DSA 87: Dunkle Tiefen

„Eine kleine Zwergenbinge im Eisenwald, 1028 BF: Bei ihrer Suche nach Erz stoßen Ortosch Sohn des Murtorog und seine Verwandten überraschend auf einen alten Kohleförderschacht. Die Freude über das immer noch reiche Vorkommen des seltenen Rohstoffs ist zunächst groß, doch in der dunklen Tiefe lauert ein lang vergessenes Unheil, das den Angroschim zum Verhängnis zu werden droht…“ – Klappentext

von Jorge C. Kafka

 

Tief im westlichen Eisenwald liegt die kleine aber eigenständige Binge einer Gemeinschaft von Zwergen, die sich dort nach einem verloren gegangenen Sippenkrieg angesiedelt haben. Im Jahre 1028 BF stößt dort der Zwerg Fadrim mit seiner Sippe beim Erzabbau auf einen uralten Kohleschacht. Die Ader ist nicht erschöpft und so feiert man, endlich die lästige Holzfäller- und Köhlerarbeit loszuwerden und sich ganz auf den Bergbau konzentrieren zu können. Doch recht bald stoßen sie auf drei mumifizierte Zwergenleichen, die seit vielen 100 Jahren dort liegen. Fielen diese gut ausgerüsteten Zwerge seinerzeit einem Fluch zum Opfer? Kämpften sie gar gegen den Alten Feind, einen Drachen? Sind die Mumien vielleicht Untote? Recht bald stirbt der erste Zwerg der Eisenwald-Sippe im Schacht. Doch breitet sich Panik erst aus, als weitere Sippenmitglieder verschwinden oder tot gefunden werden. Das freigesetzte Unheil aus den dunklen Tiefen bedroht nun die ganze Sippe, die ihre Differenzen beilegen muss, um gemeinsam gegen einen schier übermächtigen Feind anzukämpfen. Als letzte Rettung schickt man den jungen Zwergen Ortosch – ein Sonderling und noch feucht hinter den Ohren –, um Hilfe zu holen.

Daniela Knor schreibt auf ihrer eigenen Hompage www.daniela-knor.de.vu: „ „Dunkle Tiefen“ ist der düsterste Roman, den ich bislang geschrieben habe. Während in „Tag des Zorns“ eine Bande abenteuerlustiger Jungzwerge für eine eher heitere Grundstimmung gesorgt hat, steht mit Ortosch Sohn des Murtorog in „Dunkle Tiefen“ ein alles andere als fröhlich veranlagter Protagonist im Mittelpunkt. Aber auch dem Rest der Mirschag-Sippe vergeht angesichts der schrecklichen Ereignisse schnell das Lachen.“ Tatsächlich macht sich schon nach knapp zehn Seiten eine düstere, unheilschwangere Atmosphäre breit, die sowohl von allerlei Spekulationen und Ahnungen als auch Animositäten und Rivalitäten der Zwerge durchdrungen ist. Behutsam führt Knor in das Leben der kleinen Sippe ein, die trotz ihrer eher geringen Größe schnell zu einer unübersichtlichen Menge an Zwergen mit zum Teil ähnlich klingenden Namen wird. Glücklicherweise wurde dem Roman ein zweiseitiger Stammbaum der Mirschag-Sippe vorangestellt, doch blättert man zu oft nach vorne, um sich zu orientieren, um wen es sich gerade handelt, der da gerade wieder in seinen Bart brummelt.

Die Autorin sagt dazu selbst: „Die Charaktere der Zwerge zu gestalten, ist für mich eine besondere Herausforderung. Einerseits sind sie – verglichen mit Menschen – sture, kämpferische ‚Bartmurmler‘, aber andererseits auch liebevolle Eltern und ‚Familienmenschen‘, die für ihre Verwandten durch die (Nieder-)Hölle gehen. Und wenn ein Zwerg wie der andere wäre, würde ein Roman über sie auch reichlich langweilig werden. Also gibt es in dieser Geschichte verbohrte Traditionalisten und eher pragmatische Macher, wagemutige Kämpfer und verzagte Hasenherzen, sowie einen Protagonisten, der so seine Probleme damit hat, den Vorstellungen seines Volkes von einem anständigen Zwerg zu genügen.“

Dramaturgisches Geschick lässt das Nachschlagen rasch unnötig werden, denn Knor rafft die Zwerge dahin wie die Fliegen, sodass recht bald eine gut überschaubare Schar zurückbleibt, auf die sich die Handlung dann konzentriert. Dabei werden selbst Kenner des DSA-Universums lange im Unklaren darüber sein, welcher Art diese tödliche Bedrohung nun ist. Borbaradianischer Schrecken, göttlicher Fluch, elementare Gewalten? Knor hat den Roman mit einigen netten Wendungen und interessanten Überraschungen ausgestattet. Eingebettet in den zum Teil sehr detaillierten DSA-Hintergrund ergibt sich so eine Geschichte für Leser mit einschlägiger Aventurienerfahrung.

Trotz dichter Atmosphäre, ausbalanciertem Mikrokosmos und einer sehr guten Idee, lässt einen der Roman dennoch irgendwie leicht unbefriedigt, denn er scheint gleichzeitig zu kurz und zu lang. Zum einen will man einfach mehr erfahren über die Protagonisten, über den Alltag im Bergwerk, in der Binge, im Wald und bei der Köhlerarbeit. Man will mehr von den Streitigkeiten, Intrigen, Animositäten, den Geschlechterproblemen und der Erziehung wissen. Und zwar will man es nicht lesen wie aus einer der Spielhilfe des Rollenspielsystems, sondern eingefügt in einen vielschichtigen Roman. Für Zwergen typische Sprüche und Verhaltensweisen setzt Knor wunderbar ein, um ‚Zwergenkolorit‘ zu erzeugen, doch ist das nur die Kür. Sie hätte sich besser noch mehr Zeit für ihre Figuren gelassen. Zum anderen widerum dauert es einfach viel zu lange, bis Ortosch sich als ‚Held‘ herauskristallisiert, sodass man das Gefühl hat, die Abenteuerhandlung selbst wäre in einer straffen Kurzgeschichte besser aufgehoben gewesen.

Interessant sind die Passagen des Romans, in denen Knor in die Ich-Perspektive wechselt und so einen anderen Einblick gestattet.

Fazit: Alles in allem eine gute Strandlektüre für DSA-Fans. Für die Leser jenseits des DSA-Universums ist der Roman indes nicht zu empfehlen, auch wenn man sich mit einem 17-seitigen Glossar beim Verlag viel Mühe gegeben hat. Der leider recht hohe Preis von 9,- EUR für knapp 300 Seiten und das unselige, verwaschen braune Heinzelmännchen-Cover sind da auch nicht unbedingt verkaufsfördernd. Doch ungeachtet der angeführten Mängel gehört Daniela Knors Roman zu den besseren DSA-Romane, und das spricht für die Autorin und die von ihr noch zu erwartenden weiteren Werke.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.

Dunkle Tiefen (DSA-Roman Nr. 87)
Rollenspiel-Roman
Daniela Knor
Fantasy Productions 2005
ISBN: 3-890-64538-0
299 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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