von KaiM
Ja, das ist richtig: Eigentlich kann man diesen Titel auch zu viert spielen, womit dieses taktische Tauziehen kein lupenreines Spiel für zwei Personen ist. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass man zu zweit das intensivste Spielgefühl präsentiert bekommt. Innerhalb von dreißig Minuten soll eine Partie erlebt werden können, was in vielen Fällen ein wenig zu kurz dimensioniert sein dürfte, aber auf der anderen Seite wird man auch nicht viel länger als maximal eine Stunde beschäftigt sein. Davon abgesehen sollte man mindestens zehn Jahre alt sein. Hier kommt es sehr stark darauf an, wie gut das Kind mit direkter Konfrontation umgehen kann, aber das gilt wohl für Spielende jeden Alters. So gesehen, sind die Angaben auf der Packung recht passend. Aber nun starten wir durch: Der Countdown läuft.
Das Material
Zweifelsfrei hat der Verlag hier tolle Arbeit geleistet. Die Planeten, das Zenithium (eine Währung im Spiel) und die Technologiesteine sind aus einer Art Kompostmaterial und erinnern an gute Ergebnisse aus einem 3D-Resindrucker. Das kombiniert eine schöne Haptik und tolle Farben mit feinen Details. Schon beim Öffnen der Packung war ich sofort begeistert. Die Karten haben fantasievolle Illustrationen von Persönlichkeiten der drei verschiedenen Völker im Spiel und lustige Namen mit vielen Andeutungen und versteckten Referenzen. Die Box hat genau die richtige Größe, die Boards sind ebenfalls gefällig designt und der Spielaufbau dauert nicht länger als ein paar Minuten. Wenn das Material die B-Note bestimmt, gibt es hier jedenfalls keinerlei Abzüge.
Der Spielablauf
Der Ablauf ist sehr schnell erklärt. Auf fünf Planeten unseres Sonnensystems streiten wir uns darum, wer am meisten Einfluss besitzt. Jedes Mal wenn wir Einfluss gewinnen, schieben wir einen Planeten in unsere Richtung, und jedes Mal wenn ein Planet genug Schritt gemacht hat und auf unserer Seite ankommt, nehmen wir uns den passenden Marker, quasi als Siegpunkt. Ziel des Spiels ist es nun, auf vier verschiedenen Planeten genug Einfluss gesammelt zu haben. Der Kampf um jeden Planeten geht nach jedem Sieg wieder von vorne los und man kann einen Planeten auch mehrfach gewinnen. Daher ist ein Sieg auch dann möglich, wenn man einen Planeten dreimal oder insgesamt fünf Planeten gewonnen hat.
Um dies zu bewerkstelligen, hat man Diplomatenkarten auf der Hand, die jeweils einem der Planeten zugeordnet sind, einer Spezies angehören, eine Spezialfertigkeit besitzen und natürlich auch ihren Preis haben. Ist man an der Reihe, muss man eine dieser Karten spielen, wobei es drei Einsatzmöglichkeiten gibt.
Einen Diplomaten anheuern: Man spielt eine Karte aus und bezahlt sie. Für jede Karte desselben Planeten, die man bereits vor sich liegen hat, bekommt man einen Rabatt von einem Kredit. Dann bewegt man den zugehörigen Planeten einen Schritt in die eigene Richtung und löst zusätzlich die Spezialfertigkeit aus. Dabei hat jede Karte eine individuelle Fähigkeit, die quasi einzigartig im Spiel ist.
Eine Technologie erforschen: Man kann eine Karte einer Rasse ablegen und zusätzlich die Spezialwährung Zenithium ausgeben, um dieser Rasse einen technologischen Fortschritt zu verschaffen. Die Effekte werden dabei immer kostspieliger, aber auch immer besser, sodass sich eine Investition im Laufe einer Partie lohnen kann.
Einen Diplomaten entsenden: Man legt eine Karte ab und bekommt die Führung, eine Art Abzeichen, die das Handkartenlimit erhöht und weitere Vorteile gewähren kann, sowie einen kleinen zusätzlichen Bonus.
Die Möglichkeiten sind also vielfältig und abwechslungsreich, weshalb man nicht immer die richtigen Karten findet, die zur eigenen Strategie passen. Das heißt, man muss flexibel bleiben und darf sich nicht zu sehr auf festgelegte Ziele fixieren und muss immer das Beste aus den Karten herausholen. Je nachdem wie ausgewogen eine Partie läuft, können über dreißig Züge notwendig sein, um zu gewinnen. Das sollte aber die absolute Ausnahme sein. Oft werden um die zwanzig Züge ausreichend sein. Eines ist jedoch sicher: Mehr Züge bedeuten auch mehr Spannung, und die gibt es in diesem Spiel reichlich.
Das Spielgefühl
Müsste ich mit einem Wort beschreiben, wie sich das Spiel anfühlt, würde ich folgendes wählen: intensiv. Jede Karte ist von Bedeutung und kaum ein Zug wird nur so dahin gespielt, denn schließlich ist jede platzierte Karte auch eine Investition in die Zukunft. Außerdem muss man nicht nur gleichzeitig an fünf Matches Tauziehen teilnehmen, sondern auch noch im Blick behalten, was auf dem Technologieboard so passiert, was der Gegner so plant und die eigenen Finanzen im Griff haben. So viele Wettrennen wurden noch nie auf so kleinem Raum untergebracht, und das macht „Zenith“ wirklich einzigartig. Man muss allerdings auch damit klar kommen, dass es dazu gehört, sich gegenseitig Ressourcen wegzunehmen, womit die eigenen Pläne auch gerne mal durchkreuzt werden. Aber bei einem Spiel mit so starker Interaktion, dürfte schon bei der Regelerklärung klar sein, ob beide daran Spaß haben werden.
Natürlich gibt es auch einen Glücksfaktor, denn manchmal entscheidet einfach die nächste Karte auf dem Nachziehstapel, ob man das Spiel gewinnt. Aber nach ein paar Partien wird klar, dass die geschickte Nutzung der eigenen Möglichkeiten viel häufiger den Ausschlag gibt und so manche Partie, die am Anfang nach einem klaren Sieg aussah, kann auch noch gedreht werden.
Auch dank einer sehr guten Adaption auf einer Onlineplattform, habe ich das Spiel häufiger spielen können als viele andere Titel in den letzten Jahren. Das Feedback der Mitspielenden: immer positiv. Man spielt, man lernt dazu, man will beim nächsten Mal etwas anderes ausprobieren. Dazu Entscheidungen, die einen Unterschied ausmachen, und so manch ein extrem spannendes Finale: eine perfekte Kombination.
Somit haben die beiden Autoren, Gregory Grad und Mathieu Roussel, dieses Jahr nicht nur ein, sondern zwei Spiele auf den Empfehlungslisten der Jury vom „Spiel des Jahres“. Denn auch das überaus beliebte „Castle Combo“ ist von ihnen. Letzteres gehört zwar nicht zu meinen Lieblingstiteln diesen Jahres, aber offensichtlich haben die beiden ein sehr gutes Gespür für tolle Spielerlebnisse bei überschaubarer Spieldauer. Wir dürfen also sehr gespannt sein, was als nächstes kommt.
Fazit: Dieses Duellspiel funktioniert hervorragend und ist für alle, die den direkten Konflikt nicht scheuen und gerne zu zweit spielen. Ich kann es bedingungslos empfehlen.
Zenith
Brettspiel für 2 planetare Führungspersönlichkeiten ab 10 Jahren
Gregory Grad, Mathieu Roussel
Asmodee 2025
EAN: 5430003838242
Sprache: Deutsch
Preis: 37,99 EUR
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