Legenden von Harkuna 2 – Das Reich des Goldes

Die Spielbuch-Reihe „Legenden von Harkuna“ geht in die zweite Runde. Nun wird sich zeigen, ob das Konzept dieser Fantasy-Serie funktioniert, Bände miteinander kombinieren und so ein episches Abenteuer in einer weitläufigen Welt erleben zu können.

von Bastian Ludwig

 

„Legenden von Harkuna“ ist eine sechsteilige Spielbuch-Reihe, die sich dadurch auszeichnet, dass die einzelnen Bände keine abgeschlossenen Geschichten erzählen, sondern dass sie sich miteinander kombinieren lassen. In der Logik der Reihe deckt jeder Band eine andere Region der Fantasy-Welt Harkuna ab. Will man von der einen in die andere Region wechseln, muss man also zu einem anderen Buch greifen. Die Idee dahinter ist, dass Quests auch über mehrere Bände hinweg erzählt werden und dass der Spieler frei in der Welt herumreisen und ein episches Abenteuer erleben kann. War man dementsprechend im ersten Band „Das Reich des Krieges“ noch allein auf das vom Bürgerkrieg gebeutelte Königreich Sokara beschränkt, erweitert sich mit „Das Reich des Goldes“ die Spielwelt nach Westen hin um das titelgebende Golnir, das angeblich so reich ist, dass es dort regelmäßig Goldnuggets vom Himmel regnet.

Schauen wir uns zunächst einmal „Das Reich des Goldes“ für sich alleine genommen an, denn jeder Teil der „Legenden von Harkuna“ kann auch ohne einen der anderen Bände gespielt werden. Grundsätzlich ist „Das Reich des Goldes“ wie auch schon „Das Reich des Krieges“ ein anständiges Abenteuerspielbuch, sodass ich meine Kritik von Letzterem fast vollständig übernehmen könnte. Harkuna ist eine klassische, mittelalterlich angehauchte Fantasy-Welt und sie wird entsprechend geschildert. Magie, Monster, Dungeons, Städte, verwunschene Orte: Alles, was man erwartet, findet man auch irgendwann. Mit 800 Abschnitten ist das Buch sehr umfangreich und der Abenteurer hat eine Menge zu tun. Die Quests bewegen sich dabei im Rollenspiel-Standard, angesiedelt irgendwo zwischen dem Beschaffen von Dingen, Monsterkämpfen und dem Bergen von Schätzen, garniert mit alltäglicheren Beschäftigungen wie etwa Handelstouren.

Nun habe ich gesagt, ich könnte meine Kritik vom ersten Band fast vollständig übernehmen. Uneingeschränkt übernehmen könnte ich sie, wenn „Das Reich des Goldes“ der erste „Harkuna“-Band wäre, den ich spiele. Das ist er aber nicht. Und das ist schlecht, denn „Das Reich des Goldes“ ähnelt „Das Reich des Krieges“ in Atmosphäre, Sprache und Abenteuergestaltung so sehr, dass für mich als Wiederholungsspieler aus dem Buch schnell die Luft raus ist.

Dinge, über die ich beim Spielen des ersten Bandes noch hinweggesehen habe, treten nun stärker in den Vordergrund. Zum Beispiel, dass die weitläufige Welt von Harkuna nicht sonderlich dicht gefüllt ist. Oft beschäftigt man sich viele Abschnitte lang nur mit dem Reisen, trifft hier auf ein paar fahrende Händler oder hat dort eine Begegnung mit einem kleineren Monster, es dauert aber lange, bis ein wirkliches Highlight-Abenteuer in Sicht kommt, jene Art von Abenteuer, wegen dem man überhaupt erst auf Reisen gegangen ist. Das frustriert und sorgt für Langeweile, ebenso wie die Tatsache, dass bestimmte Typen von Orten wie Tempel, Städte oder Märkte oder auch die langen Reiserouten immer ähnlich beschrieben werden und fast identische Entscheidungsmöglichkeiten bieten. Das geht so weit, dass man irgendwann bestimmte Abschnitte gar nicht mehr liest, weil man ohnehin weiß, was in ihnen steht.

Darf sich der Erstspieler also freuen, während sich der Wiederholungsspieler traurig in eine Ecke verkriechen muss, oder wird das Handicap des Letzteren, irgendwie alles schon mal erlebt zu haben, durch das große Alleinstellungsmerkmal der „Legenden von Harkuna“, die sich über alle Bände erstreckende Spielwelt und -handlung, abgefedert?

Nun ja, es vermittelt schon eine gewisse epische Breite, im zweiten Band nicht in eine völlig neue Geschichte einzusteigen, sondern mehr oder weniger nahtlos an die Abenteuer anzuschließen, die man im ersten Teil erlebt hat. Man hat noch die gleiche Figur, die gleichen Gegenstände, den ein oder anderen Auftrag aus Band 1, den es in Band 2 zu erfüllen gibt, und das wohlige Gefühl, dass die Leistungen der Vergangenheit zum Beispiel in Form eines erworbenen Hauses und eines ordentlichen Bankvermögens irgendwo in Sokara auf einen warten werden, wenn man nach vielen weiteren Heldentaten irgendwann einmal dorthin zurückkehren wird.

„Legenden von Harkuna“ hat jedoch das Problem, dass die Reihe keine große Geschichte erzählen kann, die diesem epischen Ansatz gerecht wird, denn um einer solchen Geschichte zu folgen, müsste der Spieler jedes Buch besitzen und die Bände, eventuell sogar die Abschnitte, in einer bestimmten Reihenfolge durchspielen, was wiederum dem Gefühl des freien Abenteuers und der offenen Spielwelt zuwiderlaufen würde. Ein Teufelskreis. Da jeder Band für sich alleine stehen muss, können die Bücher letzten Endes gar nicht besonders verzahnt sein. Die neuen Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt, reihen sich additiv neben jene aus Band 1. Mit „Das Reich des Goldes“ wird „Legenden von Harkuna“ nicht komplexer, es wird einfach nur mehr, und zwar mehr vom Gleichen.

Fazit: Als einzelner Band und für einen Erstspieler ist „Das Reich des Goldes“ auf Augenhöhe mit „Das Reich des Krieges“ und ein unterhaltsames, klassisches Fantasy-Spielbuch, mit dem man einige vergnügliche Stunden verbringen kann. Für Spieler mit mehr „Harkuna“-Erfahrung macht sich aber aufgrund der eher konservativen Spielwelt, des abwechslungsarmen Quest-Designs und der sich wiederholenden sprachlichen Versatzstücke rasch eine Ermüdung bemerkbar, die auch vom nicht richtig ausgearbeiteten Konzept der bändeübergreifenden Spielwelt nur mäßig abgemildert werden kann.


Legenden von Harkuna 2 – Das Reich des Goldes
Abenteuer-Spielbuch
Dave Morris, Jamie Thomson
Mantikore-Verlag 2012
ISBN: 978-3-939212-10-2
369 S., broschiert, deutsch
Preis EUR 14,95

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