DSA 101: Gewittertage

Über Vinsalt, der Hauptstadt des Horasreiches, liegt eine drückend schwüle Luft. Und nicht nur die Adligen ächzen darunter, sondern auch die Armen wie im Südviertel der Stadt: Alt-Bosparan. Der so genannte hässliche Hinterhof des herrlichen Vinsalt hat andere Gesetze, und als Salara und ihre Freunde eine Nachricht überbringen wollen, mischen sie sich in Dinge ein, die sie nichts angehen. Schnell merken sie, dass Gefahren drohen und ihr Leben in den Gosse der Stadt nicht viel wert ist.

von Ansgar Imme

 

Nachdem zuletzt gestandene oder zumindest schon bekannte Autoren des Rollenspiels „Das Schwarze Auge“ („DSA“) die Buchreihe zum Rollenspiel bereichert hatten, kommt mit Jana M. Eilers mal wieder eine dem Spieler und Leser unbekannte Debütantin an die Reihe. Interessanterweise scheint selbst der Verlag keine Angaben oder Daten über die Autorin zu haben (oder vergaß diese abzufragen), denn im Gegensatz zu den vorherigen Bänden fehlt zu Beginn des Buches eine kurze Darstellung der Autorin, dabei ist es gerade bei Neulingen auch spannend, wie deren Lebenslauf aussieht und wie sie zum Schreiben gekommen sind.

Die Geschichte spielt in der Hauptstadt des Horasreiches Vinsalt, über der gerade eine drückende Hitze liegt. Eine Gruppe Abenteurer bestehend aus Sarlara der Halbelfe, Jandrell dem Gaukler, Aturin dem Krieger, Ravon dem Söldner und Learon dem Magier hat in Neetha im Süden die Aufgabe übernommen, der Händlerin Tuchner in Alt-Bosparan einen Brief zu überbringen. Nicht wissend, dass eine Streunerbande die Händlerin getötet hat, treffen die Abenteurer auf zwei der verkleideten Streuner und erfahren, dass die Dame Tuchner ermodert wurde. Anstatt den Brief einfach der Obrigkeit zu übergeben, entscheiden sich die Abenteurer, den Mord aufzuklären und die Mörder der gerechten Strafe zuzuführen. Darum öffnen sie auch den Brief, da sie sich Hinweise erhoffen, und finden neben mysteriösen Zeilen auch einen Schlüssel, mit dem ein immens großer Schatz gefunden werden kann.

Doch mit ihren Ermittlungen haben sie die Streunerbande um ihren Anführer Capo aufgeschreckt und geraten mit dieser aneinander. Doch in Alt-Bosparan zählt ein Menschenleben wenig, wie auch die Abenteurer erfahren müssen. Um nicht vollkommen aufgerieben zu werden und um Rache für einen Verlust zu üben, nehmen die Abenteurer mit einer anderen Streunergruppe Kontakt auf, die Capos Gruppe zum Teil feindlich gegenüber steht. Es kommt zur Jagd auf die Männer und Frauen Capos, und beide Seiten erleiden schlimme Verluste. Bei all der Gewalt bleibt trotzdem die Suche nach dem Schatz nicht ganz auf der Strecke, doch es ist unklar, wer am Ende triumphieren wird...

Zum Erstlingswerk

Zunächst einmal muss man den Verlag trotz obigen Versäumnisses um die Angaben der Autorin loben, dass ein passendes Cover gewählt wurde, welches direkt eine wichtige Szene aus dem Buch abbildet. Zwar sind die Protagonisten in den Einzelheiten nicht genau getroffen, aber es passt sehr gut im Gegensatz zu vielen anderen Büchern aus dem Fantasybereich.

Der Roman an sich hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Gerade zu Anfang, wo der Leser oft entscheidet, ob und wie lange er weiterliest oder das Buch beiseitelegt, fehlt es an Spannung oder so aventurischen Beschreibungen, dass man sich begeistert. Es beginnt schon mit dem Prolog, der wenig typische Merkmale eines Prologs aufweist. Weder schafft er groß Spannung, noch hat er bis auf einen kleinen Teil eine von der späteren Handlung zunächst losgelöste Struktur. Die Abenteurer werden eingeführt, ohne dass etwas passiert oder ansatzweise Wichtiges erwähnt wird, und man fragt sich, wofür diese Seiten sind. Allein zwei der neun Seiten des Prologs bieten das, wofür dieser eigentlich gedacht ist, als es um eine Art Vorhandlung um den Mord an der Händlern Tuchner geht. Den Rest hätte sich die Autorin sparen können. Man hat fast den Eindruck, hier sollten Seiten geschunden werden.

Auch im Folgenden glänzt der Roman zunächst nicht. Die Schilderung ist eher unaventurisch für Leser und Spieler des Rollenspiels "DSA", die Geschichte könnte auch vermutlich auf anderen Fantasywelten spielen. Zwar wird die Stadt Vinsalt erwähnt und ist Handlungsschauplatz, doch wirklicher Lokalkolorit oder Bezeichnendes für Horasreich und dessen Hauptstadt treten nicht auf. Es wirkt so eher unpassend auf die Stadt, auch wenn das Südviertel Alt-Bosparan seine Eigenheiten hat. Idealer kann man sich als „DSA“-Spieler und -leser die Handlung eigentlich in Städten wie Al'Anfa oder Gareth vorstellen. Auch das Verhalten der Charaktere ist teils für aventurische Verhältnisse eher unüblich: Bei einer angesehenen Händlerin steht die Tür offen, die Abenteurer dringen einfach in das Gebäude ein, ein einfacher Krieger redet einen Wirt in der dritten Person an (was man eher von Adligen kennt) und einiges mehr. Es passt nicht so recht aufeinander. Dazu werden eher unpassende Begriffe wie „Assistent“ gewählt, wo man hier gerade lokalkoloritische Begriffe hätte nutzen können.

Ansonsten fühlt man sich zu Beginn eher in ein klassisches Rollenspielabenteuer versetzt (und man fragt sich als Leser, ob die Autorin hier eines verarbeitet hat). Klassische Helden wie Elfe, Magier, Krieger gepaart mit einem Gaukler und Söldner führen ihre Ermittlungen durch. Auch die ersten Kämpfe wirken fast wie aus einem Regelbuch abgeschrieben. Statt einer dynamischen, packenden Beschreibung kommt es immer wieder zu einzelnen Sequenzen der jeweiligen Personen (wie der Ablauf der sogenannten „Kampfrunde“ bei „DSA“).

Erst im zweiten Teil der Geschichte, nach dem ersten großen Kampf, wandelt sich das Ganze und verläuft endlich spannend, überraschend und auch tragisch. Dabei greifen beide Seiten, auch die „Guten“ durchaus zu Gewalt und scheuen vor Rache nicht zurück. Ab da gewinnen gerade die Abenteurer, aber auch die Streuner viel mehr an Profil. Die Handlung nimmt plötzlich eine unglaubliche Geschwindigkeit auf, die einen bis zum Ende des Romans fast nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Die Abgrenzung „Gut“ und „Böse“ verschwimmen, und man kann bei fast allen Personen plötzlich Motive nachvollziehen. Der zweite Teil des Buches zeigt die große Stärke der Autorin, eine spannende Handlung mit vielen Wendungen zu kreieren und Menschen darin auch mit Leben zu erfüllen.

Nur das Ende wirkt wieder etwas abgehackt und ein klein wenig aufgesetzt. Die Spannung fällt rapide ab, und wie zu Beginn quält man sich eher durch die letzten Seiten des Buches.

Fazit: Die Qualität des Buches schwankt stark. Dies mag man dem Erstwerk zugestehen und kann hoffen, dass die Autorin bei eventuellen Folgeromanen speziell am Anfang mehr für die Spannung tut. Eine volle Empfehlung mag ich nicht aussprechen, dafür dauert es zu lange, bis der Roman endlich loslegt. Auch Aventurienkenner werden eher enttäuscht sein. Wer aber als „DSA“-Leser etwas für Zwischendurch sucht, der konnte in der Vergangenheit schon zu deutlich schlechteren Werken greifen.


Gewittertage (DSA-Roman Nr. 101)
Rollenspiel-Roman
Jana M. Eilers
Fantasy Productions 2008
ISBN: 389064225X
287 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,00

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