Lumen

Im dritten Band seiner Romanreihe um Emily Laing führt uns Marzi zurück in die fantastische Welt der Uralten Metropole unter London. Begleitet von vielen alten Bekannten und einigen neuen Gestalten folgen wir den düsteren Ereignissen, die London zu vernichten drohen, durch die Hölle und Prag, bis zum Finale in der Stadt der Schornsteine.

von Roland Kasper

 

Zum Inhalt

Zwei Jahre nach den Ereignissen in „Lilith“ wird London erneut durch finstere Mächte bedroht. Geheimnisvolle Nebel durchstreifen die Stadt und jeder, der mit ihnen in Kontakt kommt, fällt in einen Schlaf ohne Erwachen oder aber er verfällt in eine mörderische Raserei.

Mia Manderley – Emilys Mutter – wird von den Nebeln heimgesucht und stirbt. Alle Spuren deuten darauf, dass die Nebel im Auftrag von Mushroom Manor, dem langjährigen Feind Manderley Manors, gehandelt haben, wodurch der schwelende Konflikt zwischen beiden zu einem offenen Krieg wird. Manderley Manor sichert sich die Unterstützung der „Dürre“ zu und nach einem Vergeltungsschlag gegen ein Anwesen von Mushroom Manor halten Angst und Schrecken Einzug in der Uralten Metropole.

Mitgerissen von den Ereignissen erfahren Emily und ihre Begleiter – ihr Mentor und Alchimist Mortimer Wittgenstein, ihre Freundin Aurora Fitzrovia, deren ehemals auf See verschollene Freund Neil Trent und der neue Bibliothekar der Nationalbibliothek Tristan Marlowe – stückchenweise von den Intrigen, die im Hintergrund von verschiedenen Parteien gesponnen werden und wie die großen Häuser – zum Teil mit der unwissenden Hilfe unserer Helden – gegeneinander ausgespielt werden.

Nach einer Odyssee durch die Hölle und Prag gelingt es mit Hilfe Liliths, Lucifer/Lycidas zu erwecken, doch leider erweist dieser sich, nachdem er seine Kräfte aufgibt, um Lilith zu retten, als zu schwach, um sich gegen den Drahtzieher des Krieges – den Engel Gabriel und seine Heerscharen – zu stellen. Dieser kontrolliert die Black Friars, um mit gezielten Desinformationen die Konflikte in der Uralten Metropole am Laufen zu halten, damit sich der Nyx von der dadurch entstandenen Angst und niederen Gefühlen ernähren kann und so Gabriel und sein Gefolge mit fortwährendem Leben versorgt.

Als die „Helden“ nach London zurückkehren, scheint alles verloren. Nebel und Dürre führen offenen Krieg gegeneinander und es gibt keinerlei Hoffnung, Gabriel aufzuhalten oder die verfeindeten Parteien zu versöhnen.

Doch wenn sich selbst ein gefallener Engel der Liebe willen ändern kann…

Meine Beurteilung

Wieder einmal greift Marzi tief in Kisten voller Legenden, Sagen und Geschichten, um aus entlehnten Gestalten seine Uralte Metropole zu beleben, eine Stadt voller gefallener Engel, vergessener Götter, sprechender Ratten und dunkler Intrigen. Hinzu kommt ein Prag mit einer erdrückenden, kafkaesken Bürokratie und Geheimpolizei – einer völlig andersartigen Uralten Metropole.

Dabei begegnen wir hauptsächlich alten Bekannten und bekommen einige ihrer alten Geheimnisse gelüftet. Nur wenige neue Figuren tauchen auf. Wie schon in den vorhergehenden Bänden sind Gut und Böse nicht leicht zu unterscheiden und häufig wechseln Figuren – ausgehend von ihren eigenen Motiven – die Seiten. Erst am Ende des Buches haben sich alle Fronten (für dieses Mal) geklärt.

Die Helden haben dieses Mal ein wenig mehr Handlungsspielraum als in „Lilith“ – und dürfen sich auch schon einmal aus eigener Kraft retten. Trotzdem ist ihre Haupfaufgabe, Augen und Ohren für den Leser zu sein, um Geschichten und Erzählungen der Nebenfiguren zu erfahren, durch welche die rätselhaften Geschehnisse und deren Hintergründe erklärt werden. Dazu kommt Marzis sprachlicher Stil, der sowohl lange Schachtelsätze voller malerischer Beschreibungen umfasst, als auch kurze abgehackte Halbsätze. Dies macht das Buch zu Beginn nicht gerade einfach zu lesen, aber nach einigen Seiten hat man sich daran gewöhnt.

Alles in Allem ist „Lumen“ spannend geschrieben und sowohl die Handlung als auch die Enthüllungen der Figuren fesseln einen.

Fazit: Deutlich besser als im zweiten Teil findet Marzi hier im Stil wieder Anschluss an den ersten Band „Lycidas“. Die Figuren gewinnen an Tiefe, indem wir mehr über ihre Hintergründe erfahren, und viele Geheimnisse der vorangegangenen Bände werden gelöst. So gesehen ein schöner Abschluss (?) der Trilogie (?), wenn auch das Ende ein bisschen zu abrupt und abgehackt wirkt.


Lumen
Fantasy-Roman
Christoph Marzi
Heyne 2006
ISBN: 3-453-81081-3
798 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00

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