Istanbul – Choose & Write – Interview mit Ralph Bruhn

Anlässlich der Veröffentlichung von „Istanbul – Choose & Write“ von Rüdiger Dorn haben wir ein Interview mit Ralph Bruhn geführt.

von Sabrina

Ringbote: Willkommen zurück auf dem Basar von Istanbul! Fast 10 Jahre ist es her, dass Rüdiger Dorn „Istanbul“ auf den Markt gebracht hat. Und das sehr erfolgreich. Zwei Erweiterungen und eine Würfelspiel-Variante später ist nun die Choose-&-Write-Variante mit deiner Unterstützung in den Handel gelangt. Erzähl uns doch bitte, wie es dazu kam.

Ralph Bruhn: Vor etwa anderthalb Jahren stellten ein Freund und ich uns angesichts vieler guter anderer Roll-&-Write-Spiele die Frage, ob nicht eigentlich auch „Istanbul“ dafür geeignet wäre. Mit dieser vagen Idee habe ich mich an Rüdiger gewandt und anscheinend offene Türen eingerannt, denn nur wenige Monate später hat er mir eine Version vorgestellt. Diese war tatsächlich noch gesteuert durch Würfel. Im Gespräch kamen wir dann schnell darauf, dass wir die Würfel durch Karten ersetzen müssen, um einen gleichmäßigeren Besuch der Orte zu erzielen.

RB: Wie läuft eine Partie „Istanbul – Choose & Write“ ab? Was ist das spielerische Kernelement?

RaB: Wir wählen nacheinander Ortskarten aus (Choose) und lösen so Aktionen aus, deren Ergebnisse wir auf unseren Spielplänen notieren (Write), bis jemand die Endbedingung „10 Rubine haben“ erfüllt hat. Wer am Zug ist, wählt dabei entweder die Handkarte oder eine von zwei ausliegenden Ortskarten aus. Die beiden Kniffe hierbei: Erstens darf ich anstelle des gewählten Ortes auf der Karte auch einen der auf dem Spielplan benachbarten Orte auswählen, was großen Entscheidungsspielraum bietet. Zweitens dürfen auch die Anderen diese Ortskarte benutzen – müssen dafür aber ein Aktionsfeld ankreuzen können. Wer kein Aktionsfeld mehr frei hat, kann den Ort in diesem Zug nicht nutzen, schaltet dafür aber ein weiteres Aktionsfeld frei. Mit den Aktionen sammeln wir wie gewohnt Lira und Waren, die wir dann auf verschiedene Arten in Rubine umsetzen können. Außerdem gibt es noch vier weitere Kartenarten, die wir taktisch nutzen können.

RB: Wer ist die Zielgruppe von „Istanbul – Choose & Write“?

RaB: Auf jeden Fall sollten sich alle Fans der bisherigen „Istanbul“-Spiele dieses Spiel anschauen. Denn thematisch erkennt man einiges wieder: Es werden an ähnlichen Orten wie im Brettspiel Geld und Waren gesammelt und in Rubine getauscht – aber es fühlt sich trotz der Ähnlichkeiten spielerisch ganz anders an. Aber natürlich sind auch alle die angesprochen, die gerne etwas anspruchsvollere Roll-&-Write- oder Flip-&-Write-Spiele mögen.

RB: Gibt es Pläne für weitere „Istanbul“-Varianten oder -Erweiterungen?

RaB: Aktuell nicht – aber das hätte ich vor 2 Jahren auch gesagt. Man weiß nie, was die Zukunft noch bringt.



RB: Nun ein paar Fragen zu dir. Du hast 2009 „Hall Games, der Verlag von Spielern für Spieler!“ gegründet und hast mit verschiedenen Autoren einige sehr erfolgreiche Spiele auf den Markt gebracht. Wie kam es zur Gründung von Hall Games?

RaB: Da bedanke ich mich nachträglich noch bei Uwe Rosenberg: Der Prototyp von „Vor den Toren von Loyang“ gefiel mir sehr gut, Uwe fand aber keinen Verlag dafür. Er schlug mir dann vor, doch einen Verlag zu gründen und es selbst herauszubringen. Mit seiner Hilfe habe ich dann den Verlag aus der Taufe gehoben, und bald darauf habe ich dann mit Stefan Feld und Rüdiger Dorn weitere sehr nette Autoren kennengelernt, mit denen das Entwickeln so viel Spaß gemacht hat, dass es nicht bei dem einen Spiel geblieben ist.

RB: Wie können wir uns die Arbeit in einem Kleinstverlag vorstellen? Wo liegen die besonderen Herausforderungen? Du arbeitest ja hauptberuflich in einem ganz anderen Bereich.

RaB: Der größte Unterschied zu einem hauptberuflichen Verlag ist der Zeitfaktor: Auf der einen Seite habe ich natürlich viel weniger Zeit zur Verfügung, andererseits habe ich aber auch nicht den Zeitdruck, Spiele zu veröffentlichen, weil ich nicht auf die Einnahmen angewiesen bin. So kann ich mir erlauben, Spiele so lange zu entwickeln, bis ich wirklich zufrieden bin. Es dauert daher manchmal mehr als 3 Jahre von der Vorstellung eines Spiels bis zur Veröffentlichung.

Dann habe ich – und brauche auch – den Luxus, dass ich tolle Partner habe, die sich für mich um die Dinge kümmern, die ich zeitlich nicht leisten kann. Allen voran Pegasus, die nicht nur den gesamten Vertrieb, sondern auch den Kundensupport für mich übernehmen und auch sonst immer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dazu möchte ich ergänzen, dass ich „nur“ etwa die Hälfte der von mir betreuten Spiele bei Hall Games veröffentlicht habe. Die andere Hälfte habe ich zwar auf die gleiche Art und Weise gemeinsam mit Autoren und Illustratoren entwickelt, die Spiele sind aber bei Pegasus erschienen, so auch „Istanbul“.

RB: Kommen die Autoren auf dich zu oder wie kommt es zur Zusammenarbeit?

RaB: Bisher ist der Erstkontakt meist von den Autoren ausgegangen, danach frage ich entweder in unregelmäßigen Abständen nach neuen Ideen oder bekomme Prototypen gezeigt. Denn wenn ich merke, dass die Chemie stimmt, mache ich gerne auch weitere Projekte mit den gleichen Autoren. Ganz wichtig für mich: Der Spaß, den ich bei der Entwicklung der Spiele mit den Autoren und Illustratoren habe, ist mir wichtiger als der kommerzielle Erfolg – es ist immer noch hauptsächlich ein Hobby.

RB: Auf welche Spiele bist du besonders stolz und warum? Deine Chance, nochmal Werbung zu machen (lacht).

RaB: Puh, das ist schwierig, weil mir alle „meine“ Spiele immer noch gut gefallen! Aber es ist wohl wenig überraschend, dass ich jetzt als erstes „Istanbul“ nenne, das mit Abstand mein erfolgreichstes Spiel ist. „Besonders“ zufrieden bin ich aber auch mit „Bonfire“. Zum einen hat die sehr abwechslungsreiche Entwicklung des Spiels mit Stefan außerordentlich viel Spaß gemacht, und zum anderen war es sehr spannend, zusammen mit dem Illustrator Dennis Lohausen die Hintergrundgeschichte des Spiels zu entwickeln. Das macht es auch zu einem meiner persönlichen Favoriten. Und „Luna“ ist und bleibt ohnehin mein All-Time-Favorit, das will ich nicht verschweigen. (Ja, „Luna“ ist wirklich ein sehr schönes Spiel und hat leider nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die es verdient hätte. – Anmerkung Sabrina)



RB: Was macht für dich ein gutes Spiel aus? Worauf legst du persönlich Wert?

RaB: Für meine eigenen Spiele: Da lege ich hohen Wert darauf, dass es über mehrere Partien hinweg immer noch neue Dinge, Kombinationen und Strategien zu entdecken gibt. Dabei versuche ich aber, die Spieldauer und Regelmenge im Rahmen zu halten. Auch ein „Bonfire“ war beispielsweise zwischenzeitlich noch deutlich umfangreicher und länger.

Bei Spielen allgemein: Grundsätzlich ist mir Taktik lieber als Strategie; ich mag gerne Spiele, bei denen ich mich ständig an die Spielsituationen anpassen muss. Große Glücksanteile mag ich umso weniger, je länger ein Spiel dauert. Hohe Downtime ist nicht so mein Ding. Ich finde es langweilig, anderen beim Denken zuzuschauen, wenn ich selbst nichts zu tun habe. Am Wichtigsten sind aber die netten Mitspielenden, die können auch schlechte Spiele zu einem Erlebnis machen!

RB: Das spiegelt sich sicher auch bei der Entwicklung und Zusammenarbeit mit Autoren wider, oder? Inwieweit lassen sich Autor*innen auf Veränderungswünsche und Ideen ein? Immerhin ist es ihr „Baby“.

RaB: Da habe ich das Glück, dass die Autoren, mit denen ich arbeite, ein ähnliches Verständnis von Spielen haben wie ich und daher Veränderungsvorschlägen sehr offen gegenüber stehen. Und sie spüren ja auch, dass mir die Spiele genauso am Herzen liegen wie ihnen selbst. Bisher waren wir am Ende immer der Meinung, dass wir gemeinsam etwas Besseres geschaffen haben, als es der Einzelne hätte hinbekommen können.

RB: Ich bin ja schon ein wenig im Bilde. Aber erzähl unseren Leserinnen und Lesern doch, worauf wir uns als nächstes freuen dürfen.

RaB: Unser nächstes Hall-Games-Spiel ist auch eines, das eine mehr als dreijährige Entwicklung hinter sich hat – wobei das auch sehr an Corona lag, da wir lange Zeit keine Gelegenheit hatten, Testspiele in ausreichender Anzahl spielen lassen zu können. Ich gehe davon aus, dass es rechtzeitig zu den Spieletagen in Essen fertig sein wird. Das Spiel wird „Djinn“ heißen, es ist etwas weniger komplex als die letzten Titel von Hall Games. Der Autor ist Benjamin Schwer, die Illustration kommt von Dennis Lohausen. Es kann gespielt werden mit 1 bis 4 Personen und es dauert in Vollbesetzung etwa 90 Minuten. Dabei geht es darum, möglichst viele Djinne einzufangen – um das tun zu können, muss man aber rechtzeitig die zu den Djinnen passenden Spezialflaschen und Korken aufgetrieben haben ...

RB: Herzlichen Dank, Ralph, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und bin schon gespannt auf weitere Spiele von Hall Games. „Djinn“ durfte ich ja bereits als Prototypen einmal testen. War sehr vielversprechend.

Istanbul – Choose & Write
Brettspiel für 2 bis 5 Spielende ab 8 Jahren
Rüdiger Dorn
Pegasus Spiele 2023
EAN: 4250231735615
Sprache: Deutsch/Englisch
Preis: EUR 24,99

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