Angel – Nach dem Fall 2: Die erste Nacht!

Die sechste Staffel von Joss Whedons exklusiv in Comic-Form fortgeführter TV-Horror-Soap „Angel – Jäger der Finsternis“ geht weiter. Im zweiten Sammelband führen Angel und seine illustre Truppe den Kampf gegen die Hölle selbst fort. Dabei wird nicht nur ein unangenehmes Geheimnis gelüftet, es kommt auch zu einer gefährlichen Begegnung mit einem einstigen Verbündeten.

von Frank Stein

Wir erinnern uns: Die fünfte und letzte TV-Staffel von Joss Whedons Serie um den Vampir mit Seele, der in L.A. auf Monsterjagd ging, endete in einer dunklen Gasse, in der Angel und seine Freunde sich einer erdrückenden Überzahl von Dämonen im Dienste des Bösen, genannt „Wolfram & Hart“, gegenübersahen. Der erste Comic-Sammelband machte dann einen kleinen Zeitsprung und präsentierte den staunenden Lesern eine Stadt der Engel, die komplett zur Hölle gefahren war und nun unter einem blutroten Himmel von Chaos und Dämonenlords beherrscht wurde. Um deren Würgegriff um die ungeschützten Hälse der letzten überlebenden Menschen zu brechen, forderte Angel sie zu einem alles entscheidenden Kampf heraus. Es hieß: entweder er oder sie!

Der zweite Sammelband beginnt nach einem sehr hilfreichen Rückblick auf das bisherige Geschehen zunächst sehr verwirrend, denn er springt von Figur zu Figur und erzählt in einer leicht chaotischen wirkenden Chronolgie von deren erster Nacht nach L.A.s Höllenfahrt. Wenn man das Konzept erstmal durchschaut hat, wird es schlüssiger. Doch eine echte Handlung sucht man trotzdem vergebens. Es handelte sich eher um schlaglichtartige Momentaufnahmen, welche die vielleicht bedeutendste Wendung im „Leben“ von Spike, Gunn, Wesley und einigen anderen von Angels Mitstreitern beleuchten.

Die Handlung nimmt dann im zweiten Teil des Sammelbands wieder Fahrt auf (man muss hierzu wissen, dass die deutsche Ausgabe zwei dünnere US-Sammelbände in sich vereint, daher dieser Bruch im Erzählstrang). Angel und Konsorten befinden sich nach wie vor im Kampf gegen die Schergen der Höllenlords von L.A., und es sieht nicht gut aus, als die Lords das Gefühl bekommen, der beseelte Vampir habe sie durch das Eingreifen seiner Gefährten betrogen, und ihrerseits nun anfangen, unschuldige Zivilisten umzubringen. Doch durch eine List gelingt es Angel, die Ungeheuer dennoch zu besiegen.

Das heißt jedoch nicht, dass nun alles geklärt wäre. Die Lage mag sich gebessert haben, aber in der Höllendimension, in der L.A. steckt, ist einfach nichts rosig. Außerdem gibt es noch ein Geheimnis zu lüften: Irgendjemand hat den Höllenlord von Westwood umgebracht und ihm einige mächtige magische Gegenstände entwendet. Um ihn herum lagen ausgesaugte Leichen, was für einen Vampir spricht. Welcher gefährliche Spitzzahn treibt sich also in Angels Hinterhof herum? Der dunkle Ermittler und seine Gefährten gehen auf die Suche und machen eine überraschende Entdeckung …

Schlägt man den zweiten „Angel“-Sammelband unvorbereitet auf, wird man zunächst vollkommen konfus. Andauernd wird die Perspektive gewechselt, mehr oder minder zusammenhanglose Szenen folgen aufeinander, eine Fortführung des Plots aus Band 1 scheint nicht in Sicht zu sein. Erst nach der kompletten Lektüre, einem erhellenden Blick ins Impressum und möglicherweise einem zweiten Durchblättern beginnt der eingeschobene Rückblick-Block Sinn zu ergeben.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Handlung vor gefühlten Informationslücken strotzt. Unablässig passieren Dinge und man fragt sich, warum gerade jetzt und so und nicht anders. Beispiel gefällig: Angel kommt morgens aus seinem Zimmer. Die Gruppe entscheidet, Runden zu drehen, um „Dämonen rauszukehren“. Auf einmal fliegen sie mit Angels Drachen umher und Connor, Angels Sohn, erzählt irgendetwas von einem Ort, den man nicht besuchen sollte. In der nächsten Szene heben sie plötzlich ein Vampirnest aus und befragen den Oberspitzzahn nach dem Mörder des Lords von Westwood (der bis dahin in diesem Band noch gar nicht erwähnt wurde). Es besteht durchaus eine Abfolge zwischen diesen Elementen, aber irgendwie vermisst man die verbindenden Panels dazwischen, so als würden in Joss Whedons Kopf drei Bilder ablaufen, aber nur eines davon gezeichnet. Das macht das Lesen ein wenig anstrengend.

Die Optik trägt diesmal auch nicht unbedingt dazu bei, ein Gefühl der Geschlossenheit zu erzeugen. Durch den Episodencharakter der ersten Hälfte des Sammelbands, die von insgesamt neun verschiedenen Illustratoren realisiert wurde, und die immer noch drei Illustratoren, die für die Kapitel sechs bis neun (die weitergeführte Kernstory) verantwortlich zeichneten, kommt es zu einem Stilgemisch, das zum Teil sicher spannend ist, aber auch für viel Unruhe in einem Comic sorgt, dessen Handlung schon nicht unbedingt geordneten Bahnen folgt. Die Qualität schwankt dabei von verspielt, über realistisch, bis hin zu spröde. Vollkommen zu überzeugen vermag sie – gerade hinsichtlich der Figurenzeichnung – nur stellenweise.

Fazit: Nach einem spannenden Staffelauftakt wirkt der zweite Sammelband von „Angel – Nach dem Fall“ ein wenig so, als hätten Joss Whedon und seine Mitstreiter ein bisschen zu viel auf einmal gewollt. Das hat zur Folge, dass es der Handlung an Geschlossenheit mangelt, sowohl vom Inhalt als auch von der Optik her. Wer die erzählerischen Leerstellen selbst zu füllen vermag oder aber darüber hinwegliest, wird jedoch auch in diesem Band wieder dramatische Wendungen im Unleben des Vampirs mit der Seele genießen dürfen. Für Comic-Leser, die „Angel“ jedoch nur flüchtig kennen, ist der Comic in Ermangelung einer selbsterklärenden Darstellerriege und Handlung nicht empfehlenswert.


Angel – Nach dem Fall 2: Die erste Nacht!
Comic
Brian Lynch, Joss Whedon, Nick Runge u.a.
Panini Comics 2009
ISBN: 978-3-86607-804-8
168 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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