Caine 1: Das Amulett von Kyan’Kor

Stellt euch vor, ihr steht plötzlich und unerwartet einem großen, Furcht einflößenden Alien gegenüber, das immer näher kommt und dabei bedrohlich auf euch einredet. Wie verhaltet ihr euch: Panik, Flehen, Hose voll? Steven Caine sagt schlicht „Halt die Fresse!“ und beweist damit gleich in vielfacher Hinsicht, dass er ein mehr als unüblicher Hörspielheld ist. Die Erstlingsproduktion der jungen Hamburger Audioschmiede Lausch geht steil.

von Christian Humberg

 

Auftragskiller, Aliens und Schnodderschnauzen

Er ist ein Profikiller, ein käuflicher Söldner des Todes, dessen beruflichen Weg viele Menschen nur einmal kreuzen – und danach die Radieschen von unten betrachten: Nein, Steven Caine ist kein netter Zeitgenosse. (Obwohl seine Katze das vielleicht anders sieht.) Er nennt die Dinge beim Namen und handelt, wo andere noch zögern. Im zarten Alter von 32 Jahren hat Caine so schon mehr Leute auf dem Gewissen als mancher in Ehren ergraute Kollege, und er lebt nicht schlecht davon. Denn Caine macht keine Kompromisse. Nimmt er einen Auftrag an, läuft die Nummer unter seiner Komplettregie oder gar nicht; keine Partner, keine Hindernisse. Rein, raus, Feierabend. Nur am Mord an US-Senator Renfield verbrennt er sich die Finger und landet in der Todeszelle. Doch stellt seine Hinrichtung erst den Beginn seiner wahren Abenteuer dar. Denn das außerirdische Volk von Kyan’Kor, seit Jahrhunderten im Verborgenen auf der Erde aktiv, will diese nun vollends besiedeln und heuert den frisch verstorbenen Caine als, na klar, Profikiller an, der ihnen die zur finalen Übernahme der Erde noch im Weg stehenden menschlichen Hindernisse beseitigen soll. Damit Caine das auch tut, setzt man ihm in Gestalt des Schlächters Kartaan auch noch einen Psychopathen aus eigener Züchtung in den Kopf, der Caines zukünftiges Treiben kommentieren und in die für die fiesen Aliens richtige Richtung steuern soll. Klingt komisch? Ist aber so.

Trash goes audio

Hörspiele mit Gruselthematik gibt es derzeit en masse. Der Markt bekommt von den Gabriel Burnses, John Sinclairs und Konsorten noch immer nicht genug, und so ist es für eine neue Produktion schon schwierig, sich in dieser Fülle an Dauerbrennern und Novitäten auf Anhieb zu behaupten und deutlich  zu positionieren. "Caine" gelingt dieser Schritt aber auf beeindruckende und, so macht es den Anschein, spielend einfache Weise: mit ausreichend großer Klappe nämlich. Der von Torsten Michaelis, der deutschen Stimme von u. a. Wesley „Blade“ Snipes, sehr beeindruckend vertonte Titelheld des Debütwerkes von Lausch nimmt kein Blatt vor den Mund und erweist sich gerade durch seine unverblümte Offenheit als äußerst erfrischende und sehr unterhaltsame Abwechslung im CD-Player. Nein, eine Hauptfigur wie Caine hat die deutsche Hörspielszene wohl noch nicht gesehen – so einen Typ, dem Mutter den Mund vermutlich tagelang mit Seife auswaschen müsste, um all die schmutzigen Wörter zu entfernen, die da regelmäßig und gezielt herauspurzeln. Gut, dass es ihn jetzt gibt.

Die mit „Das Amulett von Kyan’Kor“ wahrlich bombastisch gestartete Serie der Lauscher basiert auf einer Heftromanreihe, welche der im Fandom schon bekannte Kleinverlag Basilisk aus Reichelsheim seit einigen Jahren und regelmäßig auf seine dankbaren Leser loslässt. Ursprünglich von Genre-Routinier Alfred Wallon verfasst, hat "Caine" in seiner bisher zehnbändigen Printgeschichte aber auch andere Größen wie Martin Kay oder Wilfried A. Hary als Autoren gewinnen können. Und dann kam Günter Merlau und schrieb eine Hörspieladaption.

Und was für eine! Atmosphäre, Musik und Tempo der Handlung sind ideal an die Schnoddrigkeit der Hauptfigur angepasst, die dem Rezensenten in derartiger Inszenierung noch weit besser gefällt, als im Original. Das knapp 50-minütige Hörspiel bietet im wahrsten Sinne des Wortes Kopfkino, so sehr aus einem Guss präsentiert sich das Zusammenspiel von Text, Musik und Geräuschkulisse. Merlaus Adaption lebt von ihrem Tempo und verzichtet auf langwierige und erklärende Off-Kommentare eines Erzählers – den Part übernimmt Caine schon selbst, auf seine gewohnt deutliche Art und Weise. Und auch dann sind die kurzen Erzählpassagen akustisch harmonisch in die laufende Handlung eingebunden und unterbrechen diese nicht. Die Sprecher sind sehr gut gewählt, allen voran natürlich Torsten Michaelis. In weiteren Rollen finden sich altbekannte und beliebte Stimmen wie Lutz Riedel (dessen Figur in späteren Folgen hoffentlich noch mehr Text erhält, ist Herr Riedel doch ein immer gern gehörter Sprecher), Wolfgang Bahro und der hier gleich zweifach besetzte Peter Groeger, „DS9“-Fans als nörgelnde Stimme von Ferengi Quark bekannt.

Gute Voraussetzungen also...

... um einen langfristigen Hit zu landen. Woran „Das Amulett von Kyan’Kor“ noch ein wenig leidet, ist das leidige Problem der ersten Folge, in der Figuren und Handlungsschauplätze erst einmal etabliert und dem Hörer verdeutlicht werden müssen. Dies gelingt der Adaption zwar mühelos und unterhaltsam, doch hat man sich bis zur Mitte des Hörspiels schon derartig in Caines freche Schnauze verliebt, dass man ihn im, für den Storyarc der Serie wichtigen Kyan’Kor-Teil des Hörspiels schon schmerzlich vermisst – auch wenn es nur ein paar wenige Minuten sind.

Überhaupt darf man gespannt sein, ob und wie es der Serie gelingt, die Caine-Figur dauerhaft so interessant zu halten. Durch seine „Übernahme“ durch die Aliens ist der uns als so autarke und indifferente Person vorgestellte Killer doch stark instrumentalisiert worden. Von der früheren Freiheit ist also wenig übrig geblieben, sollte man meinen. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Situation nicht spürbar auf seine Wortwahl und Arbeitsmethoden auswirkt. Es wäre mehr als schade, würde diese eigenwillige Figur ihren Sonderstatus unter den Hörspielhelden so schnell wieder verlieren.

Fazit: Achtung, schnell mal umschauen. Sind keine Kinder im Raum? Gut, dann könnt ihr euch ungestört und gefahrlos diesem Hörspiel widmen. Mit „Das Amulett von Kyan’Kor“ präsentiert uns Lausch nämlich ein Werk, das von den fürs Kinderzimmer tauglichen Inhalten meilenweit entfernt ist (nicht umsonst empfiehlt es der Klappentext für ein Mindestalter von 14 Jahren) – und das ist gut so. Caines Mundwerk verleiht dieser angenehm trashigen Geschichte einen Charme, der die Hörer mühelos über den durchaus gewagten Sprung vom Profikiller in Todeszelle zum außerirdischen Invasorenvolk im Untergrund hinüber rettet. Günter Merlaus Audioadaption eines Romans aus dem Basilisk Verlag besteht voll und ganz neben der literarischen Vorlage, lässt diese nach Meinung des Rezensenten sogar weit hinter sich. Mit der Exposition nun erfolgreich im Rücken verbleibt man gespannt und angefixt wartend auf die nächsten, hoffentlich genauso intensiven „Caine“-Episoden.


Caine 1: Das Amulett von Kyan’Kor
Hörspiel nach dem Heftroman von Alfred Wallon
Günter Merlau
Lausch 2006
AISN: B000CNEQ4Q
1 CD, 49 min., deutsch
Preis: EUR 9,99

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