Iron Man – Extremis (100% Marvel #34)

Der Marvel-Superheld Iron Man erlebt dieser Tage gleich zweifach seine Wiedergeburt: Im Kino definiert Robert Downey Jr. als Tony Stark alias Iron Man die Kategorien Coolness und Feuerkraft neu und im Comic hegt Tom Cruise den Traum, eins zu werden mit der rot-goldenen Rüstung. Tom Cruise? Richtig gelesen. „Iron Man – Extremis“ ist ein Comic, der frappierend nah an einen Kinofilm heranreicht – und als solcher wäre er sicher auch ein Blockbuster.

von Kurt Wagner

 

Der Comic-Markt ist schon eine unübersichtliche Spielwiese. Wer auch nur den Abenteuern eines Superhelden folgen möchte, muss nicht selten gleich mehrere Reihen parallel lesen (meist durch Adjektive wie „Ultimate“ oder „Invincible“ voneinander differenziert). Das rührt daher, dass es alle paar Jahre notwendig wird, die Geschichte eines Superhelden neu zu erzählen, um sie den veränderten Ansprüchen eines nachgewachsenen Publikums schmackhaft zu machen. Iron Man beispielsweise ist ein Kind des Vietnam-Kriegs und Tony Stark sollte ursprünglich an den exzentrischen Milliardär Howard Hughes erinnern – beides Relikte der Vergangenheit, die natürlich nicht mehr funktionieren, wenn man einen modernen Comic machen will. Also braucht man ab und zu eine neue Origin Story, auch um neue Leser und Fans zu gewinnen – und hier setzt „Iron Man – Extremis“, in Amerika der Auftakt-Sechsteiler der „Invincible Iron Man“-Reihe, an.

In „Extremis“ ist Iron Man ein Kind der Kriegs gegen den Terror in Afghanistan (wie im Kinofilm übrigens auch). Doch die Gefangenschaft Tony Starks in einem Lager der Terroristen, der Bau der ersten, silbernen Iron-Man-Rüstung und seine Flucht werden hier nur in Rückblenden erzählt. Tatsächlich setzt die Handlung einige Jahre später ein. Der Playboy, Waffenfabrikant und Multimilliardär Stark wird von seinem Gewissen geplagt. Vor seinen Toren demonstrieren Friedensaktivisten, in einem Interview legt ihm ein Journalist seine Mitschuld an Kriegsgreueln dar und wenn er in den Spiegel schaut, hat sein Spiegelbild einen irgendwie vorwurfsvollen Blick. Einzig wenn er in seiner Iron-Man-Rüstung steckt und über den Wolken dahinjagt, fühlt sich Tony Stark frei. Die Zukunft gestalten, eine Verbindung zwischen Mensch und Maschine schaffen – das waren immer nur seine naiven Träume.

Doch zunächst einmal gilt es, sich Realitäten zu stellen. Aus einem Waffenlabor wird eine Nanowaffe namens Extremis gestohlen, die sich ins Gehirn seines Wirts einhacken soll, um dessen Körperfunktionen so umzuprogrammieren, dass er eine lebende Kampfmaschine wird. Natürlich lässt sich ein irrer, rachsüchtiger Freak Extremis spritzen, und kurz darauf geht er – scheinbar unbesiegbar – auf Zerstörungstour. Da eine alte Freundin Starks Extremis mitentwickelt hatte, erklärt sich dieser bereit, ihr bei der Jagd nach dem Psychopathen zu helfen. Doch schon bald muss Iron Man erkennen, dass er nicht mehr ganz auf dem aktuellen Stand der Technik ist. Neue, radikalere Methoden sind gefragt, will er gegen den Extremis-Killer bestehen.

Die Story, die Warren Ellis in „Iron Man – Extremis“ erzählt, bietet eine ordenliche Mischung aus Introspektion und krachender Action, erfindet das Rad trotzdem nicht unbedingt neu: Held zweifelt an seiner Existenzberechtigung, Schurke taucht auf, Held bekämpft ihn, unterliegt aber aufgrund seiner Zweifel, Held findet in der Niederlage zu sich selbst und wächst über sich hinaus, Held und Schurke kämpfen erneut, Held gewinnt. Das ist gute Hollywood-Dramaturgie – inklusive Parallelmontagen und Rückblenden –, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Was den Comic dennoch aus der breiten Masse hervorhebt, ist sein Look. Er sieht echt rattenscharf aus. Adi Granov zeichnet (wortwörtlich) für beinahe fotorealistische Bilder verantwortlich und dabei zieht er wirklich alle Register seines Könnens. Selten kommt man als Leser in den Genuss so differenzierten Mienenspiels, so anatomischer Körper, so schicker Licht- und Schattenspiele und so genialer Spezialeffekte. Da macht es wirklich Spaß, sich von Seite zu Seite zu blättern. Besonderen Reiz gewinnt die Sache dabei durch die Entscheidung Granovs, die Gesichter seiner Helden Hollywood-Schauspielern nachzuempfinden. So stand Tom Cruise sichtbar für die Figur des Tony Stark Pate und – ob Absicht oder nicht, vermag ich nicht zu sagen – in den Nebenrollen glaubt man Richard Harris als Reporter, Jeff Bridges als ehemaligen Mentor und Katie Holmes als Extremis-Entwicklerin zu sehen (okay, vielleicht schieße ich hier auch ein bisschen über das Ziel hinaus ;-) ).

Leider wird „Extremis“ ein Einzelfall in der neuen „Iron Man“-Reihe bleiben. Sowohl Ellis als auch Granov haben sich nach Beendigung des Sechsteilers aus der Serie zurückgezogen.

Fazit: „Iron Man – Extremis“ hatte alle Qualitäten eines typischen Hollywood-Blockbusters – nur im Comic-Format. Die Story ist sauber erzählt, wenngleich nicht ganz neu, die Charaktere werden zwar etwas naiv, aber keineswegs eindimensional, dargestellt, und die Effekte (sprich die Optik) hauen einen schlichtweg vom Hocker. Ergo: Eine perfekte Ergänzung zum aktuellen „Iron Man“-Kino-Blockbuster.


Iron Man – Extremis (100% Marvel #34)
Comic
Warren Ellis, Adi Granov
Panini Comics 2008
ISBN: n. a.
156 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

bei paninicomics.de bestellen