von Kurt Wagner
Die „The World“-Reihe nahm vor ein paar Jahren Gestalt an, als Comic-Künstler aus 14 verschiedenen Ländern der Legende Batman ihren Tribut zollten. Etwas später folgte der Band „Joker – The World“, der weltweit die Missetaten eines der größten Schurken der Comic-Geschichte feierte. Sehr naheliegend folgt nun ein Band über Superman, der auf Weltreise geht. Gefühlt kommt der Comic zwei Bände zu spät, denn eigentlich hätte Superman die Ehre gebührt, die Reihe zu starten. Aber natürlich spielen hier nicht ideelle Gründe die Hauptrolle, sondern wirtschaftliche, und 2022 kam eben der Film „The Batman“ von Regisseur Matt Reeves auf den Markt, während „Superman“ von James Gunn just dieser Tage in den Kinos läuft. Comics und Hollywood haben sich schon immer gegenseitig befruchtet.
Das Format des Comics bleibt sich selbst treu. „Superman – The World“ erzählt auf 192 Seiten 14 Geschichten von Comic-Künstlern rund um den Globus, die den Mann aus Stahl in ihren kurzen Storys jeweils in ihr Heimatland reisen lassen, wo er dann ein kleines Abenteuer mit reichlich Lokalkolorit erleben darf. Die Reise beginnt (natürlich) in den Vereinigten Staaten und führt dann kreuz und quer über die Erde: von Spanien, Italien und Serbien, nach Kamerun, Indien und Argentinien, in die Türkei, nach Frankreich und Brasilien, rüber nach Polen, zurück nach Mexiko, bis nach Deutschland und Tschechien. Das ist einmal mehr eine interessante, internationale Mischung. Auffällig ist diesmal das Fehlen von Russland sowie Fernost. Nach wie vor wartet man auf einen Beitrag etwa aus Australien oder Skandinavien. Mittel- und Südeuropa wirkt einmal mehr überproportional repräsentiert. Afrika bekommt immerhin eine Story spendiert.
Die 14 Geschichten sind zwar unterschiedlich im Tonfall, haben aber auch spürbare Gemeinsamkeiten, worauf ich gleich eingehen will. Dan Jurgens (mit Lee Weeks) kritisiert im USA-Beitrag die Kanonenbootpolitik und Schießwütigkeit der Entscheidungsträger seines Landes. Im spanischen Beitrag von Jorge Jiménez und Alejando Sánchez verbringt Superman ohne Kräfte einen Tag in Granada, wobei die Handlung gefährlich nah an ein Urlaubs-Werbeprospekt für die Region herankommt. Marco Nucci (mit Fabio Celoni) erlaubt sich im italienischen Beitrag eine diabolische Anekdote rund um Superman und Dantes Inferno, die mit einem gelungenen Augenzwinkern endet. In Serbien dann stößt Superman sehr kurz und etwas oberflächlich mit Lobo zusammen (geschildert von Stevan Subic).
Interessant ist die Herangehensweise von Dr. Ejob Gaius (mit E. N. Ejob) aus Kamerun, der einen Superman zeigt, der nicht frei von kultureller Ignoranz ist, wenn er eine den Menschen dort heilige Statue zerstört, um einen Fiesling zu stoppen – und dadurch einen lokalen Gott heraufbeschwört. Natürlich zeigt der Stählerne Einsicht und Lernbereitschaft, sodass auch diese Krise abgewendet werden kann. Sehr ähnlich gestaltet sich übrigens auch der Beitrag aus Brasilien (von Jefferson Costa), wo es um die Frage geht, wem ein magischer Umhang gehört – palavernden High-Society-Snobs oder den Ureinwohnern. Indem die Haltung von Superman als „amerikanischem Helden“ hier infrage gestellt wird, mischt sich eine interessante, wenn auch leise, Kritik an der Wahlheimat des Kryptoniers in diese Seiten.
Vor allem aber ist Superman Retter und Freund. In Indien (von Rana Daggubati und Sid Kotain) geht er gegen Tempelräuber vor, die auffällig britisch wirken. Argentinien (von Mauro Mantella und Agustín Alessio) beschützt er vor der versehentlich freigesetzten letzten Saat von Krypton, die den Regenwald in ein außerirdisches Biom umzuwandeln droht. Im türkischen Beitrag (von Ethem Onur Bilgiç) hält er, leider etwas knapp erzählt, die Wiederkehr einer kultisch verehrten Gottheit auf. Und in Paris verkommt ein von Silvain Runberg und Marcial Toledano Vargas inszenierter romantischer Trip mit Lois Dank dem Auftauchen von King Shark zum Stress-Tag.
In vielen der Geschichten reist Superman zunächst als Reporter Clark Kent in das Land der jeweiligen Künstler. So auch in Polen, wo er von Bartosz Sztybor und Marek Oleksicki mit der Legende der Eiskönigin Marzanna konfrontiert wird. Der mexikanische Beitrag von Bernardo Fernández hat nicht nur optisch cartoonartige Züge, auch der auftauchende, blutdürstige Kriegsgott Huitzilopochtli (bitte dreimal ganz schnell aussprechen) ist eher eine ausgeblasene Witzfigur als ein echter Gegner. In Deutschland lässt Flix den Stählernen 1948 zum Opfer einer Werbekampagne für (K)Rupp-Stahl werden, auch hier mit durchaus satirischen Elementen. Geradezu existenzialistisch (und etwas verwirrend) werden die Leser dann mit dem tschechischen Beitrag von Štepán Kopriva und Michal Suchánek verabschiedet, der auf eine Raumstation in die ferne Zukunft führt.
So unterschiedlich also die Länder, ein paar Motive tauchen immer wieder auf. Der Reporter Clark Kent bereist voller Neugierde fremde Länder. Der Held Superman wird mit dem Übernatürlichen der jeweiligen Kultur konfrontiert, seien es Götter oder auch mal der Teufel. Sanft wird Kritik am Gebaren des „Amerikaners“ Superman gegenüber der Kultur von Ureinwohnern in Afrika und Südamerika geübt. Grundsätzlich aber steht die positive Begegnung zwischen Superman und den Menschen rund um den Globus im Fokus. Das wird manchmal grenzwertig kitschig, mal selbstironisch und mal voller Nationalstolz inszeniert. Und auch wenn nicht jeder Beitrag gleichermaßen gelungen wirkt, ist die Anthologie dennoch in Summe ein sehr interessantes und manchmal auch nachdenklich stimmendes Vergnügen, das den Horizont weit über Metropolis und das bekannte wie auch verinnerlichte Comic-Erzählen US-amerikanischer Künstler hinaus erweitert.
Fazit: Die „The World“-Reihe bekommt durch den „Superman“-Band gelungenen Zuwachs. Sehr unterschiedliche Künstler nehmen Superman und uns Leser an die Hand und mit um die Welt. Dabei finden vor allem leichtherzige Geschichten als auch solche mit einer Botschaft ihren Platz in der Anthologie. Superman ist halt kein brütender Eigenbrötler wie Batman, sondern ein weltoffener und den Menschen zugewandter Charakter. Das alles liest sich flott und kurzweilig, aber natürlich muss man mögen, dass alle Geschichten eher Fragmente oder Anekdoten sind. Für Komplexität bleibt kein Platz. Wie auch im Fall des „Batman“-Bandes wäre ein Folgecomic mit etwa Beiträgen aus Japan, Österreich, Ägypten, Norwegen, Kolumbien, Kanada oder Australien absolut wünschenswert.
Superman – The World
Comic
Dan Jurgens, Flix u. a.
Panini Comics 2025
ISBN: 978-3-7416-4297-5
192 S., Softcover, deutsch
Preis: 20,00 EUR
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