Hellboy 12: Der Sturm

Obwohl es in Deutschland der zwölfte Band ist, steht „Der Sturm“ für eine Zäsur in der fortlaufenden Geschichte um den höllischen Helden mit der Steinfaust. So endet hier die „mittlere Phase“ Hellboys, die Mike Mignola zusammen mit Zeichner Duncan Fegredo erzählte. Fegredo verlässt das Projekt und auch Hellboys Zeit als einsamer Wanderer und Geschöpf einer apokalyptischen Prophezeiung ist vorbei. Aber fangen wir vorne an …

von Kurt Wagner

 

Schon seit einer ganzen Weile brodelt es im Fabelreich. In „Hellboy 9: Ruf der Finsternis“ und „Hellboy 10: Die Wilde Jagd“ rief der wildschweingesichtige Gruagach, der Rache an Hellboy für eine frühere Schmach üben will, alle Fabelwesen zum Krieg gegen die Menschheit auf, um sie vom Angesicht der Erde zu tilgen. Dazu versuchte er, die Hexenkönigin Nimue wiederzubeleben, die einst von Ihresgleichen zerstückelt wurde. Als es ihm gelingt, weiß diese seine Dienste jedoch nicht zu schätzen. Während sie sich zu einer Kriegsgöttin aufschwingt und dabei die Saat zu noch Schlimmerem in sich trägt, verstößt sie Gruagach, den bloß noch ein Leben im Elend erwartet.

Hellboy dagegen wird von Mab, der letzten Königin der Feen von Irland, dazu auserkoren, sich der Feindin entgegenzustellen und sie zu bezwingen. Bewaffnet mit dem legendären Schwert Excalibur, soll er losziehen, die toten Fürsten von Großbritannien gegen die Monster, die Nimue versammelt hat, zu führen. Doch sein Bauchgefühl sagt ihm, dass er den Job alleine erledigen muss. Und so lässt er das Schwert, seine Freundin Alice und seine Prophezeiung in einer Schänke mitten im Wald zurück und marschiert alleine los, um der Größenwahnsinnigen die Steinfaust überzuziehen.

Was so heiter klingt, ist in Wahrheit ganz großes, episches Kino. Im Finale des „Mythenkriegs um Großbritannien“ fahren Mignola und Fegredo schwere Geschütze auf. Das fühlt man sich stellenweise an die Schlacht um Helms Klamm aus Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Filmadaption erinnert. Und Hellboys Kampf gegen Nimue, der ihm wirklich alles abverlangt, kommt mit dem Gewicht einer Wagner-Oper daher. An dieser Stelle auch zwei Daumen hoch für Zeichner Duncan Fegredo und Kolorist Dave Stewart, die schlichtweg prachtvoll düstere Gemälde des Untergangs und der Zerstörung geschaffen haben. Sie fangen nicht nur den typischen Mignola-Stil mit seinen kantigen Formen und tiefen Schatten ein, sondern haben ihn im Laufe der Zeit auch noch durch zusätzliche Detailfreude verbessert.

Interessanterweise werden in diesem Band auch zahlreiche Querverbindungen zu „B.U.A.P. 10: König der Furcht“ hergestellt. So sieht Hellboy die schrecklichen Ereignisse in Amerika im Fernsehen und überlegt offen, nach seinem aktuellen Kampf in England zur B.U.A.P. zurückzukehren, um Abe Sapien, Liz und den anderen zu helfen, das Ende der Welt zu verhindern – oder zumindest in dem zu überleben, was nach der Katastrophe kommt.

Auch in „Der Sturm“ wird nicht zimperlich mit der Menschheit umgegangen. Während Hellboys Taten und Kämpfe sich oft auf abgelegene Orte beschränkten und ihre Auswirkungen kaum mehr als ein paar Menschen mitbekamen, bricht das titelgebende Unwetter wirklich über ganz Großbritannien herein und legt Dörfer und Städte in Schutt und Asche. Es mögen nur einzelne Panel sein, die zeigen, wie groß dieser Krieg gegen die Horden des Chaos geworden ist, doch genau wie in „B.U.A.P. 10“ gibt es danach kein Zurück mehr. Nun steckt die ganze Menschheit mit in der Misere.

Zahlreiche Cameos, von Merlin über die Baba Jaga bis zu O.S.I.R.I.S., ziehen schöne Verbindungslinien zu früheren „Hellboy“-Comics. Außerdem zeigen sie, dass Hellboy und seine Taten von den ganz Großen im Mythenreich durchaus beobachtet – und teilweise ausgenutzt – werden. Nett ist, dass selbst manch frühere Schurken im Angesicht der Apokalypse bereit sind, dem Roten zu helfen, weil sie das Weltende dann doch nicht wollen – auch wenn sie für ihre Hilfe natürlich einen Preis verlangen.

Wie so oft in den schmucken „Hellboy“-Bänden von Cross Cult, wird auch dieser mit einem Vorwort eingeleitet, und am Ende findet sich ein Sketchbook mit Anmerkungen des Künstlers Fegredo.

Fazit: „Der Sturm“ ist wirklich großes Kino. Den Kampf, den sich Hellboy hier mit seiner „Endgegnerin“ Nimue leistet, ist epische Action vom Feinsten. Allerdings muss man als Leser – das zugegeben schon seit mehreren Bänden – bereit sein, zu akzeptieren, dass Hellboy weniger als Held auftritt, der seines eigenen Glückes Schmied ist. Vielmehr ist er eine brachiale Figur in einem großen Schachspiel der Schicksalsmächte – und so entkommt er dem mythischen Geraune und den Prophezeiungen, die schon vor Ewigkeiten gemacht wurden, nur sehr schwer (bis gar nicht). Das macht ihn eher zu einem epischen Recken aus alter Zeit (vielleicht passend beim Thema der letzten Bände), als zu einem modernen Superhelden. Wen dieser Hauch von „High Fantasy“ nicht stört, findet hier eine Geschichte, die großartig geschrieben und großartig gezeichnet wurde, ein Page-Turner von der ersten bis zur letzten Seite. Ich habe diesen Band jedenfalls verschlungen!


Hellboy 12: Der Sturm
Comic
Mike Mignola, Duncan Fegredo
Cross Cult 2012
ISBN: 978-3-86425-035-4
196 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

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