Classic BattleTech 5: Clangründer 2: Traum

Lang, lang hat’s gedauert, bis wir die Fortsetzung von Randall Bills‘ „Clangründer“-Trilogie in die Finger bekommen haben. (Obwohl Band 5 der Reihe, erschien er erst nach Band 9!) Hat der Autor die Zeit genutzt, um im zweiten der drei Bände, die mit der Entstehungsgeschichte der Clans eines der vielleicht bedeutsamsten Ereignisse der „BattleTech“-Historie beschreiben, den dramatischen Wendepunkt einzuleiten, auf den in Band 1 nur hingearbeitet wurde?

von Bernd Perplies

 

„Traum“ ist der mittlere Band der „Clangründer“-Trilogie betitelt, wobei der Titel in zweierlei Hinsicht – je nach Interpretationsansatz – ungenau ist. „Vision“ müsste er heißen, wenn er sich auf Nicholas Kerensky beziehen soll, den Bruder des Protagonisten Andrej Kerensky (aus dessen Sicht man die Ereignisse geschildert bekommt). Denn Nicholas hat eine Vision: Nachdem der erste Versuch, in Folge des berühmten Exodus unter General Alexandr Kerensky von 2784 aus den Resten der Sternenbund-Armee außerhalb der Inneren Sphäre eine neue Gesellschaft zu gründen auf den Pentagon-Welten gescheitert war, versucht es sein Sohn Nicholas auf Strana Metschty im Kerensky-Sternenhaufen erneut. Diesmal allerdings sind seine Pläne radikalerer Natur. Das Erbe der Inneren Sphäre muss völlig abgelegt werden, es gilt, eine neue Gesellschaftsform zu finden, in der die Krieger nicht einfache Soldaten sind, sondern stolze Herren. Er entwirft die Gesellschaft der Clans, und wenn er dies mit der Unerbittlichkeit eines Diktators tun muss und gegen den Willen der Zivilbevölkerung, die das Ablegen von Religion, die Auflösung von Familienstrukturen zugunsten Clanzugehörigkeiten und die enorme Militarisierung ihres Lebensumfeldes mit Zorn und Trauer beobachtet, dann soll es eben so sein.

„Albtaum“ müsste der Titel des Buchs entsprechend lauten, wenn er sich auf Andrejs Sicht der Dinge beziehen sollte. Andrej, der jüngere Bruder von Nicholas, ist  nach wie vor der Held der Geschichte, wenngleich Held vielleicht nicht unbedingt das zutreffende Wort ist. Von Zweifeln zerfressen verfolgt er die unerbittlichen Umwälzungen seines Bruders, die er teilweilse nicht versteht, teilweise hofft, nicht zu verstehen. Er ist eine tragische Gestalt, wenn man so will, denn einerseits steht er dem Zentrum der Dinge durch seine Blutsverwandschaft so nahe, dass er wie kaum ein anderer die Besessenheit erkennt, die seinen Bruder treibt, andererseits ist er ein Außenseiter, im Folgenden ein Clanloser gar, der ohnmächtig in die Beobachterrolle gedrängt wird und auch zu keinem Zeitpunkt das Selbstbewusstsein entwickelt, sich gegen die Dinge, die da kommen, aufzulehnen – vielleicht auch deshalb, weil er selbst nicht weiß, ob es eine bessere Lösung gäbe. Stattdessen stehen ihm die Tränen in den Augen und sein Inneres krampft sich regelmäßig zusammen, wenn er die Hurra-schreienden Massen der neuen Kriegergesellschaft aufmarschieren sieht.

Wie schon Band 1 der Trilogie ist auch „Traum“ zugleich Herausforderung und Ärgernis für jeden Leser klassischer „BattleTech“-Romane. Ärgernis deshalb, weil der Protagonist Andrej so ein erbärmlicher, depressiver Weichling ist – und das bis zu einem Alter von vierzig und mehr Jahren (einmal mehr springt der Roman von 2802-2815 regelrecht durch die Jahre und pickt nur wichtige Schlaglichter der geschichtlichen Entwicklung heraus). Wir haben hier keinen Mann, der als junger Bursche seinem Bruder unterlegen ist, sich aber im Laufe der Zeit wandelt und irgendwann gegen diesen erhebt. Wir haben vielmehr einen Mann, der einfach sein Leben lang passiv ist – ein guter Soldat und Ausbilder zwar (das bescheinigt ihm der Autor in einer Art Entschuldigung gegenüber seiner gequälten Romanfigur mehrfach), aber ansonsten ein Nichtskönner, der sich für seine eigene Unfähigkeit, in den Lauf der Dinge irgendwie steuernd einzugreifen, auch noch selbst hasst. Eine Herausforderung ist der Roman indes, weil er die Perspektive, unter der wir Leser die Gründung der Clans erleben, völlig anders wählt, als man es gedacht hätte.

Im ersten Gedanken hätte man die gewaltige Tat, die Clans aus der Traufe zu heben, in Form von bombastischer Military-Fiction erwartet. Stattdessen dreht Bills den Spieß um und präsentiert die Geburt der Clans als das Werk eines Fanatikers und die Clangesellschaft als eine Art Kriegerdiktatur, inklusive der einen oder anderen fragwürdigen geschichtlichen Referenz. Betont wird dabei die Unausweichlichkeit dieser Entwicklung, und so sehr man Andrej dafür verachtet, dass er sich nicht gegen den Strom stemmt (die etablierte Historie des Universums muss zwangsläufig stärker sein), so sehr hasst man gleich zu Beginn die Clans für die Art, wie sie das Recht des Stärkeren für sich als absolut beanspruchen. Was in den Romanen der Clan-Invasion einst cool und hipp war (Boa, bärenstarke Elementare – und was für geile Mechwaffen die haben!), wird hier gnadenlos als eine Gesellschaft entlarvt, die aus einer repressiven Militärdiktatur entstanden ist. Manche werden Randall Bills für diesen Dreh hassen – auf der anderen Seite zolle ich ihm für diese Herangehensweise widerstrebend meinen Respekt.

Fazit: „Clangründer: Traum“ ist kein Buch wie jedes andere aus dem „BattleTech“-Universum. Hier wird das Militär nicht als (wahlweise) ehrenhafte, tapfere, zusammengeschweißte Truppe gefeiert, vielmehr wird die Geburt der Clans, eines der wichtigsten Ereignisse der Geschichte der Inneren Sphäre – das man irgendwie automatisch als bombastisch und huldvoll beschrieben erwartet hätte –, aus der Sicht eines von Zweifeln zerfressenen, ohnmächtigen Außenseiters betrachtet als fanatisch-diktatorische Entwicklung präsentiert. Als Fan „normaler“ „BattleTech“-Romane findet man an dem Buch eigentlich gar nichts, was man mögen wird: Der Protagonist Andrej ist ein Verlierer, sein Bruder Nicholas ein getriebener Irrer und die Clans ein repressives Militärregime. Auf der anderen Seite macht diese dreiste – und in gewisser Weise bemerkenswert moralische – Nichterfüllung aller Lesererwartungen Randall Bills Roman so bemerkenswert! (Trotzdem könnte man im dritten Roman ein paar weinerliche Episoden weniger einbauen – man kann die Darstellung eines Loosers auch übertreiben...)

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Clangründer 2: Traum (Classic BattleTech-Roman Nr. 5)
Rollenspiel-Roman
Randall Bills
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-597-6
271 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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