Dungeon Worker

Einmal auf der Seite der Bösen stehen – es gibt reichlich Rollen- und Erzählspiele, welche diese Prämisse bedienen wollen. Doch kaum eines versprüht so viel Charme wie „Dungeon Worker“.

von Jens Krohnen

Bereits zum zweiten Mal richtete der Verlag System Matters im Jahr 2021 seinen „Fanzine-Wettbewerb“ aus. In diesem Wettbewerb geht es darum, dem Fanzine-Gedanken aus der Frühzeit des Rollenspiels neues Leben einzuhauchen. Wer mitmachten will, muss eine bestimmte Anzahl selbstgebastelter Fanzines – egal, ob selbst gedruckt und geheftet oder professionell gedruckt – beim Verlag einreichen, die dann von einer Jury bewertet werden. Bereits beim ersten Wettbewerb hoben Laura und Malte aus dem Siepen – in der Rollenspielszene bekannt als die Macher hinter den „Kleinen Helden“ – ihr eigenes Fanzine „Brief & Siegel“ aus der Taufe. Mit dem zweiten Wettbewerb erschien nun die dritte Ausgabe von „Brief & Siegel“. Enthalten ist mit „Dungeon Worker“ ein vollwertiges Erzählspiel, das wir nun einmal genauer betrachten wollen.

Auf insgesamt 48 Seiten präsentieren uns die Autoren nicht nur die grundlegenden Regeln, sondern liefern auch gleich noch eine Menge Inspiration mit. Aber der Reihe nach. In „Dungeon Worker“ schlüpfen die Spieler in die Rolle von einfachen Arbeitern im Dungeon, wie der Titel schon verrät. Das bedeutet, dass man nicht gerade sonderlich gefährlich ist – dafür sind die Monster im Dungeon zuständig. Stattdessen gehört man dem Bautrupp an, der ausgelöste Fallen wieder herrichten, neue Räume erschließen oder alte Gänge instandhalten muss. Wer sich noch an das Computerspiel „Dungeon Keeper“ erinnert, wird wissen, in welchem Stil man sich das Ganze vorstellen darf. Als Charakterklassen stehen dann auch so illustre Bösewichte wie Skelette, Goblins, Imps oder Gnomobots zur Auswahl.

Als „Dungeon Worker“ dienen die Charaktere einem sogenannten „Overlord“, dem finsteren Herrn über den Dungeon. Er verteilt Aufträge und sorgt für Wohl und Wehe seiner Untergebenen. Diese Rolle obliegt aber nicht automatisch einem einzelnen Spielleiter. Stattdessen arbeitet „Dungeon Worker“ mit einer wechselnden Spielleitung. So erhält jeder Spieler neben seinem Charakter noch eine zufällige weitere Rolle und muss einen Teil des Abenteuers ausgestalten. Der „Overlord“ eröffnet zwar das Abenteuer, doch der „Problem/Wendung“-Spieler fügt erst später neue Probleme hinzu. Und der „Helden“-Spieler darf später auch dafür sorgen, dass eine Gruppe zünftiger Helden den Dungeon heimsucht.

Der Probenmechanismus ist charmant einfach. Um den Erfolg einer Probe zu bestimmen, legen die Spieler Karten (aus einem normalen Kartenspiel) aus; eine rote Karte ist ein Misserfolg, eine schwarze ein Erfolg. Überwiegt die Anzahl an Erfolgen, gelingt die Probe. Passende Ausrüstungsgegenstände können Erfolge hinzufügen, Zustände wie Verwundungen können wir Misserfolge sorgen. Treten Konflikte auf, so wird auf die gleiche Weise ein Sieger bestimmt – wer mehr Erfolge vorweisen kann, gewinnt den Konflikt. Diese Regeln sind einfach und eingängig, sorgen dafür, dass man sich gegenseitig auch einmal kleinere Steine in den Weg legen kann und unterstützen – ebenso wie die wechselnden Spielleiterrollen – das gemeinsame Erschaffen einer guten Geschichte.

Der Rest des Buches widmet sich dann einer großen Reihe von Inspirationen. So sind einige beispielhafte Helden ebenso aufgeführt wie eine Liste unterschiedlichster Monster, die im eigenen Dungeon heimisch sein könnten. Verschiedene Dungeontypen werden vorgestellt und auch an beispielhafte Fallen und Schätze wurde gedacht. „Dungeon Worker“ erscheint im A5-Format auf kräftigem, reißfestem Papier und ist vollständig liebevoll illustriert. Dabei wird nicht der Stil der „Kleine Helden“-Reihe imitiert, sondern ein ganz eigenes Bild erschaffen.

Wie so viele Erzählspiele steht und fällt natürlich auch „Dungeon Worker“ mit der spielenden Gruppe. Wer lieber wenig Erzählinitiative zeigen will, der wird mit dieser Art Spiele natürlich nicht glücklich. „Dungeon Worker“ eignet sich aufgrund der einfachen Mechanik und dem geschickten Kniff, den klassischen „Spielleiter“ zwar dabei aber in wechselnden Rollen zu haben, gut für Einsteiger in die Materie. Das liebevolle Setting mit seinen gut aufbereiteten Inspirationen sorgt für eine abschließende gute Gesamtnote.

Fazit: „Dungeon Worker“ ist ein kleines Erzählspiel mit einfachen Regeln und geschickter Erzählmechanik. Wer Spaß an Erzählspielen hat und einmal einen Dungeon am Laufen halten möchte, der darf hier ruhig zuschlagen.

Dungeon Worker
Grundregelwerk
Laura & Malte aus dem Siepen
Selbstverlag 2021
ISBN: n. a.
48 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 6,99

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