Angel – Nach dem Fall 1: Die Hölle von Los Angeles

Die Serie „Buffy – The Vampire Slayer“ hat Joss Whedon bereits erfolgreich in Comic-Form wiederbelebt. Nun ist der Spin-Off um den Vampir mit Seele an der Reihe. Erneut wird praktisch nahtlos an das Finale der letzten TV-Staffel angeknüpft – und das ist hier noch wichtiger als bei „Buffy“, denn im Gegensatz zu den Abenteuern um die Jägerin endete „Angel“ seinerzeit mit einem dramatischen Cliffhanger, der zeigte, dass Joss Whedon wohl kaum damit gerechnet hatte, seinen Vampir künftig nicht mehr auf der Mattscheibe zu sehen. Alle Fans, die seitdem wissen wollten, wie es mit Angel und seinen Gefährten weitergeht, können dies nun in der sechsten Staffel – exklusiv als Comic – erleben.

von Frank Stein

Die fünfte TV-Staffel von Joss Whedons Kult-Serie endete mit einem Schock für die Fangemeinde: Im letzten Gefecht gegen die Advokaten des Teufels, Wolfram & Hart, stehen Angel, Connor, Illyria, Spike und ein schwer verletzter Gunn in einer engen Gasse einer erdrückenden Überzahl von Dämonen gegenüber. Es sieht ganz so aus, als würden die Helden gleich dasselbe Schicksal wie ihr gefallener Mitstreiter Wesley Wyndam Price erleiden. Dann verzerrt sich alles, die Serie endet … und Fans überall auf der Welt schrien verzweifelt auf, denn es sollte keine sechste Staffel geben, um die Abenteuer von Angel und Co. zu einem runden Ende zu bringen.

Zum Glück hat der langjährige Comic-Autor Joss Whedon das Medium der unbewegten Bildergeschichten für seine TV-Kinder entdeckt. Zusammen mit dem Bryan Lynch entwickelte er eine Fortsetzung von „Angel“, die Lynch dann als Autor umsetzte, unterstützt von dem Illustrator Franco Urro. Und diese Fortsetzung hat es echt in sich. Wer dachte, dass die achte „Buffy“-Staffel mit einer paramilitärischen Jägerinnen-Organisation, einer Riesen-Dawn und einer Buffy, die mit ihrer Kollegin ins Bett steigt, bereits ein paar echte Aufreger in Petto hatte, der wird sich die Augen reiben, wenn er sieht, wohin Joss Whedon und Bryan Lynch Angel geschickt haben!

Denn Angel findet sich und ganz Los Angeles in eine Höllendimension versetzt wieder – ein Resultat seines immerwährenden Streits mit Wolfram & Hart, die trotz allem noch immer nicht bereit sind, ihn aus seinem „Arbeitsvertrag“ zu entlassen. Während um ihn herum diverse Höllenlords die Stadt der Engel unter sich aufgeteilt haben und die Menschen wahlweise als Futter oder Sklaven halten, kämpft Angel, der nicht mehr ganz er selbst ist, einen verzweifelten Kampf gegen scheinbar endlose Horden von Gegnern. Dabei sind all seine Gefährten in vier Himmelrichtungen verstreut, und es bedarf einiger dramatischer Entwicklungen, um die ehemaligen Freunde, von denen heute jeder seine eigene Seelenqual zu tragen hat und seine eigene Agenda zu pflegen scheint, halbwegs an einem Strang ziehen zu lassen. Zum Glück hat Angel einen neuen Freund: einen echt großen Drachen!

Schon bei seiner derzeit exklusiv als Comic-Reihe erscheinenden achten Staffel von „Buffy“ hat Joss Whedon bewiesen, dass er den intermedialen Wechsel perfekt beherrscht: Was die Buffy-Fangemeinde bereits in drei, demnächst in vier Banden lesen durfte, ist die gelungene Übertragung der TV-Serie in die Bilder der „9. Kunst“. Whedon’scher Witz, Herzschmerz und Drama sowie eine Buffy, wie man sie aus dem Fernsehen kannte, aber versehen mit ein paar „Extras“, die sich der Meister im gesendeten Format wohl kaum hätte erlauben dürfen, haben die Lust der Fans an ihrer aus dem Genre-Gedächtnis bereits halb abgeschriebenen Heldin wieder entfacht.

Nicht weniger bietet „Angel“. Genau genommen bietet er sogar mehr. Denn waren die Konflikte bei „Angel“ im Gegensatz zu denen bei „Buffy“ immer schon ein wenig größer, exotischer und auch drastischer, haben sich Whedon und Lynch auch im Comic weit aus dem Fenster gelehnt. Der Versetzung von L.A. in eine Höllendimension und die aktuellen Schicksale aller (!) bekannter „Angel“-Figuren sind schon etwas, das man entweder als TV-Reinkarnation auf Speed akzeptiert und bewundert oder aber als völlig überzogen ablehnen wird. Reinblättern, um sich ein Bild zu machen, was auf einen zukommt, ist hier wohl die beste Lösung. Schön ist auf jeden Fall, dass die Kreativen bei der Umsetzung der sechsten „Angel“-Staffel darauf achteten, dass sich der Ton und der Stil des Comics ebenso von der „Buffy“-Comic-Reihe abhebt, wie es die TV-Varianten voneinander taten.

Fazit: Genau wie schon die „Buffy“-Comic-Reihe, weiß auch Angels Rückkehr in gezeichneter Form alle Fans der TV-Abenteuer erstklassig zu unterhalten. Der erste Band strotzt nur so vor unglaublichen Wendungen (klar, es muss ja erst einmal die neue Situation etabliert werden), doch es ist auch eine Warnung angebracht: Manch treuem Zuschauer mag das, was Whedon und Lynch hier an wildem Ideenfeuerwerk abbrennen, fast zu schon weit gehen. Denn befreit von den Zwängen des Big Budget gibt es hier wirklich kein Zurückhalten mehr. Das ist an sich eine gute Sache – aber man muss es mögen.


Angel – Nach dem Fall 1: Die Hölle von Los Angeles
Comic
Brian Lynch, Joss Whedon, Franco Urro u.a.
Panini Comics 2009
ISBN: 978-3-86607-803-1
144 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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