wirkt mit knapp 80 Seiten sehr dick. Schlägt man es auf, sieht man aber, dass die Regeln selbst nur 12 Seiten umfassen. Der überwiegende Teil des Werks befasst sich mit den verschiedenen Clans und stellt jede einzelne Figur mit Werten vor, ähnlich wie bei einem Armeebuch eines Tabletop-Spiels. Der Vergleich ist nicht ganz unpassend, denn auch bei „Ninja All Stars“ spielt man im Optimalfall mit selbst zusammengestellten Teams, die 100 Koban (Punkte) kosten dürfen und sich aus den Mitgliedern eines Clans sowie neutralen Ronin rekrutiert. Diese muss man jedoch alle extra für harte Euro erwerben, wobei es erlaubt ist, die enthaltenen Schrein-Teams als Stellvertreter für einzelne Clan-Figuren zu verwenden. Dennoch fehlen einem dann die namhaften Helden eines Clans und die jeweilige Oni-Großfigur. Wer also „Ninja All Stars“ vollends ausreizen will, muss noch etwas zusätzliches Geld investieren.

Am Ende des Regelwerks folgen zudem Hinweise, wie man Ligen durchführt, also Abfolgen mehrerer Herausforderungen, zwischen denen die Teams besser werden können. Außerdem werden die einzelnen Spielmodi, hier Herausforderungen genannt, erläutert und Schlüsselwörter in einer Art Glossar vorgestellt. Diese Aufteilung ist ehrlich gesagt etwas unpraktisch. Es wäre schöner gewesen, den Liga- und Armeen-Teil von den Regeln für Einzelpartien zu trennen, denn so muss man während einer Partie immer wieder den ganzen Mittelteil überblättern, wenn man grundlegende Spielmechanismen (vorne) oder Erklärungen zu Schlüsselwörtern, Herausforderungen und Zuständen (hinten) sucht.

Zum schnellen Einstieg in „Ninja All Stars“ wählt jeder Spieler einfach ein komplettes Schrein-Team, das jeweils knapp 100 Punkte wert ist. Dann einigt man sich auf eine Arena und eine Herausforderung. Die einfachste ist die simple Prügelei, bei der sechs Runden lang jeden gegen jeden kämpft und am Ende die meisten „Kills“ gewertet werden – wobei es bei „Ninja All Stars“ keine Toten gibt. Verletzte kommen ins Heilhaus und können von dort bereits binnen kürzester Zeit wieder zurück ins Spiel geholt werden.

Jede Runde besteht aus drei Phasen. Zunächst wird die Initiative ermittelt. Das Spiel schlägt hierzu „Janken spielen“ vor (Stein-Schere-Papier), bei mehreren Spielern ist es jedoch zielführender, die Initiative vermittels Affinitätsprobe auszuwürfeln. Affinitätsproben kommen recht oft im Spiel vor und bedeuten, dass man 3 der Symbolwürfel werfen muss und dann vergleicht, wie viele der Element-Symbole mit dem eigenen, präferierten Clan-Element (Feuer, Wasser, Erde, Luft, Geist oder Leere) übereinstimmen.

Im Anschluss daran folgt die Aktivierungsphase. Beginnend mit dem Startspieler und dann im Uhrzeigersinn darf jeder Spieler eine Figur aktivieren, bis alle Figuren aktiviert wurden. Eine Aktivierung gestattet stets eine Bewegung und danach eine Aktion. Die gängigste Aktion ist der Angriff. Man kann sich aber auch Tarnen (ein schönes Ninja-Element im Spiel), nach Getarnten suchen, Rennen (also zweimal sich Bewegen) oder eine Sonderaktion durchführen, die z.B. durch Gelände-Elemente oder Ereigniskarten vorgegeben ist. Am Ende jeder Runde werden Verletzte geheilt, man kann Zustände abwerfen oder eine Ereigniskarte (Mondkarte) ziehen, die im Kampf hilft. Dann wird das eigene Team, und das ist eine echte Besonderheit von „Ninja All Stars“, auf die maximal durch die Herausforderung auf dem Brett erlaubte Figurenzahl wieder aufgestockt. Auf diese Weise haben immer alle Spieler die gleiche Menge an Figuren auf dem Spielfeld, was für ausgeglichene Chancen bis zum Schluss sorgt. Sehr schön!

Der Kampf, das Kernelement des Spiels, wird auf eine witzige Weise abgehandelt. Angreifer und Verteidiger würfeln dabei Symbolwürfel in Höhe ihres Angriffs- bzw. Verteidigungswerts. Umstände wie Tarnung, Unterstützung, der Angriff von hinten oder Mondkarten modifizieren dabei die Würfel. Dann werden die Ergebnisse verglichen. Elemente, die sich gegenseitig aufheben (z.B. Feuer und Wasser), werden entfernt. Wer danach die meisten Würfel hat – das kann der Angreifer ebenso wie der Verteidiger sein –, wählt einen aus und führt das mit diesem Element verbundene Ereignis aus. Das kann durchaus nachteilig für den Angreifer sein! Doch gerade diese Unsicherheit im Kampf sorgt bei „Ninja All Stars“ für die kuriosesten Momente, etwa wenn ein Ninja vom Dach springt, um einen anderen anzugreifen – und sich dabei selbst verletzt. Da zündet das Kopfkino ein Feuerwerk aus Martial-Arts-Slapstick.

Überhaupt ist die Atmosphäre erstaunlich heiter. Eigentlich ist das Spiel im Kern ein beinhartes, taktisches  Arena-Duell. Aspekte wie Sichtlinie, Geländetypen, die „Attack of Opportunity“ beim Lösen von Gegnern und Ähnliches kommen Kennern aus ernsteren Miniaturen-Kampfspielen sehr bekannt vor. Dennoch fühlt sich das Ganze dank der knuffigen Miniaturen und der bunten Spielmaterialien eher wie ein Fun-Spiel an, das, wie gesagt, zahlreiche absurde Situationen und obendrein viel Schadenfreude am Spieltisch garantiert, etwa, wenn man den Gegner durch einen Windstoß in den Einflussbereich eines Fluch-Schreins schubst. Insofern vermag „Ninja All Stars“ auch ausgeprägte Taktikspielmuffel an den Spieltisch zu locken und ein Verlieren fühlt sich irgendwie nicht so schlimm an, sondern weckt eher die Lust, gleich die nächste Herausforderung zu suchen.

Fazit:
„Ninja All Stars“ ist ein quietschbuntes Miniaturen-Kampfspiel, das erstaunlich gelungen Elemente taktischer Skirmish-Games mit familientaugliches Atmosphäre mischt. Die Regeln sind leicht zu erlernen und der Spaßfaktor ist hoch. Allerdings gilt die mit 60-90 Minuten angegebenen Spielzeit nur bei 2-Spieler-Duellen. Mit 4 Personen kann eine Partie schnell drei Stunden dauern. Ein weiterer, kleiner Wermutstropfen sind die Regeln, die leider im Detail Lücken aufweisen und den gesunden Menschenverstand fordern. Hier ist über kurz oder lang ein FAQ-Dokument echt nötig. Und schlussendlich muss man sich vor Augen halten, dass die doch nicht ganz billige Box – obwohl sich damit prima spielen lässt – vor allem ein Einstieg ist. Wer „Ninja All Stars“ mit Liga-Spiel und dem Bauen von Teams voll ausreizen will, der kommt um den Kauf von Clan-Erweiterungen und einzelnen Ronin-Sets kaum herum.


Ninja All Stars
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
David Freeman, John Cadice, Deke Stella
Ninja Division/Ulisses Spiele 2016
EAN: 4260091156765
Sprache: Deutsch
Preis: EU 79,95

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