Mission ISS

„Houston, wir haben heute (hoffentlich) kein Problem.” Das Cover von „Mission ISS” sieht realistisch und ansprechend aus und lässt den Anspruch dieses Titels erahnen. Es geht um Spielspaß, einen Einblick in die Geschichte der ISS sowie die Arbeit an Bord der Station gleichermaßen.

von KaiM

Die ISS (International Space Station) befindet sich bereits seit 1998, also seit ca. 23 Jahren, im Aufbau und kann mit Fug und Recht als erfolgreiches internationales Projekt bezeichnet werden. Fast alle großen Raumfahrtagenturen, mit Ausnahme Chinas, sind daran beteiligt, und noch ist kein Ende abzusehen. Weitere Module sind in Planung und der Betrieb ist mindestens bis 2024 vorgesehen. Das klingt nach einem erstaunlich kurzfristigen Plan für ein Projekt, das die Kostengrenze von 100 Milliarden Euro schon längst überschritten hat.

In der diesjährigen Neuheit von Schmidt Spiele soll es aber nicht um die Zukunft der ISS gehen. Vielmehr wagen wir den Blick zurück in das Jahr 1998, in dem der Aufbau der Station begann. Gemeinsam planen wir Forschungsprojekte und treiben den Bau der Station voran. Doch wir sollten uns nicht zu viel Zeit lassen, denn die Geldgeber sind ungeduldig und werden das Projekt beenden, wenn wir die gesteckten Ziele nicht erreichen. Also rein in die 1 bis 4 Raumanzüge und ab geht’s für bis zu 90 Minuten mit Kindern ab 10 Jahren in den Weltraum.

Das Material

Die Komponenten sehen prima aus. Zunächst hat man eine Menge Teile der Raumstation vor sich liegen. Die sind schön gestaltet, realistisch gezeichnet und lassen sich gut ineinanderpuzzeln, es gibt aber leider auch schon den ersten Haken. Man beginnt mit einem Teil der Raumstation und baut im Laufe des Spiel immer weitere dazu. Denn das Ziel des Spiels besteht darin, die ISS bis zu einem bestimmten Grad fertig zu bauen. Die Teile sind jedoch gar nicht so klein und die Raumstation nimmt am Ende der Partie ziemlich viel Platz auf dem Tisch ein. Das führt während des Spiels immer wieder dazu, dass man die Verteilung des Spielmaterials optimieren muss.



Der zweite Blickfänger sind die Astronauten. Diese 3D-Figuren sind zwar aus Pappe und werden zusammengesteckt, im Vergleich zu ähnlichen Konzepten aber erstaunlich gut umgesetzt und stabil. Jeder Astronaut hat seine individuellen Stärken in Forschung, Bau und Bewegung und kann im Laufe des Spiels trainiert werden. Es war eine gute Idee, die Trainingsstufen direkt an der Figur ablesbar zu halten, denn nur so kann man überhaupt die Übersicht behalten. Der Umsetzung mit den eingesteckten Scheiben an sich fehlt allerdings ein wenig an Eleganz, denn sie funktioniert zwar, könnte aber schöner sein. Das wirkt sich auch auf die Größe jedes einzelnen Astronauten aus, und führt zu einem unschönen Nebeneffekt: Der Platz auf den Modulen reicht kaum für mehrere Astronauten aus. Vor allem, wenn ein oder gar mehrere Forschungsprojekte auf einem Spielplanteil liegen, ist es schnell überfüllt.

Aber es gibt auch noch einige Konzepte, die gut gelöst wurden, denn etwa die Forschungsplättchen bieten nicht nur stimmige Bilder, sondern sind in Kombination mit den Forschungswürfeln auch noch sehr funktional gestaltet. Auch sonst ist das Design der weiteren Materialien sehr ansprechend und das Thema wird exzellent transportiert. Die Anleitung bietet neben den übersichtlichen Regeln auch jede Menge Informationen zur ISS und den Forschungsprojekten an Bord, was die Gelegenheit bietet, sich in das Thema hineinziehen zu lassen.



Das Spiel

Im Spiel treten wir gemeinsam an, um die ISS innerhalb weniger Jahre fertigzustellen. Wir starten auf der Basisstation, die aus drei Modulen besteht, und müssen schnellstmöglich weitere Module aufbauen und Forschung betreiben. Hierzu werden an alle Karten ausgeteilt, die offen ausgelegt werden und jeweils eine mögliche Aktion darstellen. Ist man an der Reihe, wählt man eine Karte aus der eigenen und eine Karte aus einer beliebigen anderen Auslage, führt die darauf abgebildeten Aktionen aus und legt die Karten dann auf den persönlichen Ablagestapel. So kann man den Astronauten oder die Astronautin durch die Raumstation bewegen, forschen, eine Bauaktion durchführen oder trainieren.

Ist eine Auslage erschöpft, legt man einen freien Tag ein und nimmt die Karten vom Ablagestapel wieder auf die Hand. Das bedeutet jedoch auch, dass die Zeit voranschreitet und das Team unter Druck gerät. Denn es gibt Meilensteine zu erfüllen, und nach nur wenigen Jahren wird das erste, aber nicht letzte Mal überprüft, ob denn genug Fortschritte erzielt wurden. Ist die Station dann nicht genug ausgebaut, hat das Team vorzeitig verloren und muss zur Erde zurückkehren. Glücklicherweise kann man es dann direkt nochmal versuchen und muss sich nicht erst Jahrzehnte auf die nächste Weltraummission vorbereiten.



Die Aktionen, die durchgeführt werden können, sind jeweils recht einfach. Die ausliegenden Forschungsplättchen können durch die Spieler nach und nach erledigt werden und geben einen kleinen Bonus, sobald man sie abgeschlossen hat. Das ist kein Muss, aber dennoch gerät man irgendwann in Probleme, wenn man die Forschung vernachlässigt, denn wenn zu viele verschiedene Projekte ausstehen, wird ein Baustopp über die Station verhängt. Mit der Aktion Bewegung kann man eine Figur durch die Raumstation bewegen, und mit der Bauaktion darf man ein Modul an die Station anbauen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Mit der Aktion Training können die Fähigkeiten der Figuren verbessert werden, die im Folgenden dann besser forschen, bauen oder sich bewegen können.

So fühlt es sich an

Von Anfang an fühlt man den Druck, die Raumstation auszubauen. Ohne Training und Teamwork geht es nicht, also spricht man sich ab, um die Astronauten zu spezialisieren und zu verteilen. Man wählt seine Karten und die seiner Mitspieler aus und muss immer darauf achten, dass jeder ausreichend handlungsfähig bleibt und niemand zu einem ungünstigen Zeitpunkt eine Pause einlegen muss. Denn zusätzlich zum Fortschreiten der Zeit werden Herausforderungen aufgedeckt, die zukünftige Bauvorhaben schwieriger machen oder weitere Forschungsaufträge generieren. Durch diese zufälligen Events müssen die Spieler ständig umplanen und auf die neue Situation reagieren.



Dabei hat das Spiel zwar einiges an Regeln, spielt sich aber nicht kompliziert, sodass die ganze  Familie an den Entscheidungen mitwirken kann. Durch die komplett offenen Informationen könnte ein Spieler natürlich das gesamte Spiel alleine durchplanen und andere dominieren. Das könnte in einigen Runden zum Problem werden, aber gerade beim Spiel mit Kindern empfinde ich das aber nicht immer als Nachteil. So kann man Denkprozesse fördern und auch nach einem Misserfolg gemeinsam mit den Kindern überlegen, was besser hätte gemacht werden können.

Bis zu diesem Punkt könnte man sagen, hat das Spiel vieles richtig gemacht. Die thematische Einbettung passt super, man kommt nach einigen Zügen gut ins Spiel, und es gibt immer etwas zu tun und vor allem abzuwägen, am gemeinsamen Ziel zu arbeiten oder durch Training in die kommenden Runden zu investieren. Außerdem wurde das Teamplay interessant gelöst und engt die Entscheidungsmöglichkeiten der Spieler nach und nach ein.

Es könnte also ein wunderschönes Spiel sein, aber leider kann ich doch keine klare Empfehlung dafür aussprechen. Zumindest Spielern, die schon ein wenig Erfahrung im kooperativen Bereich haben, wird schnell die geringe Varianz auffallen. Der Startpunkt ist immer gleich und das Spiel gibt vor, welcher Zug als nächstes gemacht werden sollte. Es gibt wenig verschiedene Strategien und auch eine Abwägung zwischen Risiko und Nutzen eines Zuges findet kaum statt. Nach den Partien wurde für meinen Geschmack zu wenig darüber gesprochen, was gut oder schlecht lief und was man beim nächsten Mal vielleicht anders machen würde. So wurde zwar während der Züge über die Prioritäten gesprochen, aber es ging dabei eigentlich selten um wirklich schwere Entscheidungen, die im Nachhinein noch diskutiert werden konnten. In Summe fühlten sich die Züge dann etwas beliebig an, was den Wiederspielreiz auch durch die fehlenden Variabilität im Ablauf und im Spielaufbau einschränkt.



Es bleibt aber auch festzuhalten, dass dieses Spiel sich sehr auf die positiven Aspekte der internationalen Raumfahrt beschränkt und Forschung, Bau und Kooperation in den Vordergrund stellt. Erfrischend anders kommt es ohne Aliens, drohende Meteoriteneinschläge oder Lebensgefahr der Besatzung daher.

Spielregeln beim Verlag herunterladen

Fazit: Ein kooperatives Weltraumspiel mit hohem Anspruch an die Authentizität und ansprechender Optik. Der Platzbedarf ist leider ein wenig zu groß und das Gameplay konnte nicht vollständig überzeugen. Geeignet für Interessenten echter Raumfahrt und Neulinge kooperativer Spiele, die vor einem Spiel an der Grenze zum Kennerbereich nicht zurückschrecken.   

Mission ISS
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Michael Luu
Schmidt Spiele 2021
EAN: 4001504493936
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 32,99

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