von Lars Jeske
In die fiktive Welt der „Arkham Horror“-Brettspiele nimmt uns der Autor S. A. Sidor mit und offenbart uns einen Roman mit dem Titel „Das letzte Ritual“. Der Autor ist mir bisher unbekannt, dafür ist der deutsche Verlag Cross Cult ebenso renommiert wie passend für diese Geschichte, und da Bernd Perplies für die Übertragung aus dem Amerikanischen zuständig war, kann man sich auf sinnvolle Sätze und wenig Tippfehler in korrekter Grammatik freuen. Ebenso sei das stilistisch und inhaltlich sehr gut passende Cover von John Coulthart erwähnt, welches den ersten positiven optischen Eindruck abrundet.
Aber selbstverständlich sollte man ein Buch nicht nach dem Cover beurteilen, der Inhalt zwischen den beiden Klappendeckeln sollte es auch wert sein, gelesen zu werden. Nun denn, ist es kurzweilige Unterhaltung oder doch nur eine Cross-Genre-Promotion für diese Spielewelt und eine platzierte Werbung in der Welt der Buchleser, um diese auf eines der zumeist kooperativen „Arkham Horror“-Spiele aufmerksam zu machen und zu interessieren?
Protagonist dieses Romans ist der Maler Alden Oakes, gebürtig in Arkham, aber aus persönlichen Gründen nicht mehr häufig in der Stadt anzutreffen. Warum dies so ist und seine Eindrücke, wenn er wieder die Stadt betritt, reflektiert er nicht nur gegenüber einem Reporter, sondern auch dadurch ganz zufällig für den Leser, der somit sinnvoll abgeholt wird, um sich auf die Szenerie einzulassen. Es geht um Ereignisse, die sich ungefähr zwei Jahre zuvor abgespielt haben und die Stadt beinahe aus der Realität rissen.
Dabei fing alles harmlos an. Der leidenschaftliche Maler Alden ist von den Arbeiten des großen Ausnahmekünstlers Juan Hugo Balthazarr wie jeder andere, der diesen charmanten Lebemann trifft, beeindruckt und in seinen Bann gerissen. Auf seinem Selbstfindungstrip durch Europa trifft er immer wieder auf die Werke des Surrealisten und die Reaktionen, die diese bei der lokalen Bevölkerung hinterlassen. Aber auch die zufälligen, merkwürdigen Vorkommnisse an Personenschäden entgehen Alden dabei nicht, obwohl er selbstverständlich weit weg davon ist, überhaupt einen Verdacht gegen Balthazarr zu hegen.
Ein alter Freund, den er zufällig trifft, lädt ihn zu seiner Hochzeitsfeier in Arkham ein, und widerstrebend willigt er ein. Zu seiner Überraschung ist auch Balthazarr alsbald dort vor Ort und das Aushängeschild der hiesigen High Society. Erst ein Todesfall in seiner Heimat, zusammen mit der Bekanntschaft von Nina, sowie merkwürdige Symbole und kryptische Hinweise auf etwas Ungeheuerliches lassen Alden Oakes seine scheinbar zufälligen Erlebnisse in Übersee mit anderen Augen sehen und sukzessiv anders einordnen. Als er bei seinen privaten Ermittlungen mit Geschöpfen (oder waren es doch nur Hirngespinste?) jenseits des Erklärbaren konfrontiert wird, wird das bisher unterschwellige Grauen für ihn und den Leser viel zu real.
Beim Lesen von „Das letzte Ritual“ wird man als Leser gut mit eingebunden und kann sich fast vollends in die Geschichte und die Personen hineinversetzen. Vor allem die Beschreibung des mondänen Flairs und der Zeitgeist der 1920er wird sehr gut eingefangen. Die Charaktere entwickeln sich gut und dem Autor gelingt es, die merkwürdig-unheimliche Stimmung, die düster über dem Ort liegt, wunderbar einzufangen. Bis auf einen komischen Zeitsprung ist auch alles nachvollziehbar für den Leser.
Der Roman mit seinen knapp 400 Seiten ist wie eine lange Gruselgeschichte, wie man sie damals in Comics las. Leider auch an einigen Stellen etwas länglich, da nicht immer klar wird, wohin die Handlung führen soll. Die drumherum konstruierte Geschichte, die gesamte Erzählung als Rückblick zu inszenieren, die vom Protagonisten persönlich einem Reporter erzählt wird, nimmt leider auch etwas von der Intensität, die die Geschichte anbieten könnte. Die Spannung, die es an einigen Stellen gibt und die Gefahr für Leib und Leben bedeutet, bleibt dadurch immer relativ. Denn wie sollte die Geschichte erzählt werden, wenn der Protagonist bereits verstorben wäre? Selten springt der Autor aus der erzählten Geschichte heraus, wodurch es keinen signifikanten Mehrwert gibt, diese beiden Zeitebenen zu benutzen. Allein das Ende des Romanes benötigt diese zeitliche Differenz, welches man jedoch auch hätte anders erklären oder herbeiführten können. Dies schmälert nicht die Geschichte an sich, schöpft aber dadurch nicht das gesamte Potenzial aus.
Fazit: „Das letzte Ritual“ ist eine lange Kurzgeschichte mit einigen Hängern, die nichtsdestotrotz lesenswert ist. Die Geschichte passt sehr gut in die beschriebene Zeit und fängt den Geist von Arkham ein. Man fühlt sich als Kenner der Materie gleich wieder heimisch, inklusive der Besuche an der Miskatonic-Universität und dem Observatorium. Ein Roman für Fans des Spiels, ohne genau das gleiche Thema zu haben. Ein stimmungsintensives Zeitbild einer imaginären Stadt der 1920er. Die Seitenanzahl geht in Ordnung und der Roman weiß zu unterhalten. Er wird jedoch keiner sein, an den man sich auf immer erinnern wird. Eine schöne Lektüre, vielleicht für den Sommerurlaub im englischen Seeort Bath besonders gut geeignet.
Arkham Horror – Das letzte Ritual
Horror/Mystery-Roman
S. A. Sidor
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96658-420-3
379 S., Paperback, deutsch
Preis: 15,00 EUR
bei amazon.de bestellen