Das Fundament der Ewigkeit

Vor dem Hintergrund der Religionskonflikte im Herzen Europas des 16. Jahrhunderts ist es an den Spielern, strategisch günstig ihre Handelsbeziehungen zu pflegen und Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten der verschiedenen Konfessionen zu knüpfen. Und wenn es gerade den Gewinn maximiert, gern auch selber die Konfession zu wechseln.

von Lars Jeske

Der Spieleautor Michael Rieneck hatte sich bereits zu den beiden anderen Ken-Follett-Romanen der Kingsbridge-Reihe Spiele erdacht, die vom Spielprinzip her den Geist der Geschichte widerspiegeln. (Damals noch zusammen mit Stefan Stadler, der mittlerweile bei Pegasus Spiele aktiv ist.) „Die Säulen der Erde“ von 2007, dieses Ressourcensammel- und -managementspiel, in welchem es darum geht, die Kathedrale im (fiktiven) englischen Ort Kingsbridge aufzubauen, erhielt sogar den Deutschen Spielepreis. Bei „Die Tore der Welt“ (2009) musste man die Pest beherrschen, während Bauvorhaben und finanzielles Überleben abgewogen werden mussten. Nun erschien auch ein Spiel zu „Das Fundament der Ewigkeit“. Die besondere Herausforderung hierbei war, dass Roman und Spiel zeitgleich entstanden. Das Wissen über den Roman ist allerdings erneut nicht entscheidend, um erfolgreich zu spielen, trägt jedoch zur Atmosphäre bei. Falls man durch das Spiel neugierig wurde und in das Buch reinlesen mag, liegt als Bonus das 1. Kapitel bei.

„Das Fundament der Ewigkeit“ wurde wiederum von Michael Menzel herrlich illustriert, wodurch man einen gewissen Widererkennungseffekt hat und sich gleich heimisch fühlt. Der grundlegende Spielmechanismus ist allerdings, wie erhofft, erneut ganz anders – viel einfacher im Vergleich zu den anderen beiden. Die Spielregeln sind auch sehr kurz, reich bebildert und eingängig. Zudem hat jeder Spieler eine Übersichtskarte über den Spielablauf. Nunmehr, im Jahre 1558, gilt es über Englands Grenzen hinauszuschauen. Handelshäuser werden in den Metropolen Europas benötigt, um Waren gewinnbringend zu verschiffen. Gleichzeitig gilt es, sich die Gunst von Personen(karten) zu sichern, um von deren Einfluss zu profitieren. Dies alles vor dem europäischen Hintergrund der Konfessionskonflikte zwischen Katholiken und Protestanten, die sich allenthalben entladen.

Spielmaterial & Ersteindruck

In einer großen Box befindet sich im Plastikinlay Platz, um alle benötigten Komponenten gut einsortieren zu können. Die Marker für die Waren und sonstige Plättchen sind sehr sauber gearbeiteten und lassen sich initial gut herauslösen. Nur noch die Würfel und ebenfalls gut verarbeiteten Religionssteine bereitlegen, Personenkartenstapel ihren Ländern zuordnen und schon ist das Spiel aufgebaut und man kann loslegen. Auf dem großzügigen Spielplan sieht man symbolisch für jenes Zeitalter je eine Stadt der wichtigen Handelsnationen: Kingsbridge (England), Paris (Frankreich), Antwerpen (Niederlande) und Sevilla (Spanien). Jeder Nation ist eine Farbe zugeordnet, die den Würfelfarben die jeder Spieler bekommt entsprechen. Der Spielplan ist hierbei zu groß geraten, aber die Kathedrale als Hingucker und Wiedererkennungswert ist sehr schön. Ebenso ist durch Michael Menzels übrige Zeichnungen eine Kontinuität über alle Spiele hinweg gegeben, wodurch einem trotz der Jahrhunderte, die zwischen den Romanen liegen, ein paar der Charaktere irgendwie bekannt vorkommen.

Das Regelhelft ist reich bebildert und sehr umfänglich. Die vor allem Gelegenheitsspieler abschreckenden 12 Seiten sind eigentlich nur 8. Darum ist der Ersteindruck, dass es sich um ein „anspruchsvolles Spiel“ mit langen Regeln handelt. Allerdings einmal verstanden und gespielt, lässt sich das Spiel leicht erklären und ist somit von dieser Warte aus sehr wiederspielgeeignet. Allein der Moment, wann man die Vorteilsplättchen einsetzen kann, fehlt in der Beschreibung.

Die Spielidee

Durch etwas Würfelglück, aber auch mit der richtigen Strategie, gilt es, sich die richtigen Personen pro Land zu sichern. Diese gewähren jeweils für eine bestimmte Anzahl von Runden ihren entsprechenden Bonus, wie üblich vor allem Siegpunkte, Extrawaren oder Vergünstigungen. Den Spielern ist es nunmehr wichtig, ihre Waren in den jeweiligen Bestimmungshafen zu verschiffen. Wenn man dort ein Handelskontor errichtet hatte, kann man am Reichtum der Stadt partizipieren. So man der richtigen Religion angehört, wenn es zum Aufstand kommt, gibt es zudem Extrasiegpunkte. Anderenfalls wird man aus der Stadt vertrieben.

Der Spielablauf

Jeder Spieler bekommt ein Set von sechs unterschiedlich farbigen W6-Würfeln (schwarz, weiß, braun, blau, orange und violett). Zu Beginn einer Runde benutzt jeder Spieler die jeweilige Aktion der Personen, die man gerade kontrolliert. Wenn dies jeder Spieler tat, beginnt das 2. Halbjahr und reihum wird mit den persönlichen freien Würfeln gewürfelt. Dies sind alle nicht gerade durch Aktionen der Vorrunde blockierten Würfel. Sie zeigen nun die möglichen neuen Aktionen auf. Man nimmt sich eine zu einem der Würfel farblich passenden, ausliegenden Personenkarten und setzt gegebenenfalls ein Handelshaus sowie einen Religionsmarker in deren Stadt. Anschließend wählt man einen der übrigen freien Würfel aus und geht in der Regel auf dem separaten Aktionskreis voran, um die dortige Aktion auszuführen. Diese ist zumeist der Kauf oder Verkauf von Waren. Das war’s schon. Von der Verständniswarte her ist „Das Fundament der Ewigkeit“ also ab 8 Jahren geeignet, selber wenn man lediglich ein Gelegenheitsspieler ist. Was das Spiel besonders macht, und eben das empfohlene Mindestalter auf 12 erhöht, ist das vorausschauende Spiel und die Planung. Es ist nicht kompliziert, aber Abwägen und Einkalkulieren der Optionen der Mitspieler erhöhen das eigene unternehmerische Risiko bei der Warenveräußerung und den ausstehenden Religionskonflikten. Das Spiel geht dabei interessanterweise nicht über eine feste Anzahl von Runden (Jahren), während die erreichten Siegpunkte immer gleich abgetragen werden. Sondern das Spiel endet nach der Runde, in welcher einer der Spieler mehr als 50 Punkte erspielt hat.



Spielgefühl

Da die Regeln sehr einfach sind, kann man Runde um Runde versuchen, das Spiel für sich zu optimieren. So alle Spieler das Spiel kennen, ist es auch relativ flott gespielt und locker in einer Stunde zu schaffen. Allerdings kann man erst final überlegen, wenn man selber dran ist beziehungsweise gewürfelt hat. Somit erhöht sich die Wartezeit, wenn man viele Grübler als Mitspieler am Tisch hat. Denn generell gibt es wenig Interaktionen zwischen den Spielern, da jeder getrennt agiert. Nur beim Religionskonflikt gibt es ein gemeinsames Begehren und quasi eine Zwischenwertung. Generell ist das Spiel auch gut zu zweit spielbar, hier ist es etwas strategischer, da berechenbarer und man braucht weniger persönliches Glück. Man kann sich voll auf seinen Gegenspieler konzentrieren. Öfter hatten wir das Gefühl bei drei Spielern, dass der Religionsalleinige in einer besseren Position ist. Mit vier Spieler ist es optimal, erfahrene Spieler dieses Spiel haben sogar einen kleinen Vorteil. Aber dieser ist spätestens nach der ersten Partie passé und in der zweiten ist alles offen.

Das Spiel ist, wie bereits erwähnt, nicht nach, sondern zum gleichnamigen Buch. Kein Spiel „von“ Ken Follett, wie man es auf der Packung sieht, aber Herr Rieneck wusste rechtzeitig Bescheid, um was es geht und konnte das Spiel entsprechend an den Roman anpassen. Der Zusammenhang zum Buch ergibt sich dann etwa durch die Personenkarten, die man erwerben kann, da sie Romancharaktere oder Personen der Zeitgeschichte darstellen. Ebenso sind die Konfessionskonflikte ein Grundbestandteil.

Ein Kritikpunkt an diesem Spiel ist die Farbgebung der Würfel. Braun und orange sind selbstverständlich geschichtlich farblich überaus passend zu den Nationen gewählt, aber vor allem bei diffusem Licht schwer zu unterscheiden. Dies ist hier sehr ungünstig. Zudem ist der lila Würfel der Joker, die Konfession „katholisch“ des Spiels hat damit jedoch nichts zu tun, was ab und an zu Verwirrung geführt hatte. Ein anderer Kritikpunkt ist eher auf der Metaebene. Die thematische Integrierung des Religionswechsels ist eine klasse Idee, aber ausgerechnet durch den taktisch geschickten Religionswechsel Punkte zu ergattern, wirkt blasphemisch. Als müsste man sein Fähnchen nur in den Wind hängen und Religion (hier) nicht ernst nehmen. Zudem wird sie immer wieder neu ausgewürfelt. Initial ist das Zulosen der Religionszugehörigkeit an die Spieler allerdings vertretbar, schließlich ist dies wie im echten Leben …

Spielspaß und Wiederspielanreiz

Die einfachen und wenigen Regeln mit vielen Optionen machen das Spiel theoretisch vor allem für Vielspieler und Strategiefans interessant. Denn es ist Vorausdenken nötig und man muss mitunter Glück haben. Dies ist dann wahrscheinlich auch der Punkt, der zu gewichtig ist. Würfelglück ist entscheidend und auch die Art der Personenkarten, die gerade zur Auswahl stehen, und die Spielweise der Mitspieler. Umso weniger Langzeitstrategie ist möglich, je mehr Spieler dabei sind. Es gibt also nicht „die Gewinnerstrategie“, sondern je nachdem, was man selber gewürfelt hat und wie gerade die Mitspieler agieren, muss man seine Strategie gegebenenfalls anpassen. Das ist herausfordernd, dennoch eher ein Glücksspiel. Eine tolle, noch unverbrauchte Idee ist das Setzens der Würfel für Personen und Aktionen. Dies ist mir neu gewesen und allein darum sollte „Das Fundament der Erde“ immer mal wieder auf den Tisch kommen.

Fazit: Mit „Das Fundament der Ewigkeit“ ist ein interessantes Spiel zur thematischen Kingsbridge-Familie hinzugekommen. Einfache Regeln und eine moderate Spielzeit lassen mit dem erhöhten Glücksfaktor das Spiel fast genau in der Mitte zwischen Strategie- und Familienspiel landen. Auch mit jüngeren Mitspielern kann man hier getrost spielen. Ein bisschen Ärgerspiel, einfache Mehrheiten und Kartenglück ist eine gute Mischung für dieses qualitativ wertige Leichtgewicht. Der frische Einsetzmechanismus von Würfeln für Personenkarten trägt sein Übriges dazu bei, dass das Spiel einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Das Fundament der Ewigkeit
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Michael Rieneck
Franckh-Kosmos 2017
EAN: 4002051692650
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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