Der Kristallpalast

Drei Autoren, die sich zusammensetzen, um ein Buch zu schreiben. Kann das gutgehen oder greift hier das Sprichwort von den vielen Köchen, die den Brei verderben? Im Fall von „Der Kristallpalast“ von Oliver Plaschka, Alexander Flory und Matthias Mösch lässt sich über die Antwort auf diese Frage sicher streiten.

von Andrea Bottlinger

Oliver Plaschka ist als Autor experimenteller Fantasy bekannt. Mit seinem Roman „Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Bartholomew“ hat er den Deutschen Phantastik Preis gewonnen und auch in „Die Magier von Montparnasse“ konnte er vor allem mit seinem ungewöhnlichen Stil beeindrucken. Nun hat er ein neues Experiment versucht: Gemeinsam mit zwei Freunden, Alexander Flory und Matthias Mösch, hat er den Steampunk-Roman „Der Kristallpalast“ geschrieben. Jeder der drei hat einen Hauptcharakter des Romans entworfen, die die Autoren dann mithilfe rollenspielerischer Mittel innerhalb der Grenzen einer vorher festgelegten Handlung miteinander interagieren ließen.

Worum es geht

England, die Weltausstellung 1851. Ein großes Glaskonstrukt wird im Hyde-Park errichtet, vorgeblich nur, um darin Schätze aus aller Welt auszustellen. Doch hinter dem Kristallpalast steckt mehr, als die Öffentlichkeit ahnt. Die Halbinderin Miss Niobe, der niederländische Ingenieur Frans und der Captain der englische Armee Sokrates Royle erfahren das jeder auf seine Art. Sie alle drei tragen Kristalle, die ihnen besondere Fähigkeiten verleihen und auf die das Bauwerk eine unerklärliche Anziehungskraft ausübt. Erst als Gegner, dann als widerwillige Verbündete kommen sie dem Geheimnis auf die Spur und stehen zum Schluss vor einer Entscheidung, die die gesamte Welt verändern könnte.

Steampunk beinahe in Reinform

Dass „Der Kristallpalast“ ein Gemeinschaftsprojekt ist, spiegelt sich auch im Aufbau des Romans wieder. Wie bei den „Magiern von Montparnasse“ gibt es mehrere Ich-Erzähler, die sich in jedem Kapitel abwechseln. Dadurch, dass jeder der Autoren einen Charakter schreibt, kommt trotz der dreifachen Ich-Perspektive kaum Verwirrung auf, da die Schreibstile sich doch merklich voneinander unterscheiden.

Merkliche Unterschiede gibt es allerdings auch in der Schreiberfahrung. Während sich die Kapitel zu Miss Niobe sehr angenehm lesen und man schnell einen Bezug zu dem Charakter herstellen kann, sind Sokrates Royle und der Niederländer Frans lange Zeit recht flach. Royle entwickelt sich gegen Ende, doch die Charakterzeichnung von Frans bleibt skizzenhaft, deutet einen inneren Konflikt eher unzureichend an und lässt einen nur mit sehr vagen Eindrücken zurück.

Der Hintergrund dagegen weiß zu faszinieren. Für alle Steampunk-Fans wird dieser Roman eine Freude sein, obwohl die Autoren kaum Technologie dazuerfunden haben, die es zu der damaligen Zeit nicht gab. Im Nachwort des Romans schreibt Oliver Plaschka, das sei überhaupt nicht nötig gewesen, da sie bei der Recherche auf so viele phantastisch anmutende Details gestoßen wären, dass diese völlig ausgereicht hätten, um den Roman damit auszuschmücken. Nur die Ausrüstung des Niederländers hat keine historischen Vorbilder, und das macht den Roman zu einer faszinierenden Mischung aus Fakten und Erfindung.

„Der Kristallpalast“ ist dabei beinahe reiner Steampunk. Das einzige phantastische Element sind die Kristalle, die ihren Trägern verschiedene außergewöhnliche Fähigkeiten verleihen. Über deren Ursprung erfährt man durch Ausschnitte aus dem Expeditionstagebuchs eines gewissen Major Blackwell mehr, der sich im Hinterland Indiens auf der Suche nach einem sagenumwobenen Schatz befindet. Hier spürt man die gründliche Recherchearbeit und die Mühe, die die Autoren in ihr Konzept gesteckt haben.

Die Handlung hat ihre Längen, wird aber gegen Ende auf eine an „Fairwater“ einnernde Art angenehm plaschkaesk mit einigen sehr schönen, wenn auch für manche Leser sicherliche anstrengenden Stilkniffen. Das Ende bietet keine tatsächlich Auflösung, sondern baut darauf, dass der Leser sich nach er Lektüre selbst Gedanken macht.

Fazit: Auch wenn die Zusammenarbeit der drei Autoren nicht ganz geglückt ist, stellt der Roman an sich eine interessante Lektüre dar, die vor allem für Steampunk-Fans einiges zu bieten hat.


Der Kristallpalast
Urban-Fantasy-Roman
Oliver Plaschka, Alexander Folry, Matthias Mösch
Feder&Schwert 2010
ISBN: 978-3867620765
402 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,95

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