INTERVIEW: Redakteurin Carolina Möbis über die „Heldenwerk“-Reihe

Pünktlich zum Wechsel auf die fünfte Edition des bekanntesten deutschen Rollenspiels, „Das Schwarze Auge“, stand mit den neuen „Heldenwerk“-Abenteuern eine innovative Reihe neuer Abenteuer in den Startlöchern. Grund genug für den Ringboten, sich mit Carolina Möbis, Redakteurin für den „Aventurischen Boten“ und die „Heldenwerk“-Abenteuer, zu unterhalten.

von Carolina Möbis und André Frenzer

Ringbote: Hallo Carolina! Ich bedanke mich herzlichst, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Der „Aventurische Bote“, eine Institution für „Das Schwarze Auge“, hat unlängst eine radikale Verjüngungskur erfahren. Seither konzentriert sich der „Aventurische Bote“ auf derische Nachrichten, während mit der neuen „Heldenwerk“-Abenteuerreihe ein fertig spielbares Abenteuer separat beiliegt. Wie kam es zu der Idee, das Konzept des „Boten“ wieder zu überarbeiten?

Carolina: Wir hingen sehr am alten Format des Boten. Aber leider deckte er über einen längeren Zeitraum hinweg seine Kosten nicht, daher musste etwas geschehen. Das „Wie“ wurde im Verlag lange und intensiv diskutiert, an einem Schnellschuss war niemandem gelegen.

In der Botenumstellung sahen wir natürlich auch eine große Chance, den Interessen der Fans besser Rechnung tragen, denn über Jahre hinweg wurde immer wieder der Wunsch laut, der Bote möge doch zum alten Format zurückkehren. Ein besonderer Kritikpunkt damals war für viele Leser der Outgame-Teil. Manchen erschienen die Artikel im Outgame-Teil zu speziell, viele beschwerten sich, dass nur in jedem zweiten oder dritten Boten etwas dabei sei, das sie fürs eigene Spiel brauchen konnten. Hier wollen wir der Spielerschaft in Zukunft über Mini-PDFs die Möglichkeit bieten, sich genau die Spielhilfen herauszusuchen, die sie für ihre Spielrunde haben möchten. Als „DSA5“ kam, hat es sich natürlich angeboten, auch beim Boten neue Wege zu gehen.

Das Botenabenteuer als feste Größe ist eigentlich durchweg gut angekommen, daher haben wir dort eingehakt und es in Form der „Heldenwerk“-Reihe ausgebaut.

Ringbote: Bleiben wir bei den „Heldenwerk“-Abenteuern. „Das Schwarze Auge“ ist gerade in den vergangenen Jahren durch umfangreiche und detailliert ausgearbeitete Abenteuer- und Kampagnenbände definiert worden. Die „Quanionsqueste“ oder der „Splitterdämmerungs“-Zyklus sind da nur die aktuelleren Beispiele. Die „Heldenwerk“-Reihe aber beschränkt sich auf genügsame sechzehn Seiten. Tragt Ihr mit dieser Entwicklung einer allgemeinen Entwicklung im Rollenspielsektor hin zu kürzeren Materialien Rechnung?

Carolina: Ich bin nicht sicher, ob es da eine allgemeine Entwicklung gibt. Was unser aller Lieblingshobby auf jeden Fall braucht, ist Bandbreite. Mit der „Theaterritter“-Kampagne ist ja auch wieder ein längeres Abenteuerepos auf den Weg gebracht worden. Die „Heldenwerke“ sollen da eher ergänzen, beziehungsweise Lücken füllen. Auch hier haben wir Wünsche aus dem Fandom aufgegriffen. Im Forum, aber auch in persönlichen Gesprächen wurde angemerkt, dass viele Fans nach schnell spielbaren Szenarien suchten, deren Vorbereitungsaufwand nicht so hoch ausfallen sollte, wie bei einer großen Kampagne. Neue Lebens- und Arbeitssituationen beeinflussen auch die Art, wie das Hobby ausgeübt wird. Viele wünschten sich kurze Abenteuer, die man an ein, zwei Abenden übers Wochenende mit der Runde spielen kann, ohne dem Zwang zu unterliegen, ein halbes Jahr später noch genau wissen zu müssen, was im letzten Abenteuer im Detail passiert ist. Zugleich erfüllen die „Heldenwerk“-Abenteuer auch den Zweck, dass man sie zum Teil sowohl in bestehende Kampagnen als auch in eigene Kampagnen einbauen kann. So kann man Länge und Rhythmus einer Kampagne variieren. Nicht zuletzt sollen unsere „Heldenwerk“-Szenarien einsteigerfreundlich sein und neuen Spielern und Spielleitern eine Möglichkeit geben, sich an überschaubaren Settings zu erproben.

Ringbote: Sechzehn Seiten Platz klingt auf den ersten Blick nicht viel – und auf den zweiten sogar noch weniger, verglichen mit manch anderer Publikation für „Das Schwarze Auge“. Wo liegen die besonderen Herausforderungen für die Autoren der „Heldenwerk“-Abenteuer? Wie sehr musst Du als Redakteurin noch eingreifen, um die Texte in dieser Kürze zu halten?

Carolina: Die Länge ist in der Tat zu Anfang manchmal ein Problem gewesen. Auch unsere Autoren mussten sich zum Teil erst an das neue Format gewöhnen. Zum Glück kann man die meisten Texte kürzen, ohne dass sie an Qualität verlieren. Man kann mit einem kurzen, knackigen Schreibstil viel Handlung erzählen. In der Kürze liegt ja bekanntlich die Würze. Klar wünscht sich der eine oder andere Leser an manchen Stellen noch ausführlichere Beschreibungen oder Charakterisierungen. Und wir nehmen das auch wahr und arbeiten dran, die Erzählstrukturen weiter zu optimieren. Man sammelt bei jedem Abenteuer neue Erfahrungen, die einem später nützen.

Bei der Qualität wollen wir aber schließlich auch keine Abstriche machen. Daher wurde „Kibakadabra“ auch ein paar Seiten länger als ursprünglich geplant. Hier hätte eine rigorose Kürzung auf das Sechzehn-Seiten-Format die innere Logik des Abenteuers und die Originalität dieses Dungeons beeinträchtigt. Daher haben wir dem Abenteuer an der Stelle noch ein paar Seiten mehr spendiert. Im Großen und Ganzen macht sich das Format aber sehr gut. Wichtig ist, dass unseren Autoren von Anfang an klar ist, dass sie mit einer Zeichenbegrenzung arbeiten müssen. Das funktioniert aber mittlerweile sehr gut.

Ringbote: Bislang liegen fünf „Heldenwerk“-Abenteuer vor, das erste „DSA5“-Abenteuer „Hexenreigen“ gleich mit eingerechnet. Dabei wird eine überraschend breite Palette von Abenteuergenres abgedeckt. Detektivgeschichten wie „Ein Goblin mehr oder weniger“, intrigenreiche Ränkespiele wie „Die gehäutete Schlange“ oder der fast klassisch anmutende Dungeoncrawler „Kibakadabra“ stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ist diese Bandbreite einer gewissen Experimentierfreudigkeit geschuldet, die dazu dient das „ideale Abenteuerformat“ für die „Heldenwerk“-Abenteuer zu finden, oder können sich die Leser auch in Zukunft auf diesen großen Abwechslungsreichtum freuen?

Carolina: Das können sie und ich hoffe auch, dass sie das tun. Ich sehe diesen Abwechslungsreichtum als große Stärke der Reihe. Es wäre doch langweilig, wenn man in einer bunten, facettenreichen Welt wie Aventurien immer das Gleiche machen müsste. Die „Heldenwerke“ geben uns die Möglichkeit, heute nach Vinsalt und morgen nach Thorwal zu schauen. Oder ins Bornland. Und wenn einmal ein Szenario partout nicht in die eigene Runde passt, kann man vielleicht zumindest Elemente daraus in ein eigenes Abenteuer einbauen. Hier und da können wir die lebendige Geschichte vertiefen, aber auch wenn man das nicht in Betracht zieht, soll die Reihe einfach viele Möglichkeiten bieten, in Aventurien herumzukommen und seine Lieblingsregion zu bespielen, oder neu zu entdecken.

Im Sinne dieser Abwechslung wird unser nächster „Heldenwerk“-Band etwas für Charaktere, die gerne im Schatten operieren. Phexensjünger aller Art kommen auf ihre Kosten und an Kämpfen wird auch nicht gespart. Soviel darf ich schon mal verraten. Das Abenteuer heißt nicht umsonst „Kaiser der Diebe“.

Ringbote: Mit „Die Thorwaler-Trommel“ ist erstmals ein „Heldenwerk“-Abenteuer erschienen, das eine aktuell aufgelegte Kampagne – die „Theaterritter“-Kampagne getaufte erste „DSA5“-Kampagne – begleitet. Ist mit einer solchen Verzahnung der „Heldenwerk“-Publikationen und „regulären“ Abenteuern auch in Zukunft zu rechnen?

Carolina: Ja und nein. Natürlich wollen wir den Kampagnenspielern die Möglichkeit geben, einige der Abenteuer in „ihre Kampagne“ einzubauen, zum anderen sollen die „Heldenwerk“-Bände auch immer einzeln nutzbar sein. So kann man über die „Heldenwerk“-Reihe auch bestimmte Regionen, wie im aktuellen Fall das Bornland, testweise anspielen und wenn es gefällt, dann vielleicht auch zur Kampagne greifen. Aber das ist natürlich nur ein Angebot. „Die Thorwaler-Trommel“ war in dieser Hinsicht ein erster Testlauf: Da sind die Kampagnenbezüge optional und das Szenario bietet auch ohne die „Theaterritter“ im Hintergrund vollen Spielspaß. Trotzdem wird nicht jedes kommende „Heldenwerk“-Szenario mit einer Publikation verknüpft sein. „Kaiser der Diebe“ beispielsweise ist komplett unabhängig.

Einige Abenteuer werden aber auch eine thematische Nähe zu kommenden Publikationen, wie z. B. den Regionalspielhilfen, haben. Keine Sorge, das heißt nicht, dass man die Regionalspielhilfen für diese Abenteuer braucht, das Regelwerk und der „Almanach“ sollten vollkommen ausreichen. Aber wenn unsere Spieler durch ein „Heldenwerk“-Szenario die Lust auf diese oder jene Region packt, freuen wir uns natürlich.

Das heißt, etwas konkreter gefasst, dass auch „Heldenwerke“ für die Regionen Nostria und Thorwal in Arbeit sind. Die Verbindung wird aber auch hier eine lockere sein.

Ringbote: Damit sind wir auch fast beim nächsten Stichwort: „Lebendige Geschichte“. Einige „Heldenwerk“-Abenteuer greifen bereits Nachrichten aus dem „Aventurischen Boten“ auf und erlauben den Spielern das Erleben solcher Neuigkeiten am eigenen Leib. Andere wiederum stehen nahezu losgelöst von der aventurischen Geschichte. Wohin werden sich die „Heldenwerke“ entwickeln – oder wird weiterhin ein Gleichgewicht zwischen diesen Faktoren angestrebt?

Carolina: Eine Verzahnung mit dem Boten ist natürlich immer willkommen. Ich habe mit meiner Runde neulich „Die Thorwaler-Trommel“ gespielt und da kam es natürlich gut an, als ich an einer bestimmten Stelle im Abenteuer zwei „Aventurische Boten“ auf den Tisch legen konnte und die Spieler einander dann die Festum-Artikel vorgelesen haben, die Daniel Heßler und Niklas Forreiter, die Autoren des „Heldenwerk“-Abenteuers sowie der „Theaterritter“-Kampagne, so fleißig geschrieben haben. Das war ein schöner Moment am Spieltisch, wo uns allen einmal mehr klar wurde, dass diese lebendige Geschichte „DSA“ so besonders macht. Ähnlich war es bei „Die gehäutete Schlange“. Das hat Michael Masberg mit einigen Botenartikeln auch wunderbar vorbereitet. Auch hier ist es uns aber wichtig, dass die lebendige Geschichte als Ergänzung und Bereicherung und nicht als Zwang empfunden wird. Kein „Heldenwerk“ soll vom „Boten“ abhängig sein. Und der „Bote“ nicht von den Heldenwerken. Die Abenteuer sollen auch ohne Kenntnis des „Boten“ spielbar sein. Letztlich sind es unterschiedliche Publikationen. Dass „Bote“ und „Heldenwerk“ bei unseren Abonnenten aber immer zusammen eintrudeln, ist natürlich eine feine und praktische Sache, die wir nicht gänzlich ungenutzt lassen. ;-)

Ringbote: Ich bedanke mich für die freundliche Beantwortung all dieser Fragen und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg mit dem „Aventurischen Boten“ und den „Heldenwerk“-Abenteuern!

Carolina: Danke auch an Dich. Die Arbeit am „Boten“ und an den „Heldenwerken“ macht mir sehr viel Freunde und ich glaube, für die Autoren gilt das ebenso. Daher hoffe ich, dass dieser Enthusiasmus auch für die Leser und Spieler spürbar ist.