Magic: Lorwyn-Zyklus 1: Lorwyn

Es könnte alles so schön sein: „Hier habt ihr eine neue Welt, macht etwas draus.“ Aber wie schwierig das sein kann, erkennt man im ersten „Lorwyn“-Band zum „Magic“-Sammelkartenspiel. Erst nach einer Einstiegshürde, die höher als erwartet ist, nimmt die Geschichte Fahrt auf und wird lesenswert.

von Lars Jeske

 

Die beiden Autoren Cory J. Hendon und Scott McGough sind in der Welt von „Magic“ keine Unbekannten. Erster schrieb unter anderem den „Ravnica“-Zyklus und McGough verfasste beispielsweise die Bücher zu den Sets „Zeitspirale“ und „Kamigawa“. Als Novum schreiben nun die beiden erstmalig zusammen an einer „Magic“-Geschichte über Lorwyn. Dabei ist Lorwyn die Welt, die thematisch durch das mittlerweile 57. Set von „Magic“-Karten grob vordefiniert und vage umrissen wird. Somit hatten die beiden fantasyerprobten und mit dem Thema vertrauten Autoren so ziemlich freie Hand darüber, was sie über diese Welt mitteilen.

Die Geschichte an sich ist recht gut gelungen. Zu Beginn erfährt man von der Lebensweise und den Traditionen der Elfen und insbesondere den Lebensverhältnissen des Elfen Rhys. Dieser hat als Mitglied des stärksten und bedeutendsten Elfenstamms (Güldenlaub) den prestigevollen Posten eines Meutenführers inne und könnte nicht zuletzt aufgrund seines perfekten Aussehens, was bei den Elfen als höchstes Gut gesehen wird, überaus zufrieden mit sich und seinem Leben sein. Jedoch hat er ein paar Widersacher bei den Elfen und gerät auch immer wieder mit seinem Vorgesetzen aneinander und kritisiert ihn und dessen Entscheidungen. Durch ein paar Missgeschicke und unglückliche Entscheidungen bringt er sich an den Rand der Gesellschaft, in die Situation eines „Ausgestoßenen“ und wird sogar zum „Augenweh“, wodurch seine bisherige Welt zusammenbricht.

Als er gerade mit seinem Leben hadert, überschlagen sich die Ereignisse für ihn. Während seiner Flucht begegnet er Maralen (Elfin vom Morgensang-Volk) und schließlich wird er von der Nachrichtenübermittlerin Ascheline (Flammensipplerin) zu seinem Mentor Colfenor (letzte rote Eibe) gebeten. Widerwillig nimmt er dessen Auftrag an, und mit ein paar weiteren Gefährten, die alle ihre eigenen Beweggründe haben ihn zu begleiten, macht er sich auf den Weg. Ohne zu viel verraten zu wollen, ist wohl klar, dass dann natürlich alles anders kommt, als gedacht, und auch seine Weggefährten zeigen mehr von dem, was sie eigentlich sind und antreibt… So weit so gut. Wenn, ja wenn es nicht die Erwartungshaltung der Leser gäbe.

Eine Schwierigkeit für den Leser, um in die Geschichte eintauchen zu können, könnte die moralische Umdefinierung der Elfen sein. Diese scheinen, abgesehen von den Drow, Nacht- & Blutelfen, im Normalfall ein nobles und friedvolles Volk zu sein. Hier in Lorwyn wird ein interessanter anderer Ansatz gewählt und deren vornehmes Getue ad absurdum geführt, sowie ihre Arroganz, Kaltherzigkeit, bedingungslose Grausamkeit und ideologische Engstirnigkeit schon nahezu überspitzt und karikiert dargestellt. Allein die Naturverbundenheit der Elfen erinnert an das bekannte Idealbild dieser Rasse. Die Elfen in Lorwyn sind somit oberflächlich, und unter dem Deckmantel der vollendeten Schönheit und Erhabenheit zeigt sich deren wahres Ich. Ein gewagter Ansatz, an den man sich erst einmal gewöhnen muss, da sie in anderen Welten (fast) immer die Guten sind.

Dazu passt auch, dass sie sich optisch vom genretypischen Elfen unterscheiden. Fast ausnahmslos wird einem in der übrigen Fantasy-Literatur eingebläut, dass Elfen = Alben = Elben sind und im strengen tolkianischen Sinne Mr. Spock / Legolas-Klone mit langen blonden Haaren. Für Lorwyn muss man sich hingegen schnell von dieser Vorstellung trennen, um sich in die Geschichte einfühlen zu können. Hier wird nämlich deren ursprüngliches Erscheinungsbild gewählt, also das des Faunus/Pans respektive Satyr mit Hörnern und Hufen, wodurch die moralische Umtriebigkeit sogleich unterstützt wird.

Leider schleicht sich das andere optische Bild immer wieder in die eigene Vorstellung ein, nicht zuletzt durch den altehrwürdigen Llanowar-Elfen aus „Magic“-Urzeiten, sodass die Identifikation mit der vermeintlichen Hauptfigur Rhys schwer fällt.

Die zweite Schwierigkeit besteht in der angedeuteten und nur in Ansätzen aufgezeigten Komplexität der Welt. Da die Autoren frei assoziieren können, bringen sie viele außergewöhnliche Ideen mit hinein, die jedoch recht knapp abgehandelt werden (müssen) – fast so, als ob sie mit Absicht versuchen, den Leser aus Lorwyn fern zu halten, da er dort nicht hingehört. Im „Lorwyn“-Kartenspiel treten nämlich auch keine Menschen auf. Wohl in weiser Voraussicht dessen, viele Begriffe, Wesen & gesellschaftliche Strukturen neu zu definieren, steht dem Auftakt des Romans ein Glossar voran. Da man es dadurch zuerst liest, merkt man sofort, dass man als Leser mitdenken muss.

Von der Geschichte her ist das Ganze genremäßig konzipiert, was kein Vorwurf ist. Schema F: Wir bauen eine Heldengruppe aus möglichst vielen unterschiedlichen Charakteren und Rassen zusammen und schicken sie in abstruse Abenteuer. Wobei Helden hier nicht als Glorifizierungsbegriff stehen soll, denn weder haben alle tragenden Figuren der Geschichte gute Absichten, noch sind sie ein Team; eher eine Zweckgemeinschaft in der Gut und Böse auch innerhalb der Charaktere leicht verschwimmt.

Es ist ein lobenswerter Ansatz, so viele unterschiedliche Rassen vorzustellen, aber leider ist das Ausdeuten auch nur eines Charakters umfangreich genug, sodass die gesamtheitliche Vorstellung jeder Rasse nur eine oberflächliche Skizze bleiben kann. Da bleiben noch Reserven für die Fortsetzungsbände, die man mit dieser Erwartungshaltung gern lesen wird.

Einen subjektiven Kritikpunkt zum Auftakt des „Lorwyn“-Zyklus möchte ich noch anmerken. Dafür, dass es eben primär nicht nur um ein Volk geht (Zwerge, Elfen, Troll, Orks), ist die Geschichte meiner Meinung nach zu stark verzweigt, um Spannung aufkommen zu lassen. Ehe die anfänglichen gefühlten zehn Handlungsstränge, in welche die Hauptpersonen involviert sind, sich mit einanderverbinden, sind schon fast die Hälfte der gut 380 Seiten rum. Es ist also lesetechnisch etwas Durchhaltevermögen verlangt, ehe sich eine richtige Geschichte mit einer Handlung entwickeln kann. Man liest weiter, von der Hoffung genährt, dass die erwähnten Personen dann doch noch irgendetwas miteinander zu tun haben. – Der Fluch eine neue Welt zu bevölkern. Zu viel (Story und Weltbeschreibung) muss in zu wenig Zeit (Seitenzahl) vermittelt werden. Mehr wäre womöglich besser gewesen. Bis zum Ende dieses Buches wird nicht ganz klar, ob es High-Fantasy oder Sword & Sorcery sein will.

Bleibt abschließend die Frage zu beantworten, was das Ganze mit den Originalideen von „Magic“ zu tun hat. Augenscheinlich nichts, lediglich der Name Lorwyn wurde die geforderten Hundert Mal fallen gelassen, damit man als Leser einen Bezugspunkt hat. ;-)

Nein, so schlimm ist es nicht. Die durch die Karten vordefinierten Völker (Boggarts, Feen, Elfen, Riesen, Baumvolk, Meervolk, Elementare und Kithkin) und Einzelpersonen treten fast alle auf. Dennoch ist es nicht notwendig, „Magic“ zu kennen, um das Buch zu verstehen. Somit ist es mit diesem Auftakt zum Buch-Zyklus gelungen, eine interessante Geschichte aus Lorwyn zu erzählen. Da noch nicht alle Handlungsstränge aufgelöst worden sind, muss man einfach die Fortsetzung lesen und man will es auch.

Fazit: Ein solider Roman, in dem die Elfen einmal nicht die personifizierten Guten sind. Abzüglich aller obiger möglicher Schwierigkeiten beim Lesen bleibt dennoch eine zwar konstruierte, aber interessante Geschichte übrig, die, einmal in Fahrt gekommen, recht flüssig wirkt und abzulenken versteht. Hoffentlich wird in den Folgebänden dieses Romanzyklus’ das Potenzial ausgeschöpft und noch mehr auf die einzelnen Personen und Rassen eingegangen. Auf die nötige Fortsetzung darf man gespannt sein.


Lorwyn (Magic: Lorwyn-Zyklus 1)
Fantasy-Roman
Cory J. Hendon, Scott McGough
Panini Books 2008
ISBN: 978-3-8332-1647-3
339 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,00

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