INTERVIEW: A. S. Bottlinger

Passend zur Besprechung ihres neuen Fantasy-Romans konnte der Ringbote die Autorin A. S. Bottlinger für ein Interview gewinnen.

von Bernd Perplies

Ringbote: Hallo, Andrea. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.

A. S. Bottlinger: Immer gerne. Ich freue mich auf die Fragen.

RB: Ich schrieb es bereits in meiner Rezension, dass dein Roman, „Der Fluch des Wüstenfeuers“, in mehrerer Hinsicht etwas ungewöhnlich ist. Fangen wir mit dem orientalischen Setting an. Wie kamst du darauf?

ASB: Ich habe Ägyptologie im Nebenfach studiert und freue mich immer, wenn ich eine Gelegenheit bekomme, etwas davon in meine Geschichten einzubauen. Ich wollte es nicht zu offensichtlich machen, deshalb gibt es in dem Roman keine Pyramiden und auch keinen großen Fluss oder Krokodile und Nilpferde. Aber das Setting orientiert sich ein bisschen an der Oase Dachla, die westlich des Nils in der libyschen Wüste liegt. Viele der Charaktere haben außerdem altägyptische Namen beziehungsweise Namen, die aus altägyptischen Worten bestehen. Secham bedeutet zum Beispiel einfach „Herrscher“.

RB: Deine Erzähler sind ausgesprochen präsent während der ganzen Geschichte. Das passt zur Tradition des Erzählens in Geschichten wie „1001 Nacht“. Ist dieser Erzählstil dem Setting geschuldet? Oder warum hast du ihn gewählt?

ASB: Das ist eine etwas komplizierte Geschichte. Bei „Aeternum“ war es so, dass sich ein Leser bei mir über meine Protagonistin Amanda beschwert hat. Von ihrem Weltbild her sei sie die Figur, mit der er sich am ehesten identifizieren könne, aber sie sei eine Frau, und deshalb klappe das mit der Identifikation nicht. Dass so etwas passieren könnte, daran hatte ich vorher gar nicht gedacht. Umgekehrt bin ich es immerhin gewohnt, mich mit männlichen Charakteren zu identifizieren. Die Anzahl der wirklich coolen Frauen in Fantasy und Science Fiction ist dann doch eher begrenzt. Aber vielleicht ist es eine Übungssache, da über die Geschlechtergrenzen hinaus zu denken.

Dazu kommt dann noch, dass Iaret erst im Laufe der Geschichte zu einer gewissen Stärke findet. Ich wollte Iarets Geschichte erzählen, aber ich wollte auch von Anfang an eine starke Identifikationsfigur haben, die zudem Leuten wie dem oben erwähnten Leser das Gefühl gibt, dass der „Fluch des Wüstenfeuers“ auch für sie ist. Daraus hat sich Ahat in seiner Erzähler-Rolle entwickelt. Und da ich das dann schon hatte, dachte ich, ich ziehe es einfach möglichst konsequent durch. Es passt ja tatsächlich sehr gut zum Setting.

RB: Du lädst den Leser in eine orientalische Welt ein, doch statt farbenprächtigen Palästen und weiten Wüsten wirfst du ihn in einen finsteren Kerker, aus dem es auch über weite Strecken kein Entrinnen gibt. Ist das deine Antwort auf die Questenfantasy, die einen praktisch um die halbe Welt führt? Oder warum hast du dich für diese Beschränkung im Raum entschieden?

ASB: Ich wollte einfach mal eine Gefängnisausbruchs-Geschichte erzählen. Die gibt es ja vor allem im Film immer mal wieder, und auch in allen möglichen Genres. Nur in der Fantasy ist es bisher meines Wissens eher selten.

RB: In deinem Roman geht es 367 Seiten lang teilweise recht heftig zur Sache. Mord, Kannibalismus, sexuelle Gewalt (nicht alles explizit, aber doch deutlich genug), dazu Hunger, Krankheit, Wahnsinn und Hoffnungslosigkeit. War es schwierig für dich, über so viel Leid zu schreiben?

ASB: Eigentlich nicht. Es sind ja nur Worte, ich tue niemandem tatsächlich weh. Und ich finde es interessant zu überlegen, wie Menschen in Extremsituationen reagieren würden. Darum geht es ja auch viel in „Der Fluch des Wüstenfeuers“. Wie verändert es einen, wenn man in einer Situation steckt, in der es im Prinzip keine richtigen Entscheidungen zu treffen gibt? Wie viel Moral kann man sich eigentlich bewahren, wenn man um sein Überleben kämpfen muss? Jeder kann nett und freundlich sein, wenn er genug zu essen und ein Dach über dem Kopf hat. Ich wollte meine Charaktere in eine Situation bringen, in der nett und freundlich ein Luxus ist, der einen eventuell teuer zu stehen kommt. Das ganze Leid war dabei nur Mittel zum Zweck.

RB: Am Ende der Geschichte baust du anscheinend eine Hintertür für eine Fortsetzung von „Der Fluch des Wüstenfeuers“ ein. Ich muss gestehen, dass der Roman für mich mit seinem besonderen Stil und Setting ein typisches Einzelwerk ist. Wie siehst du das?

ASB: So eine Hintertür baue ich in jeden Roman ein, nur für den Fall, dass er wider Erwarten unglaublich erfolgreich werden sollte und man mir viel Geld dafür bietet, eine Fortsetzung zu schreiben. ;-) Aber das wäre beim „Fluch des Wüstensfeuers“ tatsächlich eine Herausforderung. Der Roman ist schon als Einzelwerk angelegt.

RB: Letzte Frage: Warum versteckst du dich als Autorin hinter dem gender-neutralen A. S. Bottlinger? Das will für mich nicht zu einem Roman über eine Frau passen, die darum kämpft, sich von der Unterdrückung durch Männer zu befreien und zu Stärke und Unabhängigkeit zu finden. Warum knüpfst du nicht an das an, was du als Andrea Bottlinger bereits erreicht hast?

ASB: Ich hatte bei „Aeternum“ festgestellt, dass ich schneller in die Romantik-Ecke geschoben wurde, als ich „Ja, es gibt eine Liebesgeschichte, aber ich schwöre, sie nimmt weniger Raum ein als z.B. die Liebesgeschichte in ‚Deadpool‘.“ sagen konnte. (Okay, den „Deadpool“-Film gab es damals noch nicht, aber er eignet sich so gut als Beispiel.)

Ich wollte das eigentlich ungern noch mal erleben. Nicht, weil ich eine übermäßige Abneigung gegen Romantik hätte, aber ich schreibe halt keine, und es ist blöd, wenn Leute Erwartungen an meine Romane stellen, die diese nicht erfüllen. Das „A. S.“ ist ein Versuch zu sehen, was passiert, wenn man nicht direkt erkennen kann, dass ich eine Frau bin, denn das scheint die Wurzel des Problems zu sein.

RB: Schon traurig, welche Vorurteile da im Kopf mancher Leser herrschen. Nun, ich hoffe jedenfalls, dass der Roman viele begeisterte Leser findet. Vielen Dank für deine Zeit.

ASB: Vielen Dank!