von Reinhard Kotz
Die vorliegende Ausgabe ist nicht nur ein Comic, sondern vielmehr das Ergebnis eines Projekts, an dem zahlreiche namhafte und talentierte Künstler und Texter mitgearbeitet haben. Vorgaben gab es nahezu keine, außer dass es sich um eine Geschichte aus dem „HALO“-Universum handeln sollte. Daher konnte jeder Künstler seine Ideen so umsetzen, wie er es wollte. Als Ergebnis kam eine 128 Seiten dicke Comic-Anthologie mit vier Geschichten heraus, die sowohl inhaltlich als auch graphisch unterschiedlicher kaum sein könnten. Die einzelnen Geschichten werden dabei stets durch kurze Anmerkungen der Künstler ergänzt, sodass der Leser noch zusätzliche Informationen über die Entstehungsweise und die Absicht der Geschichte erhält. Angerundet wird der Comic noch von einer 28 Seiten umfassenden Galerie, die zahlreiche ganzseitige Bilder aus dem „HALO“-Universum beinhaltet.
Doch nun zu den einzelnen Geschichten:
„Die letzte Reise der Infinte Succor“ ist mit 50 Seiten die längste und tiefgründigste Geschichte. Ein Raumschiff der Allianz treibt führungslos durch das All. Ein Trupp von Elitesoldaten der Flood soll sich das Ganze einmal einschauen, und natürlich geht es an Bord des Schiffes heiß her. Interessant ist dabei, dass die Hauptfigur der Geschichte kein Mensch ist, sondern ein Commander der Flood. Die Floods sind eine gefährliche außerirdische Rasse, deren Mitglieder sich in den Computerspielen den (unbegründeten) Ruf vom „hirnlosen Zombies“ erworben haben. Mit diesem Vorurteil wird hier kräftig aufgeräumt, denn der Leser erhält interessante Einblicke in die Mentalität der Flood. Dabei wird nicht nur ihr brutales Wesen dargestellt, sondern auch ihr hoch entwickeltes Militärsystem sowie die Funktionsweise der Allianz. Da hier nützliche Informationen in eine spannende Geschichte gepackt werden, handelt es sich um die beste Geschichte im Buch.
Bei „Rüstungstest“ ist der Name Programm, denn ein Spartaner-Soldat soll eine neu entwickelte Rüstung testen und muss dazu verschiedene Tests durchlaufen. Mehr als eine Aneinanderreihung von Kämpfen, verteilt auf insgesamt 14 Seiten, wird hier nicht geboten. Auch die kleine Pointe am Schluss (Der Spartaner ist… ups, fast verraten) vermag die langweilige und oberflächliche Geschichte nicht zu retten.
„Ausbruch aus der Quarantäne“ (13 Seiten) ist hingegen die originellste Geschichte des Buches. Inhaltlich wird hier zwar nur die Flucht eines Sergeants vor den Flood behandelt, diese wird aber brillant umgesetzt. Denn die Geschichte kommt ohne ein einziges Wort aus! Der sehr realistische, zugleich aber auch nebulöse Zeichenstil passt perfekt zum Inhalt und weiß in jeder Hinsicht zu überzeugen.
In „Zweiter Sonnenaufgang über New Mombasa“ (Seiten 14) wird inhaltlich der Überfall der Allianz (Flood) auf die Stadt New Mombasa behandelt, durch den der Krieg mit den Außerirdischen erst ins Rollen kam. Da gerade der Anfang der Geschichte sehr textlastig ist, wird dem Leser hier reichlich Hintergrundwissen geboten. Leider aber ist der Zeichenstil zu schlicht und erinnert (einen Laien wie mich) sogar phasenweise an die „Simpsons“, sodass trotz der guten Ansätze ein fader Beigeschmack übrig bleibt.
Da die Comic-Anthologie eine gute lange Geschichte beinhaltet und auch von den drei Kurzgeschichten zumindest eine sehr positiv hervorsticht, kann das Konzept unter dem Strich als gelungen angesehen werden. Die Analogie beleuchtet unterschiedliche Facetten des „HALO“-Universums und bietet neben etwas Hintergrundmaterial zumindest kurzweilige Unterhaltung.
Fazit: Auch wenn „HALO Graphic Novel“ über große Teile zu gefallen weiß, ist es doch kein Comic, den man unbedingt gelesen haben muss. „HALO“-Interessierte können sich die Anschaffung aber überlegen. Sie lernen hier unterschiedliche Facetten „ihres“ Universums kennen, und es wird einiges an Hintergrundinformationen geboten.
HALO Graphic Novel
Comic-Anthologie
Lorraine McLees, Jay Faerber, Lee Hammock u. a.
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-480-4
128 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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