Eldritch Horror

Wir schreiben das Jahr 1926, die Welt steht am Abgrund. Ein uraltes Wesen regt sich in seinem äonenalten Schlaf und bringt Wahnsinn und Verderben über die Menschen. Nur eine Handvoll mutiger Ermittler ist bereit, sich dem Grauen zu stellen, seine Mysterien zu ergründen und den Großen Alten schließlich zu bannen. Dazu reisen sie um den ganzen Globus, schließen Tore in andere Dimensionen, bekämpfen Albtraumwesen und versuchen das Rätsel zu lösen, bevor es zum Schlimmsten kommt.

von Frank Stein

„Eldritch Horror“ ist ein kooperatives Abenteuerspiel für 1 bis 8 Personen. Dass Name und Aufmachung Kenner cthuloider Brettspiele an den Klassiker „Arkham Horror“ erinnern, kommt nicht von ungefähr. „Eldritch Horror“ ist von selbigem inspiriert und weist viele Ähnlichkeiten auf, bloß dass die Ermittler hier um die ganze Welt reisen, statt von Stadtviertel zu Stadtviertel innerhalb der von Autor H. P. Lovecraft für seinen Cthulhu-Mythos erfundenen Stadt Arkham. Wer daher „Arkham Horror“ kennt, dem wird der Einstieg in diesen Ableger des „Akham Horror“-Spieleuniversums von Fantasy Flight Games und dem Heidelberger Spieleverlag nicht schwer fallen.

Genau wie bei „Arkham Horror“ wählt man zu Beginn einer Partie einen Großen Alten als Gegner aus und jeder Spieler nimmt sich einen Ermittler. In „Eldritch Horror“ sind mit Cthulhu, Azathoth, Yog-Sothoth und Shub-Niggurath vier namhafte Ungeheuer im Angebot, denen man mit zwölf verschiedenen Ermittlern Paroli bieten kann. Die Ermittler stammen aus den „Arkham Horror“-Erweiterungen, etwa Jazz-Trompeter Jim Culver oder Medium Jacqueline Fine aus „Das Grauen von Dunwich“, bekommen hier aber natürlich neue Spielwerte. Danach wird das Spielbrett aufgebaut, eine Unmenge an Markern will sortiert werden und es gilt, 13 verschiedene Kartenarten vorzubereiten. Der kluge Veteran bereitet das mit einem Stapel Zip-Beuteln vor.

Eine sehr nette Idee bei „Eldritch Horror“ war es, das Regelwerk zu verschlanken. Oft traut man sich ja kaum an ein FFG-Spiel heran, weil man vorher scheinbar 35 Seiten Regeln wälzen muss. Diesmal sind es nur 16, obwohl trotzdem nicht auf diverse Beispiele und eine Einleitung plus Spielinhaltübersicht verzichtet wurde. Dazu gesellt sich für den Einsatz während des Spiels ein 16-seitiges „Lexikon“, in dem man schnell alle relevanten Mechanismen nachschlagen kann, wenn man eine Frage im Spiel hat. Gelungen ist auch die Kurzübersicht auf der Rückseite des Lexikons.

Ein Spielzug besteht aus drei Phasen, wovon zumindest die ersten beiden reihum abgehandelt werden. Zunächst hat jeder Spieler in der Aktionsphase zwei Aktionen. Als Aktion kann er beispielsweise von einem Ort zum nächsten reisen, er kann sich ausruhen, Ausrüstung mit Mitspielern tauschen, Ausrüstung erwerben oder schlichtweg eine Fähigkeit auf einer Karte nutzen, die mit „Aktion“ betitelt ist. In der Begegnungsphase muss sich jeder Spieler allen Monstern stellen, die auf dem Feld liegen, auf dem er aktuell steht. Danach hat er entweder eine Standort-Begegnung (entweder passend zu einer der neun Weltstädte, die man bereisen kann, oder „allgemein“) oder er hat eine Marker-Begegnung, wenn sich auf dem Feld ein offenes Dimensionstor, ein Hinweismarker oder ein Expeditionsmarker befindet.

Kämpfe und Begegnungen erfordern häufig Proben von den Spielern. Zu diesem Zweck besitzen die Ermittler gleich fünf verschiedene Talentwerte (Wissen, Einfluss, Wahrnehmung, Stärke und Willenskraft). Der Zahlenwert gibt die Anzahl an sechsseitigen Würfeln an, die man im Rahmen einer Probe werfen darf. Jede Fünf oder Sechs ist ein Erfolg. Oft genügt ein Erfolg, manchmal braucht man aber auch mehr. Ereigniskarten, Ausrüstung, Monster und mehr können die Werte modifizieren.

Die dritte Phase schließlich ist die Mythosphase, in der einem das Spiel Probleme entgegenwirft. So können zahlreiche negative Effekte ausgelöst werden, wenn Monster, Ausrüstung oder Zustandskarten kleine „Rache“-Symbole aufweisen. Dimensionstore reißen auf, Monster erscheinen und vor allem wird der Vorzeichenmarker weiterbewegt. Der Vorzeichenmarker wandert „am Himmel“ durch drei Sternkonstellationen, die jeweils Symbolen auf offenen Dimensionstoren entsprechen. Für jedes passende Tor wird der Verderbensmarker, der als Timer bis zum Spielende dient, auf einer Leiste Richtung Null bewegt. Kommt er dort an, erwacht der Große Alte, was zwar nicht zwingend bedeutet, dass die Spieler verloren haben, einen Sieg jedoch sehr unwahrscheinlich macht.

Wie so viele FFG-Spiele, ist auch „Eldritch Horror“ extrem modular aufgebaut, sodass ein hoher Wiederspielwert gegeben ist. Man kann sich mit vier Großen Alten messen, die merklich andere Spielbedingungen mit sich bringen, und unterschiedliche Ermittler ausprobieren, die unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich machen. Der Mythoskartenstapel wird vor jeder Partie zufällig zusammengestellt, ebenso sorgen die zahlreichen Begegnungskarten, Ausrüstungskarten und Zustandskarten für Abwechslung. Natürlich ändert sich das Spiel dadurch nicht grundsätzlich. Aber das ist je bei keinem Brettspiel der Fall.

Übrigens ist auch die Solo-Variante absolut spielbar. Es werden zwar ein paar Karten aussortiert, aber am Prinzip ändert sich nichts. Der Schwierigkeitsgrad wird bloß darüber skaliert, wie viele Tore in der Mythosphase aufgehen, wie viele Monster erscheinen und wie viele Hinweismarker. Da diese Werte übrigens für jeweils beide Seiten der vier Übersichtskarten (für 1&2, 3&4, 5&6 sowie 7&8 Spieler) gleich sind, ist „Eldritch Horror“ mit einer geraden Anzahl Spieler marginal leichter, als mit einer ungeraden!

Das Spielmaterial ist wie immer bei Fantasy Flight Games beziehungsweise dem Heidelberger Spieleverlag hochwertig. Stabile Pappmarker, ein riesiges Spielbrett und zahlreiche, atmosphärisch illustrierte Spielkarten sorgen für Atmosphäre am Tisch. Die zahlreichen Fluff-Texte liest man zwar irgendwann nicht mehr, aber wer sich drauf einlässt, bekommt noch eine Extraschippe Gruselstimmung dazu.

Zum Abschluss noch ein Wort an „Arkham Horror“-Veteranen: „Eldritch Horror“ fühlt sich wirklich sehr ähnlich an. Im Detail unterscheiden sich die Spielmechanismen, doch das Konzept beider Spiele weist eine Menge Parallelen auf. Gefühlt spielt sich „Elditch Horror“ etwas schneller, weil Aspekte wie das Schließen von Toren und das Einkaufen von Ausrüstung abstrakter gelöst werden. Man hat beispielsweise kein Geld mehr, sondern „kauft“ mit einer Einfluss-Probe ein. Außerdem ist das Schließen von Toren nur noch eine Frage einer etwas komplexeren Begegnung. Das heißt aber gleichzeitig, dass das Spiel auch härter ist. Der Mechanismus lässt sich schwieriger hinhalten, als der von „Arkham Horror“. Also wenn man nicht Gas gibt bei seinen Ermittlungen, hat man bemerkenswert schnell verloren.

Fazit: „Eldritch Horror“ ist ein unterhaltsames, abwechslungsreiches Abenteuerspiel für Leute, die es gerne kooperativ halten. Bei großen Gruppen geht ein wenig die Übersicht verloren, wodurch das Spiel sehr schwer wird. Erfolgreicher bezwingt man es mit Gruppen bis vier Leute. So oder so muss man leidensfähig sein, denn „Eldritch Horror“ ist sehr schnell vorbei, wenn man nicht aufpasst. Aufbaustrategen sind hier fehl am Platz. Man muss sich wirklich schnell und dennoch planvoll ins Geschehen stürzen, wenn man das Spiel besiegen will. „Arkham Horror“-Veteranen müssen sich überlegen, ob sie sich das sehr ähnliche Spiel zulegen wollen.


Eldritch Horror
Brettspiel für 1 bis 8 Spieler
Corey Konieczka, Nikki Valens u.a.
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2014
EAN: 4015566020603
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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