All Star Batman 1

Wenn jede Generation die Superhelden bekommt, die sie verdient, dann tut es mir Leid um unsere heutige Welt. Denn die von den Ausnahmekünstlern Frank Miller („Sin City“) und Jim Lee („Batman: Hush“) entwickelte Neu-Interpretation der Geschichte des Dunklen Ritters Batman präsentiert eine Wirklichkeit, in der nicht nur die Schurken brutale Psychopathen sind, sondern auch die selbsternannten Streiter für Recht und Ordnung. Vorhang auf für eine Welt ohne Regeln – willkommen bei „All Star Batman & Robin, The Boy Wonder“.

von Kurt Wagner

 

Alle paar Jahre stellen die großen amerikanischen Comic-Verlage die Uhr auf Null und erzählen die Geschichten ihrer größten Helden für eine neue Generation von Lesern – und für diese Comic Book Guys, die auch in fünf parallelen Erzählsträngen nicht den Überblick verlieren – einmal mehr aufs Neue. 2005 war es für den Mitternachtsdetektiv mit dem Fledermauskostüm mal wieder soweit. In einem für Comic-Afficionados spektakulärem Team-Up von Autor Frank Miller und Zeichner Jim Lee wurde die neue Reihe „All Star Batman & Robin, The Boy Wonder“ gestartet, deren erste sieben Einzelausgaben im vorliegenden Sammelband von Panini Comics nun auf Deutsch herausgebracht wurden.

Im Grunde kennt man die Geschichte, die übrigens keineswegs bei Bruce Waynes Weihe zum Dunklen Ritter beginnt, sondern mit Dick Graysons (a.k.a. Robins) Weg in die Dunkelheit von Gotham City. Ein Mietkiller bringt die Eltern des jungen Zirkusakrobaten vor voll besetztem Haus um die Ecke, und der Zwölfjährige wird von ein paar schmierigen Cops der notorisch korrupten Gotham Police eingesammelt. Doch statt den Tod seiner Eltern aufzuklären, haben die Ordnungshüter nichts Besseres zu tun, als auch Dick als ungeliebten Zeugen auszuschalten. Glück im Unglück: Batman, der als Bruce Wayne in Begleitung der Journalistin Vicky Vale der fatalen Zirkusvorstellung beigewohnt hatte, hat sich bereits an die Fersen der Verbrecher in Uniform geheftet. Er rettet Dick – und so beginnt für den ein neues Leben an der Seite eines Mannes, der auf den ersten Blick ein kranker Irrer zu sein scheint.

Und er scheint es nicht nur; er ist es. „Es ist so GEIL, BATMAN zu sein.“ Dieser Satz dürfte grob umreißen, in welchem Geisteszustand sich Bruce Wayne befindet, seit irgendein Unglücklicher vor Jahren seine Eltern ermordet hat. Frank Miller lebt hier einmal mehr seinen Hang zu extremen Figuren aus. So ist der neue „All Star Batman“ im normalen Leben ein angesehener Millionär, hinter dessen Fassade ein fluchender, gewaltbereiter, selbstverliebter Verbrechensbekämpfer steckt, der ganz tief drinnen eine ziemlich geschundene Seele ist. Dabei ist es vor allem die dunkle Seite in dem Fledermauskostüm, die in der vorliegenden Reihe auf ziemlich extreme Weise neu interpretiert wird. „Willst du Detektiv sein oder Rächer?“, fragte Batman in einem Moment Robin, während der Junge mit einer Doppelaxt über dem gefesselten Mörder seiner Eltern steht. Der Fledermausmann scheint auf diese Frage seinen eigenen Mittelweg gefunden zu haben: Jede seiner Ermittlungen geht mit gebrochenen Rippen und herausgeschlagenen Zähnen seiner Gesprächspartner einher.

Obwohl natürlich die Geschichte vom Tod der Eltern Dick Graysons und von den ersten Ermittlungen Batmans erzählt wird, stellt der Sammelband im Wesentlichen eine Exposition für den kommenden Kampf dar. Neben Batman und Robin werden mit Vicky Vale, Butler Alfred, Black Canary, Detektiv Jim Gordon, seine übereifrige Tochter Barbara Gordon (a.k.a Batgirl – Kenner wissen, was dem armen Mädchen noch bevorsteht…) und Jimmy Olsen gleich eine ganze Reihe wichtiger Nebenfiguren vorgestellt. Moment… Jimmy Olsen? Gehört der nicht zu Supermans Entourage? Nun, hier arbeitet er bei der Gotham Gazette – aber auch der Weg nach Metropolis ist nicht weit.

Denn um die Mitte des Sammelbandes wird obendrein noch eine Parallelhandlung eröffnet, die sich um die neu gebildete Justice League, Superman, Wonder Woman, Green Lantern und Plastic Man, entspinnt – die Batman allesamt für einen geistesgestörten Kindesentführer halten, der auf die eine oder andere Art und Weise aufgehalten werden muss (hier scheiden sich noch die Geister zwischen dem moralischen Superman, der Batman vor Gericht stellen will, und der kriegerischen Wonder Woman, die nur auf Blut aus ist). Man sieht also, dass Frank Miller und Jim Lee hier wahrlich tief in den Fundus der DC-Helden gegriffen haben, um von Anfang an eine komplexe und düstere Welt zu entwerfen, in der maskierte Heroen auf eine Handvoll Panels häufiger das „Sch…“-Wort in den Mund nehmen als ein ganzes Lokal voller Trucker an einem ganzen Abend.

Fazit: Wer dem DC-Universum bislang aus Gründen der Komplexität (oder Unübersichtlichkeit) die kalte Schulter gezeigt hat, bekommt mit „All Star Batman“ die einmalige Chance, einen Neustart der „Batman“-Geschichte mitzuerleben. Bat-Veteranen dürfte das Ganze ohnehin begeistern. Frank Miller und Jim Lee entwerfen eine Welt, die schmutziger kaum sein könnte, und bevölkern sie mit Helden und Schurken, die sich nur noch in der Art, sich zu kleiden, zu unterscheiden scheinen. Ein schonungsloses Comic-Vergnügen, auf dessen Fortsetzung ich höchst gespannt bin! (Obwohl eine Welt, die Männer wie diesen Batman braucht, einem eigentlich leidtut…)


All Star Batman 1
Comic
Frank Miller (Autor), Jim Lee (Illustrator)
Panini Comics 2008
ISBN: 978-3-86607-143-8
176 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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