George R. R. Martins Im Haus des Wurms

Als Schöpfer von „Das Lied von Eis und Feuer“ ist Autor George R.R. Martin in den letzten Jahren berühmt geworden. Doch schon in den 1970ern und 1980ern, Jahre vor seinem Epos um die streitenden Häuser von Westeros, war Martin als vielseitiger Phantastik-Autor unterwegs. Mit seinen Kurzgeschichten und Novellen gewann er zahlreiche Preise. Eine dieser Novellen liegt nun bei Panini Comics als Bildergeschichten-Adaption vor.

von Kurt Wagner

Die Novelle „In the House of the Worm“ wurde 1976 erstmals publiziert. Auf Deutsch kam sie 1985 als Titelstory der GRRM-Anthologie „Im Haus des Wurms“ heraus. Als wichtige Inspiration dieser Erzählung zwischen Fantasy und Science Fiction – übrigens eine Genre-Mischung, die in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts viel populärer war als heute – gilt Autor Jack Vance, einer der Lieblingsschreiber aus Martins Kindheit und Jugend.

„Im Haus des Wurms“ gibt uns einen Einblick in eine fremdartige, dekadente Welt, die im Untergrund eines vergessenen Planeten existiert, der scheinbar eine sterbende Sonne umkreist. Man lebt von Pilzen, Würmern und dem Fleisch der fremdartigen Groun, und die Edlen der Gesellschaft, die sich „Kinder des Wurms“ nennen, feiern in wilden Orgien ihren eigenen Niedergang als Zivilisation. Auf einer dieser Feiern werden der junge Annelyn und seine Freunde vom grobschlächtigen Einsiedler und Groun-Jäger Fleischbringer beleidigt. Um sich an diesem zu rächen, dringen sie in die Tiefe vor, in die sich kaum ein Mensch jemals wagt. Doch im Kampf wird Annelyn von seinen Freunden getrennt und verirrt sich in den labyrinthischen Stollen dieser Welt jenseits des Lichts. Dabei macht er eine grauenvolle Entdeckung.

Die auf 108 Seiten geschilderte Geschichte ist an sich nicht sonderlich komplex. Es geht um einen Mann, seine Rache und eine wundersame Odyssee. Das ist gradlinig erzählt, ohne Rückblenden oder Parallelhandlungen. Spannend macht die Geschichte das außergewöhnliche Setting. Die bizarre Gesellschaft der Kinder des Wurms weckt beim Leser ebenso morbide Faszination wie die Geheimnisse, die in einer fernen Vergangenheit liegen und deren Spuren sich in der Tiefe verbergen. Leider sind diese Rätsel, die sich Stück für Stück enthüllen, nicht nur eine Stärke des Comics, sondern auch seine Schwäche. Ich vermag nicht zu sagen, wie viel bei der Adaption von Novelle zur Bildergeschichte an Informationen verloren ging, aber gerade im letzten Drittel der Erzählung wird viel gezeigt, das dem Leser letztlich so mysteriös bleibt wie dem Protagonisten Annelyn. Man kann sich zwar ein paar Dinge zusammenreimen, doch was es genau mit Menschenwürmern, Groun und Meisterwandlern auf sich hat, wie sie zusammengehören oder eben nicht, bleibt offen. Auch der Ursprung von Fleischbringer und sein Monolog über das Dritte Volk irritieren eher, als für Klarheit zu sorgen. Mit diesem Umstand, dass viel angedeutet wird, aber wenig Antworten gegeben werden, muss man als Leser leben.

Extrem stimmungsvoll sind die Illustrationen. Schon das Cover mit der leicht bekleideten Schönen, die vor dem gewaltigen Glutball einer sterbenden Sonne tanzt, während im Hintergrund dunkle Ruinen aus einer toten Felslandschaft ragen, bereitet auf die Atmosphäre zwischen den Klappendeckeln großartig vor. Die Zeichnungen von Ivan Rodriguez sind gute Durchschnittsware. Die ganzseitigen Panels sehen meist toll aus, der Rest bleibt zweckmäßig in Detailfülle und anatomischer Eleganz. Wirklich sehenswert wird das Ganze durch die Kolorierung. Die sterbende Sonne, die glühende Unterwelt, giftig schillernde Würmer und immer wieder Lichteffekte von Fackeln und Streichhölzern sorgen für eine außergewöhnliche, düstere Farbenpracht. Hier wurde tolle Arbeit geleistet, die maßgeblich zum Vergnügen des Comics beiträgt.

Eine Covergalerie rundet den Comic ab.

Fazit: „Im Haus des Wurms“ präsentiert eine fantastische und visuell opulente Welt in den Tiefen eines toten Planeten. Die Geschichte um einen rachsüchtigen jungen Edlen, den es in die unheimlichen Abgründe unter seiner Heimat verschlägt, vermag den Leser zu bannen, gerade weil es hinter jeder Ecke neue Geheimnisse zu entdecken gibt. Man wünschte sich nur, etwas mehr Antworten auf die Rätsel zu erhalten, die im Laufe der Handlung zutage treten. Und der Preis könnte – angesichts der Seitenzahl – zwei Euro niedriger sein. Unterm Strich eine Empfehlung! Diese Welt würde man gerne besser kennenlernen.


George R. R. Martins Im Haus des Wurms
Comic
George R.R. Martin, John J. Miller, Ivan Rodriguez
Panini Comics 2015
ISBN: 987-3-95798-518-7
108 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,99

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