Dungeons & Dragons: Die Legende von Drizzt – Die illustrierte Enzyklopädie

Bilbo Beutlin, Elric von Melniboné, Conan – die Liste an Superstars der klassischen Fantasy ist überschaubar. Ein Name darf darauf jedoch nicht darauf fehlen: Drizzt Do’Urden. 1991 von Autor R. A. Salvatore für eine Romanreihe zum Rollenspiel „Dungeons & Dragons“ erfunden, entwickelte sich der Dunkelelf mit den zwei Schwertern und der Pantherbegleiterin Guenhwyvar über die Jahrzehnte zur Vorzeigefigur des Vergessene-Reiche-Spielsettings. Jetzt hat DK ihm, seiner Geschichte, seinen Freunden und Feinden eine „illustrierte Enzyklopädie“ gewidmet.

von Frank Stein

Wer eine illustrierte Enzyklopädie des Verlags Dorling Kindersley kennt, der kennt sie im Grunde alle – das Konzept ist schließlich so etwas wie das Markenzeichen des Verlags. Stets handelt es sich dabei um opulent bebilderte Hardcoverbände, gern in einem großzügigen Format, die in lockerem Tonfall und mit hunderten kleinen Textblöcken und -schnipseln das Wissen ihres jeweiligen Themas nach dem Regentropfenprinzip über dem interessierten Leser ausschütten. Das ist auch bei „Dungeons & Dragons: Die Legende von Drizzt – Die illustrierte Enzyklopädie“ nicht anders.

Der Buch kommt im schicken Großformat (31x26 cm) daher und verführt einen direkt mit Goldschrift und Folienveredelung auf dem Einband. Dass uns Drizzt in sehr dynamischer Kämpferpose begrüßt, ist ein zusätzlicher Kaufanreiz, ebenso wie die gelungenen Stimmungsbilder auf der Rückseite. Es mag keinen Film geben, aus dem dieser Band seine Bilder ziehen kann, aber diese wenigen Illustrationen versprechen trotzdem bereits eine hochwertige Optik. Dieses Versprechen, das kann ich schon verraten, wird im Inneren absolut eingehalten. Die Bebilderung ist einfach großartig und ein echtes Fest für alle Fantasy-Fans.

Das Buch hat 200 Seiten, die wirklich randvoll mit interessanten Informationen sind. Nach einem Vorwort vom Drizzt-Autor Salvatore selbst und einer Einleitung, die der Figur und seiner Welt eine realhistorische Einordnung spendiert, geht es direkt los. Dabei ist das Buch, sauber aufgedröselt in einem ordentlichen Inhaltsverzeichnis, in sieben Themenblöcke unterteilt: „Die Legende von Drizzt“, „Die Gefährten der Halle“, „Abenteuer in den Vergessenen Reichen“, „Drizzts Verbündete“, „Drizzts Feinde“, „Monster“ und „Wichtige Orte“. Man sieht schon hier, dass es mitnichten nur um die Abenteuer des Dunkelelfen geht. Es wird auch eine umfangreiche Vorstellung des Settings der Vergessenen Reiche geboten, natürlich ausgehend von den Romanen, aber zweifellos auch durch Material aus dem Rollenspiel „D&D“ ergänzt.

Das Werk beginnt – sinnvoll – direkt im Zentrum seines Themas: bei Drizzt selbst. Auf den ersten Seiten erhalten wir Informationen zu seiner Herkunft, seiner frühen Entwicklung, seinen Waffen, seiner Kleidung, speziellen Schmuckstücken und seiner so wichtigen Tiergefährtin, dem magisch aus einer kleinen Onyx-Statue beschworenen Panther Guenhwyvar. Selbst ein Laie erkennt hier sofort, dass Autor Salvatore Vollgas gegeben hat, um einen Kultcharakter zu erschaffen. Ein düsterer „Elfen“-Waldläufer, der mit gleich zwei asiatisch angehauchten Schwertern kämpft und von einem Panther begleitet wird? Viel cooler geht’s wirklich nicht. Das kurze Kapitel wird durch eine doppelseitige, 200 Jahre umfassende Chronik abgeschlossen, die einen Abriss all seiner Abenteuer bietet, leider ohne zu verraten, ich welchen Büchern man diese jeweils nachlesen kann. Das wäre ein schöner Extra-Service gewesen.

Weiter geht es mit Drizzts wichtigsten Gefährten, namentlich Zwerg Bruenor Heldenhammer, Kampfmagierin Cattie-Brie Heldenhammer, Barbar Wulfgar und Halbling-Schurke Regis. Klassischer kann eine Heldentruppe wohl kaum sein, aber man darf nie vergessen, dass es mit genau solchen Gruppen damals vor mehr als 30 Jahren mit der literarischen Rollenspiel-Phantastik losging.

Das Folgekapitel „Abenteuer in den Vergessenen Reichen“ wirft dann einen größeren Blick auf das Setting, in dem sich Drizzts Leben abspielt. Eine (leider zu kleine) Weltkarte von Faerûn (so heißt die Spielwelt) findet sich hier neben den Namen und Symbolen der zahlreichen Götter. Typische Abenteurerklassen (hier fühlt man sich fast wie in einem Rollenspiel-Buch) stehen neben kurz vorgestellten Völkern der Reiche. Ein paar wichtigen Kulturen wird danach extra Platz eingeräumt. So gibt es sechs Seiten über Elfen, vier Seiten über Zwerge, zwei über Halblinge und Orks und schließlich wenigstens eine je über Menschen und Gnome.

Die nächsten zwei Themenblöcke sind wieder ganz nah an den „Drizzt“-Romanen dran, stellen sie doch seine Freunde und Feinde vor, von denen es Dank all den Romanen natürlich reichlich gibt. Im Fokus stehen die wichtigsten Namen, darunter der Söldner Jarlaxle Baenre, Drizzts Vater Zaknafein Do’Urden, die Spinnengöttin Lolth und der Assassine Artemis Entreri. Auffällig ist dabei, dass die Liste seiner Feinde deutlich länger ist als die seiner Verbündeten. Drizzt hatte und hat einfach kein leichtes Leben.

Allgemeiner wird es wieder im Kapitel „Monster“, das praktisch ein Kurzabriss eines klassischen „Monster-Manuals“ für „D&D“ ist. Drachen, Riesen, Goblinoide, Dämonen, verschiedenste Dungeonbewohner und Gefahren des Unterreichs sowie ein Potpourri der monströsesten Wildnisbewohner werden bildreich, aber nur mit sehr kurzen Texten präsentiert. Man bekommt einen Eindruck all der existierenden Gefahren, aber auf eine sehr oberflächlichen Ebene. Eine Ausnahme bildet nur der Vierseiter über das Volk der Illithiden – auch „Gedankenschinder“ genannt –, die offenbar eine wichtigere Rolle im Setting von Drizzt spielen.

Das Abschlusskapitel setzt den Fokus dann auf namhafte Schauplätze der Vergessenen Reiche. Dabei wird auch dem Laien noch einmal so richtig deutlich, wie weit verbreitet das Setting ist, nicht nur in Romanen, sondern auch in Brettspielen und Videogames. Orte wie Niewinter (Neverwinter), Baldurs Tor (Baldur’s Gate) und das Eiswindtal (Ice Wind Dale) begleiten gerade Fans von PC-Adventures schon seit Jahrzehnten. Andere Orte wie die Dunkelelfenstadt Menzoberranzan, das Unterreich, die Silbermarken oder Mithril-Halle sind dagegen sehr deutlich mit Drizzts Abenteuern verbunden. Gerade in diesem Kapitel fallen übrigens viele großformatige Bilder auf, die einen guten visuellen Eindruck der Schauplätze liefern.

Das Layout des ganzen Buchs, ich erwähnte es schon, folgt dem bekannten Muster. Viele Illustrationen werden durch kleine Textblöcke begleitet, und natürlich dürfen die unzähligen Kurzbeschriftungen der Bilder auch nicht fehlen, die von sinnvoll („Der Bogen bricht nie und bekommt keine Kratzer“) über wenig aussagekräftig („Zwergengürtel“) bis hin zu kurios („Heckt ständig neue Pläne aus“ – gemeint ist der Kopf von Regis) reichen. Dabei ist die Optik „D&D“-typisch phänomenal gut, was sowohl die Charaktere als auch die zahlreichen Einzelobjekte und natürlich sowieso die Stimmungsbilder betrifft. Hier haben die ursprünglichen Macher, die Rollenspiel-Schmiede Wizards of the Coast, einfach ein tolles Niveau im Laufe der Jahre erreicht, von dem das Buch absolut profitiert.

Ein doppelseitiges, alphabetisches Register – immer nützlich und gern gesehen – schließt das Buch ab.

Ich möchte abschließend anmerken, dass die Rezension dieser „Illustrierten Enzyklopädie“ für mich besonders spannend war, weil ich zwar Drizzt natürlich kenne, aber eher ein zugeneigter Laie im Setting der Vergessenen Welten bin als ein Kenner. Daher habe ich dieses Buch deutlich anders wahrgenommen als die „Star Wars“-Werke, die ich als langjähriger Experte immer wieder bespreche. Was mir in diesem Zusammenhang aufgefallen ist: Es wird, wie gesagt, unheimlich viel an Informationen geboten, die sich in Mosaiksteinart langsam zu einen größeren Ganzen zusammensetzen. Trotzdem merkt man an vielen Stellen, dass da „noch mehr“ dahintersteckt. Klar, dieses „Mehr“ sind gute drei Dutzend „Drizzt“-Romane, die auf der Impressums-Seite nochmal aufgeführt werden. Auf die wird man wirklich neugierig, je länger man in dem vorliegenden Werk blättert und schmökert. Insofern kann man der „Enzyklopädie“ neben ihrem Wert an sich als Überblickswerk auch einen nicht unerheblichen Werbe-Effekt attestieren. Das dürfte ganz im Sinne der „D&D“-Macher bei Wizards of the Coast sein.

Fazit: „Dungeons & Dragons: Die Legende von Drizzt – Die illustrierte Enzyklopädie“ ist ein wirklich schönes Begleitwerk zu den Abenteuern des legendären Fantasy-Charakters Drizzt Do’Urden. Für Fans und Kenner mag es nur ein hübscher Überblick sein, der zugegeben toll aufgemacht ist, aber gerade interessierte Laien wie mich lockt er mit Macht in die Welt des Dunkelelfen und seiner Freunde, denn beim Blättern und Schmökern merkt man auf jeder Seite, wie groß und vielfältig und voller Abenteuer das Setting der Vergessenen Reiche ist. Und so bekommt man richtig Lust, mal (wieder) einen Roman über Drizzt zu lesen oder aber ein Videospiel in der Welt von Faerûn zu spielen. Eine klare Kaufempfehlung von mir für alle, die schon Spaß an „Dungeons & Dragons“ haben oder neugierig darauf sind.

Dungeons & Dragons: Die Legende von Drizzt – Die illustrierte Enzyklopädie
Sachbuch
Michael Witwer, Jason Rainville
Dorling Kindersley 2023
ISBN: 978-3-8310-4756-7
200 S., Hardcover, deutsch
Preis: 39,95 EUR

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