Hellboy 10: Die Wilde Jagd

Superhelden sind in den letzten Jahren steil im Aufwind. Jedes Jahr kommen neue, leichtverdauliche Popcorn-Events in unsere Kinos, die Kerle in bunten Kampfanzügen, außerirdische „Götter“ und ganz aktuell Galaxiswächter, die wie ein lebendiger Baum und ein Waschbär aussehen, präsentieren. Auch Hellboy war zwischenzeitlich mal ein Kinoheld – wenn auch ein etwas sperriger. Doch in den Comics von Mike Mignola, nicht zuletzt diesem Jubiläumsband, wird er zur regelrecht epischen Gestalt.

von Kurt Wagner

 

In seinen ersten Jahren war Hellboy, der rothäutige Dämon mit der Steinfaust und den abgebrochenen Hörnern noch eine Pulp-Ikone, die Katzen, Pfannkuchen und Zigarren liebte. Gemeinsam mit einem Fischmenschen, einer Pyrokinetin und ein paar anderen schrägen Typen bekämpfte er Hexen, Geister, Altnazis und ähnliche Fieslinge. Doch seit sich der große Rote in „Sieger Wurm“ von der Behörde zur Untersuchung und Abwehr Paranormaler Erscheinungen getrennt hat, ist er auf einem ebenso epischen wie erzählerisch unangepassten Selbstfindungstrip. Prophezeiungen, dass er das Ende der Welt herbeiführt, begleiten ihn auf seinem Weg unters Meer, auf eine einsame Insel und einmal quer durch ein Reich zwischen Leben und Tod.

Schließlich landet er in Italien, wo er bei zwei toten Schwestern unterkommt (Hellboy wie auch Mignola selbst scheinen große Begeisterung für Skelette in modrigen Kleidern zu haben; das Bild kommt häufiger vor). Bei ihnen wird er von einem Boten aufgespürt, der ihm eine Nachricht von OSIRIS überbringt, einem Geheimbund alter Männer, der in England auf ihn wartet. Sie warnen ihn davor, dass das Gleichgewicht der Kräfte in der Welt des Übernatürlichen außer Kontrolle gerät. Das zeigt sich beispielsweise am Auftauchen einer ganzen Sippe von Riesen. Um diese zu bezwingen, laden sie Hellboy auf eine „Wilde Jagd“ ein, der ihre Gruppierung schon seit einer halben Ewigkeit nachgeht, wann immer es nötig ist. Doch wie sich herausstellt, sind gar nicht die Riesen das Ziel der Jagd …

Parallel dazu geht es mit dem wildschweingesichtigen Gruagach weiter, der nach wie vor den Krieg zwischen Fabelwesen und Menschen sucht. Dazu will er die ermordete Hexenkönigin Nimue wiederbeleben. Doch deren Reinkarnation verläuft nicht ganz, wie er es sich vorgestellt hat.

Der Jubiläumband von der „Hellboy“-Reihe hat es wirklich in sich – und dies im doppelten Sinne. Zum einen greift er Story-Elemente aus fast allen früheren „Hellboy“-Bänden auf, sodass man die Geschichte am Besten erst dann zur Hand nimmt, wenn man sich vorher noch mal über den generellen Handlungsbogen und Hellboys frühere Freunde und Feinde informiert hat. Zum anderen begibt sich der Held aus der Hölle in der zweiten Hälfte der Handlung auf eine Reise in seine eigene Vergangenheit, die ziemlich große Erkenntnisse für ihn bereithält.

In einem schönen erzählerischen Zug stellt Mignola Hellboy in diesem Band eine alte Freundin, Alice, die Hellboy einst im Kindesalter vor Feen rettete und die nun erwachsen ist, zur Seite. Mit ihr hat der rote Wanderer nun eine Partnerin, mit der er sich unterhalten kann, die ihm Halt gibt und um die er sich sorgen kann. Nachdem er einige Bücher lang extrem einsam zwischen Traum, Wirklichkeit, Fabelreich und Totenreich unterwegs war, tut dieser Ansatz von Gemeinschaft sowohl der Figur als auch dem Leser gut, denn Alice bringt zumindest einen Hauch von Normalität in die Geschichte, ist sozusagen ein Realitätsanker inmitten des Wahnsinns, den Hellboy erlebt.

Visuell bleibt mit Duncan Fegredo am Zeichenstift alles beim Alten. Sperrige Figuren, triste Landschaften, von Spinnenweben verhangene Gemäuer und blasse Zauberreiche füllen die Handlung. In der Farbpalette beherrschen weiterhin Grau, Braun, Dunkelblau und Schwarz die Seiten, nur durchbrochen vom intensiven Rot Hellboys und einzelner Momente des blutigen Exzesses. Das passt zu einer Welt an der Schwelle der Finsternis, macht den Comic aber gleichzeitig zu einem Werk, das den Leser kaum ein Panel lang aufatmen lässt. Nur ganz kurz, gegen Ende, ist eine Szene angesiedelt, die so richtig anrührt. Und dort darf auch kurz mal blassblauer Himmel aufblitzen.

Ein Sketchbook von Duncan Fegredo und ein Interview mit Mike Mignola zu 10 Ausgaben (20 Jahren) „Hellboy“ runden das Werk ab.

Fazit: Die „Hellboy“-Abenteuer bleiben eine Comic-Reihe für Genre-Liebhaber. Außergewöhnlich erzählt und außergewöhnlich gezeichnet, mögen sie manchem Fan von Mainstream-Superhelden zu schwer verdaulich sein. Aber wer komplexe Geschichten mag, die hemmungslos in der Welt der Mythen und Sagen wildern, sollte sich die epische Reise des furchtlosen Steinfaustschwingers nicht entgehen lassen.


Hellboy 10: Die Wilde Jagd
Comic
Mike Mignola, Duncan Fegredo
Cross Cult 2010
ISBN: 978-3-941248-81-6
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

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