DSA 89: Unter Aves' Schwingen

Aves, der aventurische Gott der Abenteurer, steht für diese Kurzgeschichtensammlung aus der Welt des Schwarzen Auges Pate. In 22 Geschichten – ausgesucht von Momo Evers – wird den Lesern Liebe und Krieg, Hoffnung und Verzweiflung, feiner Humor und Heldenmut geboten.

von Chris Sesterhenn

 

Jedes Rollenspiel ist sehr stark von seinen Fans abhängig. So beteiligen sich auch viele DSA-Fans aktiv an der Gestaltung ihrer Spielwelt. Vor einiger Zeit rief FanPro zu einem Kurzgeschichtenwettbewerb auf. Unter den zahlreichen Einsendungen musste Momo Evers eine Auswahl treffen, das Ergebnis wurde in „Unter Aves' Schwingen“ veröffentlicht. Wie sie im Vorwort berichtet, war dies mitnichten eine einfache Aufgabe. Und sie ruft alle Leser dazu auf, die Geschichten zu rezensieren und somit dem jeweiligen Autor „jenes Quäntchen Aufmerksamkeit und Dank“ zu schenken, welches er für seine Mühen verdient hat.

Trockene Fakten – die äußeren Werte:

Das Taschenbuch umfasst 346 Seiten und wird von einem stimmigen Titelbild geziert, welches aber keinen Bezug zu den einzelnen Geschichten hat. Der Titel hingegen hat einen klaren Bezug zu der Welt von „Das Schwarze Auge“, da Aves die Gottheit der Abenteurer ist. Eingeleitet wird die Kurzgeschichtensammlung mit einem Vorwort von der Herausgeberin Momo Evers. Jede Kurzgeschichte wird mit einigen Informationen zu dem jeweiligen Autor abgeschlossen.

Um was geht es überhaupt? – zum Inhalt:

Wie schon erwähnt beinhaltet dieses Werk 22 Kurzgeschichten, welche speziell zu der Rollenspielwelt von „Das Schwarze Auge“ geschrieben wurden. Unter den Autoren finden sich sogar einige bekannte Namen, den Hauptteil stellen aber junge und durchweg talentierte Schreiber. Das Spektrum der Erzählungen deckt die wichtigsten Genres ab und ist über die verschiedensten Gebiete Aventuriens verteilt.

„Von der Dichtkunst“ wurde von Michael Böck geschrieben und handelt von einem jungen Dichter, der nach Al'Anfa reist, um dort sein Talent zu perfektionieren. Die Geschichte basiert auf einer sehr guten Idee und ist eher melancholisch geprägt. Ein gelungener Auftakt für das gesamte Werk.

„Der Weg des Kriegers“ wurde von Florian Meyer geschrieben und erzählt von einem alten Schwertmeister und dem wahren Sinn der Schwertkampfkunst.

„Ein vermessenes Unterfangen“ stammt aus der Feder von Olaf Schroth und dreht sich um einen Wettstreit zwischen Kartographen. Leider nur etwas für Spezialisten, aber mit einem amüsanten Ausklang.

„Saatfest“ wurde von Nenja Sowa geschrieben und greift das Thema der Rache auf. Die Handlung ist sehr vorhersehbar und lässt daher kaum Spannung aufkommen.

„Heldars erste Aventiure“ wurde von David N. Schmidt geschrieben und erzählt sehr gelungen von einem Ritter, dessen Knappe Heldar zur rechten Zeit seine erste Heldentat vollbringen darf.

„Festung aus Holz“ wurde von Thomas A. Ruhk (Fans der „John Sinclair“-Romane durchaus bekannt) geschrieben und handelt von einem Jungen, der durch die Kriegswirren sehr schnell erwachsen wird. Und selbstverständlich darf die leichte Grusel-Note nicht fehlen.

„Corian, der Eine“ ist von Stefan Schweikert und handelt von einem mysteriösen Krieger. Die Kurzgeschichte ist etwas verwirrend geraten und fordert den Leser etwas zu sehr zum intensiven Mitdenken auf.

„Die Schöne der Nacht“ wurde von Frank Tarcikowski geschrieben und in ihr berichtet ein Seemann von einer seiner Liebschaften.

„Thesia und Raidri“ wurde von Achim Kennin Steigert und Yvonne Klaas geschrieben und handelt auf sehr amüsante Art von den wirklich großen Helden Aventuriens.

„Heldenzeit“ stammt aus der Feder von Frederik Steenblock und dreht sich um eine Hesinde-Geweihte, welche in ihr erstes großes Abenteuer startet. Dabei gilt es dann auch gleich, einen Todesfall zu klären.

„Zinke rennt“ ist von Saša Stanišic und handelt von einem Dieb, der von einer Schwierigkeit in die nächste rennt. Spannend beschrieben, aber mit einem für den Leser etwas unbefriedigenden Ende.

„Der Tote im Park“ gibt es in der Geschichte von Stephanie von Ribbeck, die sehr gelungen von der großen Tat einer kleinen Goblinheldin berichtet.

„Straßenrose“ wurde von Christoph Maser geschrieben und handelt von einem sterbenden Kämpfer, der in seinen letzten Sekunden noch einmal seine Lebensgeschichte durchlebt.

„Ein ganz gewöhnlicher Held“ steht im Zentrum von Volker Wölls Beitrag, der die Ereignisse in einer kleinen Taverne in Andergast während der Namenlosen Tage beschreibt. Hier dürfen auch die einfachen Bürger einmal zu Helden werden.

„Der Weg des Yurach“ ist von Leo Scheller und handelt von einem jungen Ork, welcher aus Unzufriedenheit und auf der Suche nach Antworten seinen Stamm verlässt. Leider etwas wenig Handlung, aber dafür interessante Ansätze zur orkischen Kultur.

„Dekolleté und Degen“ verspricht Jan Söffiers Geschichte, die im Lieblichen Feld spielt. Die Erzählung beginnt sehr gut und spannend, verliert aber leider bis zum Ende immer mehr an Fahrt.

„Feuer der Vergangenheit“ wurde von Susanne Müller geschrieben und erzählt von einem kleinen Mädchen, welches ein Geheimnis entdeckt.

„Thamael“ wurde von Melanie E. C. Meyer geschrieben und erzählt auf eine spannende, aber leider etwas undurchsichtige Art vom Tod.

„Traum von Ehre“ stammt aus der Feder von Ira Bagusat und dreht sich genau darum. Die Phantasien eines Jungen sind dabei sehr gelungen und spannend beschrieben.

„Die Klinge der Nacht“ schlägt in Kolja Poldner Erzählung zu, die von einem Orkkrieger handelt. Leider handelt es sich hierbei nur um einen Auszug aus einer größeren Geschichte, wodurch dem Leser viele Informationen fehlen und die Geschichte insgesamt nicht überzeugen kann.

„Von einem, der auszog, ein Held zu werden“ erzählt Marcus Friedrich. Es geht um die tragischen Erlebnisse eines jungen Mannes in der Armee.

„Das Königsgrab“ wurde von Tyll Zybura geschrieben und sollte ursprünglich in der DSA-Spielhilfe „Am Großen Fluss“ veröffentlicht werden. Dies merkt man der gut geschriebenen Geschichte leider an. Sie weckt zwar durchaus Lust auf mehr Informationen über die beschriebene Region, ist aber in der Kurzgeschichtensammlung deutlich deplatziert.

Zuckerbrot und Peitsche – Pro und Contra:

Ich habe es teilweise schon im vorherigen Abschnitt angedeutet – alle Geschichten sind stilistisch sauber, aber einige weisen leider Schwächen in der Umsetzung der grundlegenden Idee auf. Verwirrende Erzählweise oder abflachende Spannung lassen solche Kurzgeschichten dann ins Mittelmaß abfallen. Aber es gibt auch wirklich tolle Erzählungen, deren Autoren hoffentlich bald auch einmal einen kompletten Roman veröffentlichen.

Die unterschiedlichen Geschichten dürften je nach Geschmack auch unterschiedliche Fans finden. Die verschiedenen Genres bieten für jeden Leser etwas. Die Fehler bei einigen Autorennamen oder eine falsche Seitenzahl im Inhaltsverzeichnis hätte man allerdings vermeiden können.

Für wen lohnt es sich? – meine Einschätzung:

Mit „Unter Aves' Schwingen“ bringt FanPro die Werke von Fans der interessierten DSA-Fangemeinde näher. Es ist zu hoffen, dass noch möglichst viele weitere Fans auf diese Art ihr Talent zeigen dürfen. Diese Kurzgeschichtensammlung ist kein zwingendes Muss, aber auf jeden Fall eine interessante Abwechslung. Durch genau solche Aktivitäten wird die Rollenspielwelt weiter mit Leben gefüllt.

Fazit: Mit „Unter Aves' Schwingen“ präsentiert FanPro eine abwechslungsreiche Kurzgeschichtensammlung. Wie die Handlungen der Geschichten, so variieren natürlich auch deren Umsetzungen von großartig bis mittelmäßig. Doch jeder DSA-Fan sollte sicher mehr als eine Erzählung nach seinem Geschmack finden können. Daher kann der Interessierte mit diesem Werk keinen grundlegenden Fehler machen.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.


Unter Aves' Schwingen (DSA-Roman Nr. 89)
Rollenspiel-Roman
Momo Evers (Hrsg.)
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-460-0
346 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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