von Morgath
Dorian Gray ist ein Bild von einem Mann! Ein Adonis! Ein Schönling! Ein Objekt der Begierde! Ein Traummann! Ein Mann, wie es ein jeder Mann gern wäre. Ein Mann, wie ihn sich eine jede Frau wünscht. Wegen seiner Schönheit und seiner Jugend liegt ihm die ganze Welt zu Füßen. Mit seinen etwa 20 Jahren ist er noch unverdorben, doch dies soll sich bald ändern. Als er sich im Atelier seines Freundes Basil porträtieren lässt, lernt er Lord Henry kennen, einem Mann, der im Grund ein anständiger (Ehe-)Mann ist, dessen Worte aber das süße Gift der Versuchung verspritzen. Er predigt Dorian, dass seine Schönheit und Jugend vergänglich seien und er sein Leben genießen solle, solange ihm seine Siege noch leicht zufallen. Als Dorian unter dem verwirrten Eindruck dieser Worte sein Porträt betrachtet, empfindet er Neid auf das Bild. Denn während er von nun an mit jeder Sekunde altert, wird das zeitlose Bild seine Schönheit für die Ewigkeit festhalten und nie altern. Er wünscht sich daher, dass es umgekehrt wäre, und würde hierfür seine Seele geben.
Sein Wunsch geht auf ungeklärte Art und Weise in Erfüllung! Seitdem durchläuft Dorian keine körperlichen Veränderungen mehr, dafür umso mehr eine geistige. Unter dem Einfluss von Lord Henry, der zu seinem besten Freund wird, gibt sich Dorian ohne moralische Einschränkung dem Vergnügen hin. Schon bald pflastern gebrochene Herzen, entehrte Menschen und sogar der Selbstmord seiner Verlobten seinen Weg in die Untiefen der menschlichen Seele. Doch schließlich kommt der Tag, an dem er nach Jahren wieder einen Blick auf sein Porträt wird. Ein Anblick, den er nie vergessen wird, denn jede Tat spiegelt sich auf dem Gesicht des Täters wieder...
„Das Bildnis des Dorian Gray“ ist ein bemerkenswertes Buch, das bereits bei seinem Erscheinen im Jahre 1891 für Furore sorgte. Das Werk thematisiert die Moral des Vergnügens – ein Thema, das im puritanischen England ein Stein des Anstoßes war. Obwohl der Autor selten ins Detail geht und zahlreiche menschliche Laster nur andeutet, legt er den Finger in die Wunden der Tugend. Durch die scharfsinnige Sprache, die gespickt von tiefsinnigen Widersprüchen ist, ist das Buch nicht nur das pure Lesevergnügen, sondern auch eine gefährliche Philosophie, die schon Generationen von Jugend verdorben beziehungsweise gerettet hat.
Das Hörspiel hält sich, wenn auch etwas gekürzt., so doch im Wesentlichen an das Original. Die Kürzungen betreffen lediglich redundante Stellen, in denen sich der Autor – eine echter Lebemann und Dandy – beispielsweise über die unterschiedlichen Düfte von Parfüms oder die Farben von Kleidungsstücken ausließ. Diese Details mögen für den damaligen Mann von Welt natürlich nicht ganz unwichtig gewesen sein, der Mann von heute dürfte für derartige Hinweise aber nur wenig Verwendung haben. Änderungen und Modernisierungen wurden nur sehr zurückhalten vorgenommen (was gibt es bei einem zeitlosen Werk auch zu modernisieren?), lediglich die Homosexualität, welche im Original bestenfalls zu erahnen war (sie war damals unter Strafe gestellt und der Autor wurde deswegen später zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt), wurde beim Wort genannt.
Insgesamt wird der brillante Stoff gut umgesetzt. Die Sprecher sind wohlweislich gewählt und passen bestens zu den Personen, denen sie ihre Stimme geben. Auch die gelegentliche musikalische Untermalung ist hervorragend gewählt. Zwar vermag ich nicht zu sagen, was das Werk in einer Gruselreihe verloren hat, jedoch hat diese Einstufung keine Auswirkung auf die inhaltliche Qualität.
Fazit: Brillant! Kaufen! Hören! Und ein unanständiger, aber glücklicher Mensch werden ...
Gruselkabinett 36/37: Das Bildnis des Dorian Gray
Hörspiel nach einer Erzählung von Oscar Wilde
Stephan Bosenius & Marc Gruppe
Lübbe Audio/Titania Medien 2009
ISBN: 978-3-7857-4333-1 (CD1) / 978-3-7857-4334-8 (CD2)
2 CDs, 152 min., deutsch
Preis: EUR 17,99
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