Des Teufels Maskerade

Ende 2008 rief der Heyne Verlag einen Schreibwettbewerb aus. „Schreiben Sie einen magischen Bestseller“ war das Motto, über 1400 hoffnungsvolle Jungautoren versuchten ihr Glück und fünf Sieger wurden gekürt. Victoria Schlederers Roman „Des Teufels Maskerade“ gewann den ersten Platz. Manch einer dürfte neugierig sein, ob er ihn verdient hat.

von Andrea Bottlinger

 

Obwohl bei dem Schreibwettbewerb auch Science Fiction und Mystery zugelassen waren, dürfte es kaum jemanden verwundern, dass ein Fantasy-Roman gewonnen hat. Doch was für ein Fantasy-Roman! Hier haben wir keine wie auch immer gearteten Völker, keine Magier und so gut wie keine Drachen. Stattdessen bezeichnet die Autorin selbst ihren Roman als eine augenzwinkernde Hommage an die frühe phantastische Literatur. Und das merkt man ihm auch an.

Worum es geht

Prag 1909. Baron Dejan Sirco ist Detektiv in okkulten Angelegenheiten. Gemeinsam mit der Bordellbesitzerin Esther, dem ehemaligen Straßenjungen Mirko und Sir Lysander Sutcliffe, einem mehrere hundert Jahre altem Geist, den unglückliche Umstände an den Körper eines Otters gebunden haben, löst er für die Prager Oberschicht diejenigen Fälle, bei denen es nicht mit rechten Dingen zugeht.

Sein neuester Fall jedoch hat es in sich. Auf der Familie des Grafen Felix Tubric, den einst mehr als Freundschaft mit Dejan verband, lastet ein Fluch. Seit Generationen wird keiner, der den Grafentitel trägt, älter als 40 Jahre. Als Felix Tubric eine Nachricht erhält, die seinen nahen Tod ankündigt, ist er verzweifelt genug, sich an seinen alten Freund zu wenden, obwohl ihre letzte Begegnung in einem Duell geendet hatte.

Doch damit nicht genug. Zudem treibt der Vampir Alvin Buckingham, den aus der Stadt zu vertreiben Dejan schon mehrmals versucht hat, erneut in Prag sein Unwesen. Irgendetwas scheint er mit der Familie Tubric zu tun zu haben. Und zu guter Letzt steht in Wien ein Automobilrennen an – das erste seit einem Unfall, den der Baron nur gerade eben überlebt hat.

Zwischen all diesen Ereignissen entspinnt sich ein Netz aus Geheimnissen, Lügen und Halbwahrheiten, durch das Dejan und seine Gefährten sich kämpfen müssen, nur um schließlich herauszufinden, dass von der Aufklärung ihres Falls weit mehr als das Schicksal einer Familie abhängt.

Dazu sagen kann man nur: Wow

Man weiß gar nicht so recht, wo man mit dem Loben beginnen soll. Die Jury des Wettbewerbs war vor allem von der Sprache beeindruckt. Victoria Schlederer erzählt im Stil der Zeit, ohne dabei jedoch langweilig oder unverständlich zu werden. Die Sprache verbindet sich mit den gut recherchierten Schauplätzen und der sehr eindrücklichen Darstellung damaliger gesellschaftlicher Konventionen und Moralvorstellungen zu einem harmonischen Bild und lässt einen beinahe glauben, in der Zeit zurückgereist zu sein.

Mit sehr viel Liebe zum Detail sind außerdem die Charaktere gestaltet. Jeder von ihnen hat seine Ecken und Kanten, jeder von ihnen seine Fehler. Sie beschweren sich übereinander, streiten miteinander und verweigern hartnäckig eine Zuordnung in die Schubladen „Gut“ und „Böse“. Es gibt definitiv mehr als zwei Seiten in dieser Geschichte, und den Standpunkt einer jeden kann man bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen.

Die Handlung ist abwechslungsreich und kann mit einigen Überraschungen aufwarten. In ihrem Verlauf tut sich ein verschlungener Kriminalfall vor dem Leser auf, wird allerdings meist von den Charakteren in den Schatten gestellt. Man liest nicht weiter, um die Lösung des Falls zu erfahren, sondern um herauszufinden, wie die Charaktere zu dieser Lösung gelangen und was ihnen auf dem Weg dorthin widerfährt.

Als einzigen Kritikpunkt an dem Roman könnte man anführen, dass er einen ab und zu mit Eindrücken erschlägt. Die Vielzahl an Charakteren und historischen Ereignissen, von denen man dank deutschzentrischem Geschichtsunterricht in den seltensten Fällen schon einmal gehört hat, lassen einen leicht den Überblick verlieren. Diese Vielfalt sorgt allerdings auch dafür, dass man den Roman sicher mehrmals lesen kann, bis man alle interessanten Details entdeckt hat.

Fazit: Ein Fluch, eine Verschwörung, ein Vampir und ein mehrere Jahrhunderte alter Otter ergeben einen spannenden Roman, der vor allem durch seine Charaktere getragen wird. Das Buch ist eindeutig besser für eine aufmerksame Lektüre geeignet als dafür, morgens in Bus und Bahn im Halbschlaf Häppchenweise gelesen zu werden. Doch für denjenigen, der bereit ist, sich die Zeit zu nehmen, lohnt es sich. Fest steht, dass sich keiner der Teilnehmer des Heyne-Schreibwettbewerbs schämen muss, gegen diesen Roman verloren zu haben.


Des Teufels Maskerade
Mystery/Horror-Roman
Victoria Schlederer
Heyne 2009
ISBN: 978-3-453-52655-6
544 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00

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