Gabriel Burns 08: Nebelsee

Die Aufgabe, welche sich Jana Heseltine und Noel Rubinek gestellt haben, könnte weiß Gott einfacher sein: Durch eine gründliche Reparatur der Zufahrtswege und des Geländes um den See wollen sie die kleine, verschlafene Ortschaft Desmond für den Tourismus attraktiver gestalten und ihrem heimischen Fleckchen Erde somit ein wenig mehr Bedeutung verschaffen. Schade nur, dass der Geist des Sees das ungern sieht...

von Christian Humberg

 

Abbitte leisten ist angebracht

Zugegeben, das war jetzt sehr flapsig formuliert. Wer die „Gabriel Burns“-Rezensionen auf dem Ringboten regelmäßig liest, weiß aber ohnehin, wie sehr ich dieser brillianten Hörspielserie verfallen bin – da sei ein wenig Humor erlaubt. Fakt ist nämlich (natürlich?) auch in der achten Folge wieder: „Gabriel Burns“ drückt genau die richtigen Knöpfe, um seinen Hörern eine gruselige Stunde zu verschaffen.

Und das liegt vor allem an der Atmosphäre der vorliegenden Geschichte. Wenn Jana Heseltine nach der Arbeit am See mysteriöse rote Striemen an ihren Armen entdeckt, ist dies zwar schon seltsam und auch ein wenig bedrohlich, tauchen ebendiese ... Handabdrücke? ... aber kurze Zeit später auch auf dem Bauch der schwangeren Nachbarin auf, besteht ganz klar Handlungsbedarf. Praktischerweise ist Janas Vater Stephen Burns‘ Verleger (und sie seine Exfreundin), von daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass Stephen das von Bakerman aus Sicherheitsgründen über seine Mitarbeiter verhängte Ausgehverbot ignoriert und sich schnurstracks auf nach Desmond macht. Schnell erkennt er, dass der trübe, verwucherte See Ausgangspunkt aller Gefahr zu sein scheint...

Ein Stand-Alone mit Zwischentönen

Dies ist wieder mal eine Folge, die auch der Gelegenheits- oder gar Neuhörer ungefährdet genießen kann, sofern er nichts gegen gepflegten Grusel einzuwenden hat. Etwaige Vorkenntnisse zur bisherigen Historie des Burnsiversums sind nur rudimentär von Nutzen (Warum besteht Bakermans Ausgangssperre? Worauf verweist das unheimliche Dröhnen, das Stephen am Boden des Sees zu hören glaubt?) und bieten den Wissenden zwar interessante Neuniformationen und ordentlich was zum Nachdenken, sind aber so beiläufig in den Erzählfluss eingestreut, dass auch Otto Normalhörer der eigentlichen Handlung von „Nebelsee“ problemlos folgen kann.

Klangtechnisch gesehen rangiert auch diese Episode wieder auf höchstem Niveau. Das ist wahres Kopfkino, was uns Universal hier regelmäßig präsentiert. Neben den Stammsprechern um Jürgen Kluckert und Bernd Vollbrecht darf sich auch „Papa Heseltine“ Engelbert von Nordhausen mal über richtig viel Text freuen, und Dauer-Nebenrollen-Sprecher Timmo Niesner hat als Noel Rubinek auch mal eine wirklich tragende Rolle bekommen.

Raimon Webers Script schlägt in „Nebelsee“ deutlich subtilere Töne an. Statt der großen Schockmomente bekommt der Hörer eher subtilen Grusel geliefert, der sich allerdings, dies sei gleich verraten, in bester Burns-Manier zum Teil wieder in offenen Enden ergeht und einige Rätsel zur späteren Verwendung ungeklärt lässt. Stammhörer kennen (und ‚hassen‘) dies zur Genüge. Wie all diese losen Enden eines fernen Tages ein stimmiges Gesamtbild geben sollen, wissen wohl nur die Autoren. Zumindest hoffe ich das, für uns alle.

Fazit: Nebel, Einsamkeit, Stille. Nur das leise Plätschern des Windes an der Oberfläche des ansonsten ruhigen Sees. Doch die Idylle trügt. Der See scheint Opfer zu sich zu rufen, welche dort in der Einöde qualvoll ertrinken. Gelingt es Stephen Burns, den Spuk zu beenden? Dieser angenehm subtil arbeitende Ausflug ins Burnsiversum versteht es, als Einzelepisode zu funktionieren, ohne Stammhörern die üblichen Hinweise auf den „großen roten Faden“ vorzuentahlten. Schlauer ist man nach „Nebelsee“ zwar auch nicht, aber abermals bestens unterhalten.


Gabriel Burns 08: Nebelsee
Volker Sassenberg, Raimon Weber
Universal 2005
ISBN: B0002U8OWO
CD, 61 min., deutsch
Preis: EUR 6,99

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