Lone Wolf - The Roleplaying Game

Mitte der 1980er Jahre veröffentlichte der Rollenspielautor Joe Dever die Abenteuer-Spielbücher „Der einsame Wolf“. Zwölf der insgesamt 20 Bände schafften es Anfang der 1990er Jahre bei Goldmann ins Deutsche übersetzt zu werden, zu einer Zeit, als die Soloabenteuer gerade auf dem Höhepunkt ihrer Beliebheit waren. Mongoose Publishing, die „Tausendsassa“ aus England, haben es sich nach über zehn Jahren nicht nehmen lassen, aus den beliebten Abenteuern des Kai-Lords ein eigenes OGL-Rollenspiel zu machen.

von Dominik Cenia

 

Die Welt Magnamund wird in ihrer jahrtausendelangen Geschichte immer wieder von den Lords der Dunkelheit bedroht. Diesen stehen jedoch die Lords des Lichtes gegenüber. Ein Kampf der Götter, der die meiste Zeit auf den Schultern der Bewohner von Magnamund und einigen anderen Ebenen ausgetragen wird.

Die Handlung des Rollenspiels, findet genau 50 Jahre vor den Ereignissen der bekannten Soloabenteuer statt. Die Spieler können die Rolle von Kai-Lords, Rittern aus Sommerlund, Zauberern und Magiern übernehmen, um gegen die aufkeimenden Mächte der Darklords zu bestehen.

Das Buch ist im Hardcover und abgesehen vom Einband und der beiliegenden Farbkarte komplett in Schwarzweiß. Die 304 Seiten enthalten alles, was man zum Spielen benötigt. Neben den Regeln beschäftigt sich gut die Hälfte des Inhalts mit der Beschreibung und Geschichte der Welt Magnamund.

Wie bei der Charaktererschaffung für OGL/D20-Rollenspielen üblich, steht auch beim „Lone Wolf Roleplaying Game“ die Wahl der Charakterklasse auf dem Programm. Nur sieben verschiedene Klassen stehen allerdings zur Auswahl. Da die meisten Bewohner von Magnamund menschlich sind, wird dabei kein Unterschied zwischen Rasse und Klasse gemacht. Elfen und Halblinge gibt es zum Beispiel nicht. Dafür aber Zwergenkanoniere oder das Volk der magiebegabten Dessi, die sich im Gegensatz zu den Magiern vom Orden des Kristallsterns einer sehr viel älteren Magieform bedienen.

Herzstück der Charaktererschaffung sind jedoch die reizvollen Kai-Lords, eine Mischung aus Waldläufer, Zauberer, Mönch und Ritter (man könnte sie auch als „Jedi“ bezeichnen…). Die Kai-Lords sind die Beschützer von Magnamund, und ihre Fähigkeiten sind beim Weitem am vielseitigsten. Leider sind die Klassen insgesamt zu unausgeglichen und die Anzahl und Stärke der Klassenfähigkeiten hält sich nicht sonderlich in der Waage. Es empfiehlt sich also, dass die ganze Gruppe Kai-Lords, Magier oder Ritter aus Sommerlund spielt. Alle anderen Klassen sind deutlich schwächer.

In „Lone Wolf“ gibt es außerdem keine Feats. Die Charaktere erhalten automatisch pro Stufenaufstieg neue Fähigkeiten oder können sich innerhalb einer Fähigkeit verbessern oder neu entscheiden. Dadurch wird die Entwicklung der Charaktere sehr viel einfacher und gerade für Neulinge recht überschaubar. Allerdings hat das Fehlen von Feats auch den Nachteil, dass unterschiedliche Charaktere der gleichen Klassen fast immer ähnliche Werte haben.

Auch das Kampfsystem wurde stark vereinfacht. Viele Spezialattacken, Manöver und Kampfoptionen wurden weggelassen. Kämpfe lassen sich so deutlich schneller abhandeln.

Ein Kapitel über Magie und Zaubersprüche gibt es nicht. Magische Gegenstände sind extrem selten und können beispielsweise nicht von den Charakteren hergestellt werden. Zaubersprüche sind nur den jeweiligen Klassen vorbehalten und werden direkt als Klassenfähigkeiten aufgelistet.

Die vereinfachten Spielregeln, die weniger detailierte Charaktererschaffung und die geringe Auswahl an Klassen machen also aus dem „Lone Wolf“-Rollenspiel ein gutes Buch für RPG-Einsteiger. Aber auch erfahrene Rollenspieler, die mit D20 bisher noch nicht so viel am Hut hatten und mal in die Regeln reinschnuppern wollen, erhalten einen guten Überblick der Grundregeln.

Die Welt Magnamund unterscheidet sich zwar nicht sonderlich von einer üblichen Fantasywelt, ist aber insgesamt recht stimmungsvoll beschrieben. Es gibt jede Menge kleiner Königreiche, die Länder der Darklords und ein ausführliches Bestarium mit phantasievollen Monstern und Gegnern. Auf einige typische Elemente der Fantasy wurde dabei verzichtet. Es gibt etwa keine Paladine oder Orks (naja… etwas ähnliches gibt es schon…), und wie bereits erwähnt dürfen auch Elfen und Halblinge zu Hause bleiben. Dafür eignet sich das Rollenspiel wunderbar für heroische Fantasy. Die Spieler treten als echte Helden auf und dürfen ganze Königreiche retten, längst vergessene Artefakte finden oder gegen die Darklords direkt antreten. „Lone Wolf“ lebt von epischen Abenteuern, bei denen das Schicksal der Welt in den Händen der Charaktere liegt.

Wer die alten Soloabenteuer des Einsamen Wolfs kennt, wird beim Lesen des Regelwerks mit Sicherheit ein paar nostalgische Gefühle erleben. Mongoose hat es wirklich geschafft, den Flair der Welt Magnamund einzufangen. Und aufgrund der vereinfachten Regeln ist das Spiel gerade für Gelegenheitsspieler recht interessant.

Das Buch ist allerdings ziemlich textlastig geworden. Die qualitativ durchschnittlichen Illustrationen wurden sparsam verteilt. Außerdem finde ich es schade, dass aus irgendeinem Grund die stimmungsvollen Illustrationen von Gary Chalk nicht vorhanden sind. Der hatte nämlich damals die ersten ursprünglichen Bücher des Einsamen Wolfs illustriert. Und ohne Zweifel war er der beste Zeichner der Serie.

Auf den hinteren Vorsatz des Buches wurde noch eine farbige Faltkarte der Welt Magnamund geklebt. Diese ist recht hübsch anzusehen, lässt sich aber nicht heraustrennen. Der Spielleiter ist also gezwungen, Teile der Karte zu kopieren, oder das Buch immer wieder an der hinteren Stelle aufzuschlagen. Das ist nicht nur störend, sondern auf Dauer für eine Faltkarte nicht sonderlich gesund.

Fazit: Das „Lone Wolf“-Rollenspiel ist ideal für Einsteiger und Gelegenheitsspieler. Die Welt Magnamund ist spannend, leicht zugänglich und versprüht den Charme der 1980er-Jahre-Fantasy. Es macht einfach Spass, einen mächtigen Kai-Lord zu spielen.

Erfahrene OGL/D20-Spieler können das Buch aber höchstens als Setting verwenden. Von den Regeln her wird in anderen Publikationen deutlich mehr geboten. Vor allem das Fehlen von Feats mag dem ein oder anderen vielleicht ein Dorn im Auge sein. Neben dem recht textlastigen Layout hat das Buch außerdem noch Schwächen durch die wenigen Illustrationen und die etwas unpraktisch eingeklebte Karte. Ansonsten hat Mongoose aber gute Arbeit geleistet.

Dieser Artikel erschien usprünglich auf www.x-zine.de.


Lone Wolf -The Roleplaying Game
Grundregelwerk
August Hahn
Mongoose Publishing 2004
ISBN: 1-904-57747-4
304 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 39,95

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