Äther, Dampf & Stahlgiganten

„Space: 1889“ ist ein Rollenspiel mit einer langen Geschichte. Die Publikationsdichte insbesondere im deutschsprachigen Raum war allerdings immer sehr überschaubar. Umso erfreulicher, dass nun mit „Äther, Dampf & Stahlgiganten“ eine Abenteueranthologie vorliegt, die das Universum näher beleuchtet. „Egal, ob Sie mit dem Dampfschlitten durch die eisige Dunkelheit des Merkur irren, auf Pachyosauriern die nebligen Dschungel der Venus erkunden oder sich in einem Stahlkoloss wilde Verfolgungsjagden durch die Sierra Nevada liefern wollen: In diesem Abenteuerband finden Sie Anregungen und Ideen für allerlei phantastische Abenteuer zwischen Dampf und Äther.“, so verspricht der Klappentext. Doch sind die enthaltenen Szenarien auch von guter Qualität?

von André Frenzer

Für den ersten deutschsprachigen Abenteuerband griff der Uhrwerk-Verlauf auf Szenarien aus dem – mittlerweile eingestellten – GDW-Hausmagazin „Challenge“ zurück. Die Szenarien wurden für die Neuveröffentlichung dezent überarbeitet, wie das Vorwort verrät. Insgesamt acht Abenteuer oder Abenteuervorschläge wurden auf 56 Seiten versammelt. Und es wurde viel Wert auf Abwechslung gelegt, so viel sei verraten.

In „Meister der Magie“ sind die Charaktere auf diplomatischer Mission unterwegs. Sie unterstützen einen Bühnenmagier, der mittels seiner Fähigkeiten einen aufrührerischen, marsianischen Schamanen in seine Schranken weisen soll. Eine interessante Grundidee und ungewöhnliche Aufgaben für die Spieler machen dieses Szenario gleich zu einem Glanzpunkt des Bandes.

Im nächsten Abenteuer erkunden die Charaktere „Das Geheimnis der vergessenen Stadt“. Mit einem Luftschiff machen sie sich auf die Suche nach dem Gold eines untergegangenen Indianerreiches. Ein eher uninspiriertes Szenario im Stile der bekannten „Lost World“ – aber mit Indianern.

Auch „Kreaturen aus der Dunkelheit“ bietet eher Hausmannskost. Ein Luftschiff stürzt auf der dunklen Seite des Merkurs ab, und die Charaktere nehmen an einer Rettungsexpedition teil. Wer nun Sabotage eines einzelnen Teilnehmers und fremdartige Wesen in der Finsternis vermutet, der liegt goldrichtig.

„Tom Fleet und sein Stahlkoloss“ laden die Charaktere in die Wüste von Nevada ein. Und natürlich wird das neueste Wunderwerk der Technik gestohlen. Doch was auch hier wieder typisch beginnt, kann mit rasanten und actionreichen Szenen punkten. Insbesondere die alternativen Handlungsvorschläge des Autors wissen zu gefallen.

„Der Fluch der Wüste“ geht wieder ungewöhnlichere Wege, stellt er doch ein handfestes Gruselszenario dar. Auf der Suche nach einer verschollenen Expedition verschlägt es die Charaktere in eine marsianische Geisterstadt. Während sie Leiche um Leiche finden, müssen sie feststellen, dass auch ihre Leben in Gefahr sind … Die richtige Stimmung muss natürlich erzeugt werden, dann wird es beinhart mit dem einen oder anderen Schockeffekt.

Ein im sterben liegender Bekannter schickt die Charaktere zur Erforschung in „Das verwunschene Tal“. Der Handlungsverlauf ist sehr frei gehalten und erfordert eine Menge Arbeit vom Spielleiter; allerdings erhält man hier auf wenigen Seiten eine nette Sandbox, um gleich mehrere Abende mit der Erforschung des Tales zu verbringen.

In „Die letzte Reise“ begleiten die Charaktere einen verstorbenen marsianischen Freund auf eben jene. Der Weg führt in gefährliches hügelmarsianisches Gebiet und die Gruppe wandelt oft an der Grenze der Legalität. Ein Spielleiter, der das Szenario geschickt in eine laufende Kampagne zu verweben weiß, kann hier eine sehr persönliche Motivation schaffen; alle anderen werden sich schwer tun, das Szenario nutzen zu können.

„Gefangen in Noachis“ schlussendlich ist kein Abenteuer im eigentlichen Sinn, sondern stellt Szenen vor, die der Spielleiter während eines marsianischen Gefängnisaufenthaltes einstreuen kann. Handfest und brauchbar, aber sicher keine Sternstunde der Innovation.

Das Layout des Bandes weiß durchaus zu gefallen. Klare Gliederung, ein angenehm gutes Lektorat, hübsche Schriftarten und reichlich Zusatzinformationen in begleitenden Extrakästen – all das ist lobend hervorzuheben. Die Bebilderung ist größtenteils auf einem annehmbaren Niveau und völlig ausreichend ausgefallen. Für Layout und Design gibt es damit eine gute Note. Ein kleiner Wermutstropfen sei erwähnt: Leider ist die für den Einband verwendete Kartonage nicht die stabilste und hält stetigem Gebrauch nur schwer stand.

Fazit: Es ist wirklich eine Menge Material, dass der Uhrwerk-Verlag dem Spielleiter hier auf engem Raum zur Verfügung stellt. Die Szenarien sind dabei von wechselhafter Qualität und man merkt ihnen ihre Vergangenheit als Zeitungspublikation teilweise auch an; nichtsdestotrotz sprühen sie vor Ideen und sind sehr unterschiedlich gehalten. Es bedeutet Aufwand für den Spielleiter, aus den knapp formulierten Szenarien abendfüllende Abenteuer zu machen; wer diesen aber nicht scheut, erhält eine Menge Inspiration. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sorgt schlussendlich für eine glatte Kaufempfehlung für alle, die an steampunkigen Szenarien interessiert sind.


Äther, Dampf & Stahlgiganten
Abenteuerband
James Cambias, Timothy B. Brown
Uhrwerk Verlag 2013
ISBN: 978-3942012607
56 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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