Earthdawn 4 – Spielleiterhandbuch

Mit der vierten Edition wurde „Earthdawn“ neu aufgelegt und einem neuen „Spielerhandbuch“ versehen. Dieses gab den Spielern und Spielleiter das aktualisierte Regelwerk und die Erschaffung von Charakteren an die Hand. Dazu fanden sich erste, kurze Hintergrundinformationen. Mit dem „Spielleiterhandbuch“ folgt nun eine Mischung aus Weltbeschreibung, Geschichtszusammenfassung, vielen Regeltipps oder -ergänzungen für den Spielleiter sowie ein umfangreiches Monsterhandbuch.

von Ansgar Imme

Mit dem „Spielerhandbuch“ begann Ulisses Spiele die vierte Edition von „Earthdawn“ und brachte – neben einem Einstiegsabenteuer – als erste Ergänzung diesen Hardcoverband für den „Spielleiter“ auf den Markt. Vor fast 30 Jahren erschienen, hat das High-Fantasy-Rollenspiel bis heute seine Fans, auch wenn die Verbreitung gefühlt etwas abgenommen hat. Wie schon das „Spielerhandbuch“ ist auch das „Spielleiterhandbuch“ auf 320 Seiten im selben Layout beschrieben: schwarz-weiß beziehungsweise grau gehalten, wenige und nicht mehr zur heutigen Zeit passende Illustrationen, oft lange Textwüsten.

Nach einer kurzen Einleitung wird auf etwa 20 Seiten die Geschichte Barsaives ausführlich ausgebreitet. Barsaive ist die zum Rollenspiel zugehörige Welt und ermöglicht fast jedem Bewohner wenigstens einfache magische Fähigkeiten. Auch ansonsten ist die Magie in der Welt allgegenwärtig, verändert sich aber immer wieder in Zyklen und wird stärker oder schwächer. Die Geschichtsschreibung beginnt etwa 2000 Jahre vor der Zeit, in der die Abenteuer „Earthdawns“ heute spielen. Es wird geschildert, wie der einfache Kauf von durch Menschen gebauter Schiffe durch eine Elfenstadt Ereignisse in Gang setzt, die bis heute durch ihre weiteren Folgen nachwirken. Das Theranische Imperium entsteht und unterjocht die meisten Reiche Barsaives.

Als sich die prophezeite Plage um Dämonenscharen zeitlich nähert, beginnen die Völker unter der Erde ihre neuen Heimaten zu gründen. Mit der Rückkehr an die Oberfläche nach Jahrhunderten finden sie teilweise verheerte Lande vor. Das Theranische Imperium versucht, seine Länder wieder unter Kontrolle zu bringen, doch die Völker und Provinzen Barsaives erheben sich gegen die Aggressoren. Es kommt zu einer großen Schlacht, aus der beide Seiten schwer angeschlagen hervorgehen. Die 2000 Jahre Geschichte sind spannend geschrieben und bieten grundsätzlich auch für die viele Jahre später spielende Zeit etliche Ideen, aus denen sich Abenteuer um Geheimnisse vergangener Zeiten entwickeln lassen. Hier wären direkte Vorschläge noch hilfreicher gewesen, um schnell Anknüpfungspunkte herzustellen. Ebenso hätte man die Zeitleiste besser strukturieren können, die in einzelnen Abschnitten oft nicht zu den Seiten passend die Geschichte begleitet.

Das Folgekapitel beschreibt Barsaive mit seinen verschiedenen Gegenden, Städten und Kulturen. Hier finden sich aber auch Informationen zum Klima, den verschiedenen Kalendern und Zeitrechnungen und den dort lebenden Rassen. Die drei großen Regionen werden genauer beschrieben, vor allem das zwergische Königreich Throal als stärkster Widerpart der Theraner. Dazu gibt es Beschreibungen wichtiger Orte und Mächte wie den elfischen Blutwald, die Orknation Cara Fahd oder abgelegene Städte, die eine besondere Macht darstellen. Die Beschreibungen bieten einen ersten, guten Einblick und ergänzende Hintergründe zur Geschichtsschreibung, sind aber viel zu knapp bemessen. Hier hätte eine nur wenig ausführlichere Beschreibung noch viele hilfreiche Hinweise zur Umsetzung im Spiel liefern können. Zudem wären auch hier Abenteuerideen passend gewesen, die dem Spielleiter helfen, unterschiedliche und zu den Regionen passende Szenarien und Abenteuer zu entwerfen.

Die beiden folgenden Abschnitte erläutern Unterstützung für den Spielleiter sowie den Entwurf von Abenteuern und Kampagnen. Dabei handelt es sich vor allem um allgemeine Richtlinien für den Spielleiter wie den Umgang mit Würfeln, das Ziel des Rollenspiels oder den Aufbau von Geschichten, Nur wenige Passagen davon sind wirklich spezifisch für „Earthdawn“ wie einige allgemeine Abenteuerideen, Arten von Kampagnen bei „Earthdawn“ sowie der Umgang mit Legendenpunkten. Ansonsten sind die Texte so allgemein, dass sie auch in jedem Rollenspiel auftauchen könnten. Diese rund 30 Seiten hätte man wesentlich sinnvoller nutzen können (oder den Platz für anderen sparen können), zudem auch nichts Neues zu erfahren ist.

Reisen und Begegnungen stehen in den nächsten beiden Kapiteln im Mittelpunkt. Durch die großen Distanzen Barsaives bietet es sich an, die Arten und Dauern von Reisen zu spezifizieren. Neben wieder sehr vielen allgemeinen Beschreibungen, die nichtssagend sind und weder Spieler noch Spielleiter helfen, finden sich aber wenigstens auch einige Ausführungen zu den Besonderheiten „Earthdawns“, wie das Reisen mit einem Luftschiff, unter der Erde und die Besonderheiten der Kaers, der unterirdischen Zufluchten während der Plage. Im Gegensatz zu den nichtssagenden Beschreibungen zu Beginn wäre es hier sinnvoll gewesen, mehr Platz für diese Texte aufzuwenden. Die Begegnungen zeigen vor allem Regelvorschläge zur Lösung sozialer Interaktionen vor, sofern diese nicht rollenspielerisch gelöst werden sollen. Für Gruppen, die das lieber mit Würfeln simulieren, stellt dies eine gute und nicht zu komplizierte Lösung dar.

Teilweise ergänzend zu den beiden vorangegangenen Teilen, aber auch als kleine Sammlung spezieller Regeln, liest sich der nachfolgende Teil. Hier geht es um den Zweck von Mindestwürfen, den Einsatz von Wahrnehmungsproben, Sonderregeln zum Klettern, Ertrinken und Ersticken sowie zu Geheimtüren, Giften, Fallen, Flüchen und Krankheiten. Unter Umständen hätte man diese Regelteile auch in das „Spielerbuch“ als Regelwerk packen können, aber dort war der Platz ausgereizt (auch wenn man sicherlich einiges hätte streichen können). Hier bietet sich ein kleines Sammelsurium, aus dem man als Spielleiter bei Bedarf schöpfen kann, wenn man es benötigt.

Der letzte Regelabschnitt im Buch ist das Folgekapitel über die Fadengegenstände. Dies sind besondere magische Gegenstände, deren Macht größer ist und auf die nur Adepten und nicht normale Bewohner zugreifen können. Neben Regelelementen zum Entwurf eigener Fadengegenstände findet sich natürlich eine umfangreiche Auflistung bekannter und besonderer Fadengegenstände samt ihrer Regelwerte und Wirkungen im Spiel. Wer Artefakte mag und gerne einsetzt, ist hier gut aufgehoben und findet viele Ideen sowie schnell einsetzbare magische Gegenstände, die man seinen Spielern als Belohnung zukommen lassen kann.

Die etwa zweite Hälfte des Bandes wird komplett durch Beschreibungen von Kreaturen, Geistern, Drachen und Dämonen abgedeckt. Der „Spielleiterband“ ist also mehr „Monster-Handbuch“ als alles andere. Die Beschreibungen gehen dabei sowohl auf Regeln ein, beschreiben viele verschiedene Arten , besondere Kräfte und Mächte der Monster sowie erläutern, wie man diese in Abenteuer in Kampagnen einbaut. Letztlich kommt man bei den meisten Spielabenden und Runden nicht ohne diese Beschreibungen aus, denn in den Kaer oder auf der Welt wird man als Spielleiter natürlich immer wieder Gegner benötigen. Ob man allerdings diese große Anzahl gleich sofort benötigt, ist fraglich. Hier wäre ein Konzentration auf weniger Kreaturen und Wesenheiten besser gewesen, da viele davon vermutlich nie ihren Einsatz im Spiel finden.

Fazit: Das „Spielleiterhandbuch“ setzt leider den enttäuschenden Eindruck des „Spielerhandbuchs“ fort. Neben einem aus der Zeit gefallenen Layout und Illustrationen, die nicht mit anderen heutigen Rollenspielen mithalten können, wirkt auch der Inhalt nicht modern und oft wenig dem Anspruch entsprechend. Anstatt sich auf seine Stärken wie die spannende Geschichte, die verschiedenen Rassen und Regionen und die sich ergebenden Konflikte zu konzentrieren und dies mit Abenteuerideen anzureichern, wird zu viel Platz mit allgemeinen, oft inhaltsleeren Beschreibungen sowie viel zu vielen Monster-Werten gefüllt. So ist das Fazit sehr durchwachsen, denn interessante und spannende Passagen wechseln sich mit schnell zu überblätternden Seiten ab. Eine bessere Verteilung des Platzes für die einzelnen Kapitel hätte den Band wesentlich aufgewertet.

Earthdawn 4 – Spielleiterhandbuch
Regelwerk
Josh Harrison, Morgan Weeks, R. Scott Tilton u.a.
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 3957521483
320 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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