Arkham Horror – Das Kartenspiel: Das vergessene Zeitalter – Kampagnen-Erweiterung

„Das vergessene Zeitalter“ war im Jahr 2018 die dritte große Kampagne für das Living Card Game „Arkham Horror – Das Kartenspiel“. Gemeinsam mit dem Altertumsforscher Alejandro Vela gingen die Ermittler auf eine Expedition in die Dschungel Südamerikas, um eine geheimnisvolle Zivilisation zu finden. Nun kann eine neue Spielergeneration die Kampagne komplett in einer Box gesammelt erleben.

von Frank Stein

Kurz vorab: Als Erweiterung erfordert das Spiel zwingend die Grundbox von „Arkham Horror – Das Kartenspiel“. Außerdem empfiehlt sich die thematisch passende „Das vergessene Zeitalter – Ermittler-Erweiterung“, das ist aber keine Pflicht. Entsprechend sind die auf den Fotos abgebildeten Spielmarker und Beutel nicht Teil der Erweiterung (die kommen aus der Grundbox), ebenso wenig die Ermittlerkarten (eine Mischung aus Grundbox und „Ermittler-Erweiterung“) sowie die Spielmatte und die Kartenhüllen (separat erwerbbare Spielhilfen). De facto enthalten sind 323 Szenariokarten und ein Kampagnenleitfaden.

Die Geschichte beginnt, wie so viele rund um den Cthulhu-Mythos, an der Miskatonic-Universität in Arkham. Dorthin lädt der Geschichtstheoretiker Harlan Earnstone die Ermittler ein. Er stellt ihnen den Historiker Alejandro Vela aus Mexiko vor, der eine Expedition in den Regenwald Südamerikas plant, um die Ruinen eines bislang unbekannten Stadtstaates der Azteken namens Eztli zu finden – gemeinhin als Legende abgetan. Da die Universität die Expedition finanziert, soll jemand von hier mit Vela reisen: natürlich die Ermittler. Doch die Reise in die Wildnis ist nur der Anfang eines viel größeres Abenteuers. Unheimliche Schlangenmenschen, eine geheimnisvolle Hüterin, ein seltsames Artefakt, Hinweise auf eine Welt jenseits der unseren, Kultistenverschwörer, – das volle Programm erwartet die Mutigen, die es auf sich nehmen, die 8 (9) Szenarien und 7 Begleittextteile zu bewältigen. Dass dabei Tod und Wahnsinn nicht weit entfernt sind, versteht sich von selbst.

Wie schon die neu aufbereiteten Kampagnen zuvor, wird auch diese hier einerseits im „Kampagnen-Leitfaden“ (einem DIN-A4-Ringbuch-Heft) erzählt, und andererseits auf den Karten der Szenarien weitergetrieben – den Orten, Gegnern und Ereignissen. Dabei herrscht einmal mehr schöne Vielfalt vor, sowohl was die Inhalte angeht als auch die spielmechanischen Ideen. So schlägt man sich durch den Regenwald, erforscht eine uralte Pyramide, muss gleich mehreren Problemen in Arkham nachgehen oder sich in einer versehentlich beschworenen Vision einer möglichen Zukunft zurechtfinden. Dabei driftet die Handlung immer mehr vom reinen Abenteuer in ein bizarres Grauen ab, das den Ermittlern wirklich alles abverlangt. (Fast zu viel, möchte ich sagen, dazu unten gleich noch was.)

Spielmechanisch heißt das beispielsweise, dass man von einem Lager im Dschungel aus startet und sich mithilfe der neuen Aktion „Erkunden“ durch ein Erkundungsdeck arbeitet, in dem sowohl Schauplätze als auch Gefahren (Verratskarten) lauern. Oder man sieht sich mit gleich drei Aufgaben konfrontiert, die sich in drei parallel bespielten Szenendecks niederschlagen und die Ermittler vor die Qual der Wahl stellen, welchem Problem man nachgeht (Spoiler Alert: Dass man alle drei Szenendecks im Rahmen der gebotenen Zeit bewältigen kann, ist höchst unwahrscheinlich.) In einem anderen Szenario verändern sich Orte, indem man neue Karten auf die alten legt oder diese wieder wegnimmt. Was hier an Ideen aufgeboten wird, um Geschichten durch spielmechanische Effekte zu unterstützen, ist schon toll und macht einen nicht geringen Reiz von „Arkham Horror – Das Kartenspiel“ aus. Man weiß eben nie so ganz, was einen erwarten wird.

Die „Erkunden“-Mechanik hat natürlich den Nachteil, dass das Spiel noch glückslastiger wird. Man kann nun nicht mehr bloß Glück oder Pech beim Ziehen von Karten vom Ermittlerdeck oder dem Begegnungsdeck haben, sondern auch noch hier. Mir ist das beispielsweise gleich im ersten Szenario passiert, als der gesuchte Tempel wirklich die letzte Karte im Stapel war, unter allen Verratskarten! Da ging mir dann doch die Zeit aus, obwohl ich mich bis dahin gut geschlagen hatte. Ein etwas frustrierender Einstieg. Hätte ich bloß eine Landkarte in meiner Ausrüstung gehabt …

Das wäre in der Tat möglich gewesen. Denn Ausrüstung ist auch eine neue Komponente im Spiel. Vor Beginn darf man je nach Spielerzahl Punkte ausgeben, um Dinge wie Proviant, Medikamente, ein Fernglas, eine Decke oder eben eine Landkarte einzupacken. Natürlich reichen die Punkte vorne und hinten nicht für eine Komplettausstattung, sodass man auswählen muss. Wobei durchaus unterschiedlich ausfällt, wie nützlich die Dinge sind. Kleiner Tipp: Die Feldflasche ist ihre zwei Punkte anfangs nicht wert. Die Landkarte lohnt sich dagegen absolut. Wenn während einem Szenario oder einem Zwischenspiel nach Ausrüstung gefragt wird und man diese nicht hat, wird das Spiel dadurch entweder schwerer oder man wird unmittelbar bestraft. So fand ich relativ krass, dass man sich direkt im ersten Zwischenspiel bis zu drei körperliche oder seelische Traumata einfangen kann, wenn man falsch ausgerüstet ist. Das heißt man startet direkt mit entsprechend viel Schaden oder Horror in die nächsten Abenteuer (wobei man eh nur fünf bis acht Punkte körperliche beziehungsweise geistige Gesundheit hat, also echt nicht viel). Zwar lassen sich diese direkten Schäden zu Spielbeginn im Laufe des Szenarios mit Heilkarten heilen, aber darauf sollte man dann auch vorbereitet sein. Traumata ganz loszuwerden, ist dagegen nur selten möglich und zudem sehr teuer. Aber wer hat je behauptet, dass „Arkham Horror“ ein nettes Spiel ist?

In diesem Zusammenhang: Ich bin ja durchaus leidgeprüft. Seit Jahren spiele ich „Arkham Horror“ in seinen unterschiedlichsten Inkarnationen. Dass Szenarien schwer sind und man oft nur ganz knapp gewinnt oder halt doch kurz vor dem Ende scheitert, bin ich gewohnt. Damit kann ich leben. Bei „Das vergessene Zeitalter“ dagegen ist mir die Schraube schon fast zu stark angezogen worden. Gerade im Solo-Modus – bei vielen „Arkham Horror“-Spieler durchaus beliebt – sieht man mitunter kein Land. Zum einen ist man – mit etwas Pech – gleich mehrfach pro Runde mit Verratskarten konfrontiert, nämlich nicht nur aus dem Begegnungsdeck, sondern auch aus dem Erkundungsdeck. Das erfordert mehr Proben pro Runde, und irgendwann versagt man dann doch, weil einem die unterstützenden Karten ausgehen. Dazu sind einige derbe „Erzwungen“- oder Straf-Effekte enthalten. Da zieht einem beispielsweise ein Ort erzwungen ganze 10 Karten aus dem Deck. Oder „Ameisen“ (mit Pech gleich mehrfach gezogen) rauben einem langsam aber sicher alle Karten aus der Hand und dem Spielbereich. Dann schafft man rundenlang praktisch keine Probe mehr. Dabei steht man so schon unter Zeitdruck.

Weiterhin haben mittlerweile fast alle Gegner die Keywords „Alarmiert“ und „Zurückschlagen“, das heißt jeder missratene Fluchtversuch oder Angriff wird direkt mit einem nicht abwehrbaren Gegenschlag beantwortet, was für massiv Schaden und Horror sorgt. Außerdem schlägt man sich viel zu oft mit Leuten herum, die 3 oder mehr Lebenspunkte haben. Hat man dann nicht die richtige Waffe zur Hand, wird man die im Leben nicht mehr los. Und die praktisch in jedem Szenario drohende Vergiftung – die man sich „am besten“ gleich mit der ersten oder zweiten Begegnungskarte einhandelt, dann hat es so richtig schön negative Folgen das ganze Szenario lang – nervt irgendwann, zumal sie als „Schwäche“ nicht mehr weggeht, bis man mal in einem Zwischenspiel heilen kann.

Okay, man stirbt nicht direkt, wenn man an einem Szenario scheitert. Oft sind die Folgen nur mäßig bis mittelmäßig schlimm (manchmal aber auch tödlich!). Aber sich von einer Niederlage zur nächsten zu hangeln, erfordert wirklich ein besonderes Maß an Frustrationstoleranz (was schade ist, weil die Geschichte an sich wirklich Spaß macht). Und ich habe all diese Erfahrung auf Level EINFACH gemacht! Zu zweit wird es zugegeben etwas leichter, denn dann braucht man keine eierlegende Wollmilchsau als Ermittler (die in nichts gut genug ist), sondern kann sich zwei Spezialisten (für Kampf und Ermitteln) bauen, die sich ergänzen und auch mit Karten unterstützen können, wenn es brenzlig wird. Auch dann ist die Kampagne noch schwer, aber nicht (gefühlt) völlig hoffnungslos.

Der Inhalt der vorliegenden Box entspricht allen Kampagnen-Teilen, die zuvor einzeln – also in der Grundbox „Das vergessene Zeitalter“ sowie den sechs sogenannten Mythos-Packs (im Plastik-Blister) – erschienen sind. Alle Ermittler-Karten wurden in das Geschwisterprodukt, die „Ermittler-Erweiterung“, ausgegliedert. Es gibt keine neuen Inhalte, die zwei genannten Boxen sind schlicht eine andere und in meinen Augen elegantere Präsentationsform als damals. Eleganter vor allem, weil man mit der „Kampagnen-Erweiterung“ eine robuste Pappbox samt Plastik-Inlay erhält, in der man alle Karten der Kampagne (inklusive der Ermittler-Karten) gut unterbringen kann – sogar in Kartenhüllen. Das einzige, was mir fehlt, sind passende Kartentrenner, die für Ordnung sorgen. Die kann man separat in der Erweiterung „Rückkehr zu: Das vergessene Zeitalter“ bekommen, die 2020 erschienen ist und damals neben einem neuen Dreh für die Kampagne die Lagerbox der Wahl war. Angesichts der vorliegende Box ist diese nun ein wenig obsolet, und man hätte sich gewünscht, dass die „Rückkehr“-Karten und die Trenner schlicht hier als Bonus mit enthalten gewesen wären.

Fazit: Die „Das vergessene Zeitalter – Kampagnen-Erweiterung“ ist ein wirklich spannendes, aber in meinen Augen knackig schweres Abenteuer in acht Kapiteln, eine Art „Indiana Jones meets Cthulhu“ mit viel Exotik und tödlichen Gefahren. Die neuen Spielmechaniken, etwa Erkunden oder Ausrüstung, sorgen für zusätzliche Unwägbarkeiten und machen einem das Leben eher noch kniffliger als leichter. Ich beispielsweise war nach Szenario 2 bereits endgültig gescheitert (zumindest im Solo-Modus) und musste – durch die gemachten Erfahrungen weiser – neu anfangen (nur um später erneut zu scheitern; zu Zweit lief es dann zugegeben besser). Ich mag die Kampagne eigentlich; ich finde das Setting super. Aber man braucht schon entweder viel Glück beim Kartenziehen, um Erfolg zu haben, oder muss einiges wegstecken können, wenn um einen herum mal wieder die Welt zusammenstürzt, von allen Seiten Gegner nahen und der Wahnsinn droht.

P.S.: Wer die alte Ausgabe von 2018 schon hat, kann die neue getrost ignorieren. Es gibt keine besonderen Inhalte (von ein paar Errata auf den Karten vielleicht abgesehen).

Arkham Horror – Das Kartenspiel: Das vergessene Zeitalter – Kampagnen-Erweiterung
Kartenspiel-Erweiterung für 1 bis 4 Spielende ab 14 Jahren
MJ Newman
Fantasy Flight Games/Asmodee 2023
EAN:  841333120894
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 59,99

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