Arkham Horror (II)

Wir schreiben das Jahr 1926. Es sind die wilden Zwanziger Jahre. Die Menschen feiern noch immer das Ende des letzten Krieges und den Fortschritt, der jede Dunkelheit aus der Welt vertreiben soll. Doch so leicht lässt sich das Dunkel nicht bannen. Etwas Böses lauert in den Schatten der Stadt Arkham. Und nur ihr, eine Handvoll mutiger Ermittler, könnt es aufhalten. Willkommen in der Welt von „Arkham Horror“.

von Bernd Perplies

„Arkham Horror“ ist wahrlich kein neues Spiel. Die erste Edition erschien bereits 1987 bei Chaosium und wurde von Richard Launius als Strategiespiel basierend auf dem „Call of Cthulhu“-Rollenspiel des Verlags entwickelt. Es war eines der ersten Spiele überhaupt mit einem kooperativen Spielmechnismus und gewann 1987 auch den Origins Award als bestes Fantasy- oder Science-Fiction-Brettspiel. Rasch wurde das Spiel zum Kult und war entsprechend schon bald ausverkauft. 2005 brachte Fantasy Flight Games dann eine zweite, deutlich überarbeitete Version heraus, die 2006 vom Heidelberger Spieleverlag auf Deutsch veröffentlicht wurde. Seitdem sind zahlreiche Erweiterungen erschienen, und noch immer ist die Begeisterung aller Fans von Genre-Spielen ungebrochen.

Obwohl das Regelwerk umfangreich und das Spielmaterial auf den ersten Blick überwältigend üppig (und für manche vielleicht erschreckend vielgestaltig) daherkommen, ist das Grundprinzip eigentlich gar nicht so kompliziert: Arkham, die fiktive Stadt, die der amerikanische Horrorautor H. P. Lovecraft für seinen Cthulhu-Mythos entwarf, wird von einem der Großen Alten bedroht, jenen übermächtigen Chaos-Wesenheiten von jenseits der Zeit, die vor Äonen über die Erde herrschten und sich nun wieder dort häuslich einrichten wollen. Um dies zu erreichen, lassen sie überall Tore zu anderen Dimensionen aufreißen, durch die Ungeheuer strömen, die Arkham in Angst und Schrecken versetzen. Ist ein gewisser Grad an Terror (und/oder offenen Toren) erreicht, erwacht der Große Alte – und sollten die Spielern zu dem Zeitpunkt nicht wirklich gut vorbereitet sein, wird er wohl den Endkampf gewinnen und das Spiel siegt.

Das will natürlich von den Spielern verhindert werden. Daher schlüpfen sie in die Rolle von Ermittlern, die über den Spielplan von Arkham ziehen, dort ausliegende Hinweise sammeln, Monster bekämpfen, Tore zu schließen versuchen und sich mit allerlei weltlichem und magischen Krempel aufrüsten, um immer besser für das Kommende gewappnet zu sein. Wenn alle offenen Tore geschlossen sind oder sechs Ältere Zeichen auf dem Spielplan für magischen Schutz sorgen, siegen die Spieler vorzeitig. Alternativ können sie die Angelegenheit auch mit dem Großen Alten persönlich austragen, was jedoch nicht ohne ist.

Eine Spielrunde ist dabei stets in fünf Phasen aufgeteilt, die jeder Spieler im Uhrzeigersinn durchführt, bevor die nächste Phase beginnt. In der Unterhaltsphase werden verbrauchte Karten wieder freigegeben, bestimmte, auf Karten angegebene Aktionen durchgeführt und – das ist wichtig – die Fertigkeiten der Ermittler eingestellt. Jeder Ermittler hat nämlich sechs verschiedene Fertigkeiten, je drei Paare, beispielsweise „Geschwindigkeit“ und „Schleichen“. Diese bedingen einander. Ist also die Geschwindigkeit hoch, ist der Schleichen-Wert niedrig und umgekehrt. Je nach erwarteter Situation ist es sinnvoll, die eine oder andere Fertigkeit hochzusetzen, auch wenn man dabei Nachteile bei der anderen Hinnehmen muss. Ein schönes taktisches Element.

In der Bewegungsphase marschieren die Ermittler dann über den Spielplan, um zu Orten zu gelangen, wo sie etwa Ausrüstung kaufen oder sich heilen lassen können. Oder natürlich, um aufgerissene Tore zu schließen, indem sie diese zuerst erforschen (d.h. zwei Runden in eine „Andere Welt“ eindringen, die am Spielfeldrand existiert) und dann mithilfe von zuvor gesammelten Hinweisen oder einem „Älteren Zeichen“ (einem magischen Schutzsymbol gegen die Großen Alten) zu versiegeln. Das – und auch der Kampf gegen Monster, denen man auf dem Weg begegnet – geschieht während der Folgephasen „Begegnungen in Arkham“ und „Begegnungen in der Anderen Welt“. Sowohl im Kampf als auch bei anderen Ereignissen kommen dann die Fertigkeiten zum Tragen, deren Wert die Menge der Würfel angibt, die ein Spieler werfen darf, um Erfolg zu haben. Modifikatoren nehmen einem Würfel ab oder fügen sie hinzu, eine 5 oder 6 gilt für gewöhnlich als Erfolg, wobei es auch Fälle gibt, gerade im Kampf, in denen 2 oder 3 Erfolge gebraucht werden, um eine Probe zu bestehen.



Die letzte (und für die Spieler gefährlichste) Phase ist die Mythosphase. In ihr wird jeweils eine Ereigniskarte gezogen, die beschreibt, wo sich ein neues Tor öffnet, wo Monster auftauchen, wie sich Monster bewegen, wo Hinweise erscheinen und welches „globale Geschehnis“ (etwa ein Unwetter oder ein Stromausfall) den Spielern hilft oder ihnen das Leben schwer macht. Diese Mythosphase ist im Prinzip der Kernmechanismus, mit dem „Arkham Horror“ seine Spieler herausfordert. Dieser ist durchaus aggressiv, aber fühlt sich nie unfair an. Mit etwas taktischem Geschick – das erfreulicherweise wichtiger ist, als reines Würfelglück – kann man das Spiel gut bezwingen.

An Monstergezücht gibt es alles, was man von Lovecraft und seinen Nachfolgern kennt: Sternengezücht, Kultisten, Wahnsinnige, Mi-Go, Ältere Wesen und mehr. Manche von ihnen sind stationär, andere wandern nach einem Farbcode und Pfeilsystem über den Spielplan, wieder andere fliegen so schnell wie möglich auf die Spieler zu. Man kann zwar versuchen, ihnen auszuweichen, letzten Endes muss man sich dem Grauen aber stellen, denn von selbst geht es eher nicht weg. „Arkham Horror“ ist kein Spiel für die Mutlosen, sondern man muss Wahnsinn und Bewusstlosigkeit riskieren, um zu siegen. Zum Glück kann man sich all das leisten, denn auch wenn der eigene Ermittler stirbt, ist man nicht aus dem Spiel, sondern bekommt einen neuen. Nur der Sieg des Großen Alten beendet die Partie zu Gunsten des Spiels.

Etwas knifflig wird „Arkham Horror“ durch seine zahlreichen, bereits angedeuteten Kartentexte und Schlüsselwörter, die man ständig im Blick behalten muss, um auch wirklich korrekt zu spielen. Habe ich daran gedacht, dass die Schrotflinte bei einer gewürfelten 6 zwei Treffer verursacht? Wurde in der Unterhaltsphase für Fluch, Segen oder Bankanleihe gewürfelt? Welchen Effekt hat es noch mal, wenn ein Monster „Untot“ ist und „Physische Immunität“ aufweist? Haben wir auch den Wettereffekt der aktuell ausliegenden Mythoskarte bedacht, der die Bewegung verringert, aber Schleichen vereinfacht? Diese ganzen Details erfordern einen hohen Grad an Informationsmanagement. Wer dazu nicht imstande ist, wird rasch etwas falsch spielen – und sich damit das Leben merklich einfacher oder schwerer gestalten.

Fazit: „Arkham Horror“ wird nicht zu unrecht als Kultspiel gehandelt und ist immer wieder ausverkauft (wobei sich der Heidelberger Spieleverlag erfreulicherweise regelmäßig im Neuauflagen kümmert). Es macht Spaß, in die Rolle furchtloser Ermittler zu schlüpfen und sich dem Grauen, das Arkham heimsucht, zu stellen. Die kooperative Herausforderung geht in Ordnung, der Spielmechanismus fühlt sich nie unfair an. Es wird allerdings eine hoher Grad an Informationsmanagement gefordert, der gerade Casual Gamer – genauso wie die lange Spielzeit von 3+ Stunden –  abschrecken mag. Daher empfiehlt sich, mindestens einen Spieler bei der Partie zu haben, der die Regeln gut kennt und der Erfahrung mit Spielen hat, bei denen viele Detailregeln auf zusätzlichen Karten und Spielmarken verteilt sind. Doch wenn das gegeben ist, erwartet einen wirklich ein atmosphärisches Spielerlebnis, das durch wechselnde Ermittler und Endgegner sowie zahlreiche Erweiterungen auch immer wieder neu und spannend ist.

Arkham Horror

Brettspiel für 1 bis 8 Spieler ab 12 Jahren
Richard Launius, Kevin Wilson
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2006
EAN: 4015566010024
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 42,95

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